Antwort auf: Ich höre gerade … klassische Musik!

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gypsy-tail-wind
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Gerade vom Einkauf zurück – schon vor 7 Uhr waren es 25 Grad, ergo kaum geschlafen – so von 1:30 bis 6:30, dabei bin ich dafür doch zu alt bzw. noch nicht alt genug ;-)

In Sachen Sokolov, fairerweise ist das Auditorium (im ehemaligen Fiat-Gelände, ich habe es leider selbst bisher nicht gesehen) wohl sehr gross, und es waren wohl doch nur wenige leere Plätze auszumachen (allerdings sah man auch bloss die vordersten Reihen). Sehr schönes Programm natürlich, ich hatte es ja in Zürich, noch in der alten Tonhalle, auch im Konzert gehört!

Jetzt öffne ich den Tag mit einer Neuheit (die soweit ich gerade sah, exakt in einem Monat erscheint, ich war halt wieder beim Vertrieb … solange Hyperion hier nicht mitliest, stört es wohl niemand, wenn ich sie schon erwähne):

Baron Frédéric Alfred D’Erlanger war ein eingebürgerter Brite, für seine Freunde „Baron Freddy“ – Bankier, der die Familientradition fortführte und nebenher also auch komponierte … geboren in Paris als Sohn einer amerikanischen Mutter und eines deutschen Vaters – ich weiss jetzt nicht, ob er einen Wiki-Eintrag hat, weil er komponierte, oder weil es in Deutschland so unglaublich viel Adelsfetischist*innen gibt:
https://de.wikipedia.org/wiki/Frédéric_A._Baron_d’Erlanger
Er debüttierte 1893 mit einer Oper, blieb mit weiteren Opern bis in die 20er präsent, daneben entstand Orchestermusik (u.a. ein von Fritz Kreisler im UK erstaufgeführtes Violinkonzert, das auf der Hyperion-Reihe „Romantic Violin Concerto“ zu finden ist, aus der ich aber nichts habe bisher). Kammermusik schrieb er nur wenig, das Klavierquintett wurde 1902 bei einem „Saturday Pops“-Konzert in London mit grossem Erfolg aufgeführt – mit D’Erlanger am Klavier und dem Kruse Quartet. Es folgten weitere Aufführungen, aber das Werk fand kein grösseres Publikum, Lewis Foreman mutmasst in den Liner Notes, dass das damit zu tun hat, dass es eng mit dem Komponisten, der ein Virtuose am Klavier war, verbunden war. Ein interessantes Detail ist, dass dieser bei einem späteren Konzert auch Solo-Improvisationen spielte: über Motive, die das Publikum ihm vorsang. Genau das tut ja in heutigen Tagen Gabriela Montero und auch bei ihr ist das verblüffend (was natürlich viel damit zu tun hat, dass in der Klassik-Welt die Improvisation ein verdorrtes Schattenpflänzchen ist).

Thomas Dunhill, von dem das zweite Quintett auf der CD stammt, schrieb in seinen frühen Jahren hauptsächlich Kammermusik. Er ist mir bisher ebenso wie d’Erlanger vollkommen unbekannt. Später schrieb er Orchestermusik und manches, das in den Dreissigern aufgeführt wurde und in der „light music“ Schublade versorgt wird. Sein Klavierquintett stammt von 1904 – und wie auch bei d’Erlanger fällt mir eine stilistische Zuordnung schwer – das sind beides melodische Werke, die sich nicht zu sehr mit spätromantischem Schwulst aufhalten (der ja toll sein kann, wie jüngst auch die neue Einspielung des Violinkonzerts von Korngold mit Andrew Haveron auf Chandos wieder zeigt) sondern recht gradlinig und in der Form ziemlich klassisch vonstatten gehen. Der englische Wiki-Eintrag über Dunhill ist recht umfangreich:
https://en.wikipedia.org/wiki/Thomas_Dunhill

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