Antwort auf: Funde aus dem Archiv (alte Aufnahmen, erstmals/neu veröffentlicht)

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gypsy-tail-wind
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Aus dem Hörfaden zusammengetragen zu Paul Desmond – The Complete 1975 Toronto Recordings (Mosaic Records, 7 CD, 2020) – Bildchen ausgetauscht/ergänzt, so dass neben dem Mosaic-Cover auch die drei bisherigen Veröffentlichungen zu sehen sind … vom A&M-Album gab’s ein CD-Reissue, die Telarc gab’s nur auf CD, von Artist House gab’s ein Bootleg bei einem der spanischen Piratenlabel.

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Bin bei CD 2 – und wieder mal überwältigt. In dieser Musik steckt so viel Schönheit, dass es schwer auszuhalten ist.

interessant… ich kann ja nicht so viel damit anfangen, muss ich gestehen. ich kenne allerdings auch nur das erste original-album – denke aber mal, dass sich am charakter der aufnahmen im rest des materials nicht viel ändert.

Irgendwo in den schwatzhaften Liner Notes von Doug Ramsey (der zudem ausführlich aus dem in längerer Form im Booklet abgedruckten Text von Don Thompson zitiert – auch seltsam) steht, dass das die besten Post-Brubeck-Aufnahmen von Desmond seien … und ich glaub, der Meinung kann ich mich problemlos anschliessen (zumal die RCA-Alben dann ja aussen vor sind). Bin mir nicht mal sicher, ob das Material auf dem A&M-Album das beste ist, was es von den Sessions gibt … auf CDs 1 und 2 sind Stücke von den Auftritten vom März gebündelt und ich glaube, die gefallen mir noch besser (CD 2 entspricht grossteils der TelArc-CD, enthält einfach noch ein Stück mehr vom Vorabend). Die Diskographie ist eh nicht so klar (bzw. wird allenfalls im Booklet nicht vollständig wiedergegeben), ich nehme an, dass an den Abenden mehr Musik mitgeschnitten wurde als die 5-6 Stücke, die sich jeweils einem Abend zuordnen lassen. Jedenfalls sind vier Abende vom März dokumentiert (25., 26., 28 und 29.), die TelArc-CD enthält die sechs Stücke vom 29. Dann sind gibt es sieben Stücke vom 25./26. Oktober sowie sechs und acht vom 27.-29. Oktober – von den sechs sind fünf auf dem Artist House-Album (davon gab es ein spanisches CD-Bootleg), die acht sind auf dem A&M-Album. Danach sind noch fünf plus zwei Stücke vom 30. bzw. 31. Oktober zu hören, auf denen Rob McConnell (vtb) einspringt, weil Bickert seinen Vater beerdigen gehen musste. Diese sind auf CD 6 gruppiert, während CD 7 das A&M-Album enthält. Ich hätte natürlich sehr gerne zwei Seiten mehr im Booklet mit vollständigen Setlisten usw., aber ich vermute mal, dass sich das gar nicht mehr rekonstruieren lässt. Gruppiert hat Don Thompson die Musik, mehrheitlich so, dass sich runde Sets pro CD ergeben – aber eben auch so, dass die bisher veröffentlichten Portionen mehrheitlich beisammen blieben.

Interessanter ist aber, natürlich, die Musik selbst. Und da eben besonders Bickert. Es wurde gemäss Thompson (der auch für die Aufnahmen zuständig war damals) nie geprobt, Bickert und Desmond konnten Dutzende Stücke in allen Tonleitern spielen, Bickert spielt zudem anscheinend (manchmal bild ich mir schon ein, das auch zu hören) sehr oft alternative Changes. Thompsons Bass ist solide aber auch äusserst melodiös, Fullers Drums sind zurückhaltend aber grossartig. Er war derjenige, der nach den Sets mit Desmond an der Bar hing, „because Ed and Don weren’t much into drinking“. Beim ersten Mal habe Paul ihn gefragt, ob er ihm einen Drink offerieren dürfe, und eines Abends dann zu ihm gesagt, seine Lieblingsdrummer seien Joe Dodge, Connie Kay und er, Fuller. Kann ich vollkommen nachvollziehen (ausser dass ich Dodge nicht so recht einschätzen kann, achte mich in der Regel beim Hören der frühen Brubeck-Aufnahmen v.a. auf Desmond und den Leader, muss die mal wieder anhören), auch wenn der Extra-Roach-Kick von Joe Morello bei Brubeck natürlich immer wieder auf ganz eigene Weise kickt und das natürlich auch Reaktionen hervorruft.

Anyway, ich bin begeistert, das ist wohl vor Tapscott, Coltrane und Thomas mein Archiv-Release (Halb-Reissue, aber das sind Coltrane und Thomas ja auch, Coltrane eigentlich ein ganzes, wenn man die Bootlegs mitzählt) des Jahres und wohl mein bisher einziges Jazzalbum, dem ich die vollen fünf zu geben versucht bin.

(Und wer auch immer sich den Scherz mit „It’s Not About the Melody“ in den Tags erlaubt hat, sollte mal Paul Desmond hören, der macht aus einer Melodie immer gleich ein Dutzend weitere – unfassbar schön!)

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Hier ergänzend noch der im Herbst 1975 gefilmte Auftritt der Band für das TV-Programm „Take 30“, die soweit bekannt einzigen Filmaufnahmen der Gruppe.

Mehr dazu:
https://jazzhistoryonline.com/paul-desmond-canadians/

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Jetzt Fortsetzung von gestern, also CD 5:

Und da gibt es gleich eine Irritation, denn #1 ist nicht wie angekündigt bzw. angeschrieben „Squeeze Me“ sondern „I’ve Got You Under My Skin“, das gemäss den Angaben an fünfter Stelle folgen sollte – die Titel von #2-5 entsprechen dann den Stücken, die als #1-4 geführt werden (bei #6 und #7 ist alles korrekt).

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Gerade am Ende des kompletten ersten Hörgangs der neuen Mosaic-Box mit den Toronto 1975-Aufnahmen von Paul Desmond angekommen (CDs 1 und 2 liefen schon davor mal und alle bereits davor veröffentlichte Musik – nicht ganz 3 der 7 CDs – kannte ich eh schon) – und das ist wirklich grossartig! Archiv-Release des Jahres, da bin ich mir ziemlich sicher (aber gut, vielleicht kommt die Monk-CD ja noch und ist wirklich so gut, wie gemunkelt wird … oder müssen die Majors zuerst alle fusionieren? Kann eigentlich Warner nicht auch noch Einspruch erheben, weil Sony und Universal es nicht mitstreiten lassen, schiene mir nichts als gerecht).

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba