Antwort auf: Miles Davis und Karlheinz Stockhausen – wechselseitige Beeinflussungen?

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gypsy-tail-wind
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vorgarten
ich lese das ganze aber eher als selbstgespräch von badlands, der sich hier gerade einen schlüssel für die elektrischen miles-sachen besorgt, und da mag ich nicht hineingrätschen.

Ja, deshalb habe ich auch ein etwas schlechtes Gewissen … aber gestern Abend, nachdem ich bei Cole und Tingen geblättert hatte, war die Neugierde dann halt doch zu gross und ich wollte mir die Sache genauer anschauen.

Dass diese Verbindung für mr-badlands einen Weg in davor nicht zugängliche Musik öffnete, ist natürlich erfreulich und daran habe ich auch nicht im geringsten etwas auszusetzten – unsere Wege sind alle anders, und sie sind auch oft nicht über das eigene Denken/Wahrnehmen hinaus nachvollziehbar, und das ist ja auch gut :yes:

vorgarten
keine besserbelehrung über den einsatz der sitar bei miles – entdeckt als hintergundmusik in einem restaurant, dann zwei leute aus einem greenwich-village-schuppen von mclaughlin empfehlen lassen – und dann einen sitaristen in der band zu haben, der sein instrument elektrifiziert und wie eine e-gitarre spielt… all dem ging wohl keine intensive auseinandersetzung mit klassischer indischer musik voraus, bzw. erklärt sich das, was dabei gelingt, nicht durch solche bezüge.

Danke, ich wusste nur nicht, ob ich da irgendwas noch nicht mitgekriegt hatte (Szwed habe ich noch nicht gelesen, vor 20+ Jahren mal Carr, aber damals aus der Bibliothek, drum las ich dort gestern nicht auch nochmal nach, aber der wird ja auch wieder mit Buckmaster gesprochen haben). Aber klar, ich finde inzwischen die Sitar-Band von Davis auch ziemlich phantastisch (war früher auch anders, ich hielt „In Concert“ wohl für das am wenigsten interessante Album der Jahre 1970-75, hielt es für irgendwas zwischen misslungen und mittelmässig), und klar muss das nicht viel mit dem „klassischen“ Einsatz der Sitar zu tun haben, aber eben: da hinterfrage ich halt das Gerede von „Integration“. In der klassischen indischen Musik ist die Sitar ein Solo-Instrument (und nichts anderes, soweit ich weiss), gespielt vom Meister, der dann einen Lakaien an der Tabla dabei hat. Die Sache mit der Spontaneität in der indischen Musik ist ja auch so eine Sache. Ich kenne leider wenig jüngere Leute, aber was ich bisher gehört habe, beschränkte sich eigentlich immer auf ein Imitieren nach dem Schema: der Meister spielt eine Phrase (natürlich alles in einer festen Form), dann lässt er den Begleiter dieselbe Phrase wiederholen, was natürlich sehr verblüffend sein kann und ein westliches Publikum (das aber eher Mozart als Miles oder Stockhausen gewohnt sein dürfte) regelmässig in grösste Verzückung bringt (z.B. Bansuri + Tabla, die Flöte spielt was, und dann kann der Typ mit den Trommeln, die ja gar keine „Melodie“ können, eben diese Melodie so ähnlich auch spielen). Ein richtiger Dialog findet da eher nicht statt, die Rollenverteilung ist sehr klar – und vollkommen anders, als sie bei Davis‘ Bands jener Zeit war.

Und bei Coltrane war es wohl nicht so anders … klar, die Skalen sind spannend und mögen reingespielt haben ins melodische Arbeiten, der Ton der indischen Doppelrohrinstrumente mag Coltranes Ton am Sopransaxophon geprägt haben (aber es gab ja auch die Oboe, die er schon lange gekannt hat) … ich denke halt, dass auf der Ebene vieles sehr oberflächlich geschah und geschieht. Bei den entsprechenden Konzerten tauchen aber immer auch „Gläubige“ auf (auch bei den erwähnten Stockhausen-Konzerten, langhaarige barfüssige oder sandalenbewehrte Alt-Hippies, die ich eher im Stadion bei Neil Young verortet hätte als in der brutalistischen Betonkirche, in der Aimard die Klavierstücke spielte), Leute, die vermutlich der Meinung sind, dass da echter Dialog und irgendwas Spirituelles abgeht. Was ja auch wieder völlig in Ordnung ist und mich auch überhaupt nicht stört, weil eben, das sind halt wieder die individuellen Wege. Für mich selbst ist das halt, glaube ich, nicht so einfach, ich muss dahinter gucken und lästige Fragen stellen, so wie hier :whistle:

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