Antwort auf: Sun Ra

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vorgarten

Registriert seit: 07.10.2007

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puh, da ist jetzt so viel drin, das ich das gar nicht sortiert kriege. das sun ra arkestra ohne sun ra und ohne seinen meisterschüler gilmore gibt es ja schon seit 1995, natürlich immer mit dem beigeschmack des asche-verwaltens. einen live-eindruck dieser band aus den letzten 25 jahren haben die meisten hier, manche sogar t-shirts ;) diese band – kurz bevor es nicht mehr geht – in ein studio einzuladen und dafür wirklich ein konzept zu überlegen, das nicht nur den mangel verwaltet, einen live-show-act in seiner theatralik nicht abbilden zu können, finde ich erstmal interessant – und nun, nachdem das ding bei mir rauf und runter läuft, auch wirlich gelungen. was ich im wesentlichen marshall allen zuschreibe, dessen arrangements sehr clever sind. die abgehangenen greatest hits, mit den kleinen swing-flirts, vor allem aber mit june tyson als soul-sängerin, haben sich ja eigentlich erst in der philadelphia-zeit verfestigt, eigentlich genau mit den live-shows in europa und ägypten, den impulse-aufnahmen und-neuverpackungen – aber der vergleich, wie die band „the satellites are spinning“ in ägypten performt hat, mit drei schlagzeugern, einem e-bass, und ras irrlichternden synth-eskapaden, hat unter allen eine ganz andere textur bekommen. die geht nicht unbedingt in die tiefe, ist auch weniger far out, ist aber viel kollektiver, viel organischer. und sie hat etwas sehr rührendes, weil da menschen an etwas festgehalten haben, durch phasen des uncoolseins, durch neue hipsterumarmungen hindurch, an crave diggern vorbei, die sich eh nur für seltene saturn-ausgaben interessieren, steht da, wo alle plötzlich den wert von afrofuturismus als utopisches reservoir erkennen, noch das real deal auf der bühne, mit 80jährigen, die rad schlagen. und jetzt gibt es das auf vinyl, und es klingt auch noch gut. ich kann das nicht wirklich unter „unspektakulär“ verbuchen. so als wäre das selbstverständlich, dass es eine solche band gibt und die heute so ein album einspielt. aber wenn man die sounds und das material (obwohl…) mit denen/dem von anderen heutigen big bands vergleicht, ist es wahrscheinlich nicht so anders…

zu den laufzeitberechnungen: klar wäre platz für zwei stücke mehr gewesen. aber die hat man ja, weil es die digitale ausgabe ja dazu gibt. für mich persönlich funktioniert die doppel-lp super, jede seite ist sinnvoll zusammengestellt, es ist eine ständige einladung, immer wieder 20 minuten aus dem album zwischendurch zu hören. cds mit über 50 minuten finde ich mittlerweile echt anstrengend, höre ich meistens in 2 etappen, schaffe ich nicht bei voller konzentration am stück.

marshall allen ist kein hardbopper, klar. obwohl es zu beginn der new-york-phase, 1961, noch mal sehr viel hardbop-aufnahmen vom arkestra gegeben hat. aber für mich ist das material auf dem neuen album kein hardbop – woran machst du das fest? die vor allem rhythmisch organisierten modalen stücke mit den festen bassostinati gehen ja auch schon auf THE NUBIANS OF PLUTONIA (chicago 1958/59) zurück, und da war allen schon dabei.

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