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Diese CD hatte ich schon Ende April gekauft – dachte ich … wurde zurückgerufen, weil falsche Musik auf der CD war (was, weiss ich nicht, ich brachte sie umgehend zum Vertrieb zurück) … beim letzten Besuch war endlich die korrekte wieder da. Niquet hatte sie im April oder Mai auf Twitter fast täglich beworben – keine Ahnung, ob er vom Produktionsfiasko was mitgekriegt hatte oder nicht … zu hören ist das Requiem für Louis XVI. von Jean-Paul-Égide Martini (1741–1816), das eine knappe Stunde dauert, wie (fast?) immer live in Versailles aufgenommen – als Zugabe gibt es eine Bearbeitung der Marseillaise von Berlioz. Die Solisten sind Adriana Gonzalez (Sopran), Julien Behr (Tenor) und Andreas Wolf (Bass), es spielt und singt natürlich Le Concert Spirituel, 1987 von Niquet gegründet. Martini hiess übrigens eigentlich Johann Paul Aegidius mit Vornamen und kam in Freystadt, Bayern zur Welt. Die Totenmesse, so die kurzen Liner Notes (es gibt einen Text über das Werk, einen über Martini, einen über die Chapelle Royale in Versailles und natürlich welche zu Niquet und dem Concert Spirituel, alles dreisprachig frz/eng/dt) sei v.a. wegen des schwierigen Bass-Solos bemerkenswert, das Vokalisen enthält, die den Einfluss des italienischen Stils auf Martinis bzw. überhaupt das französische Musikschaffen der Zeit verdeutlichen.
Entstanden ist die Messe 1811, als Martini sich 1813 um die Nachfolge Grétrys bewarb, gab er das Werk als neu aus, es wurde im Januar 1815 in Saint-Denis aufgeführt, als die Leichname von Louis XVI. und Marie-Antoinette verlegt wurden, und ein Jahr später auf Anweisung von Louis XVIII. erneut, um des „Märtyrertods“ des Königs zu gedenken.
Martini hatte davor wohl andere Pläne gehabt. 1765 kam er nach Paris, 1787 steht er den „concerts de la Reine“ vor und wird Intendant des Théâtre de Monsieur (später Théâtre Feydeau). Während der Terrorherrschaft flieht er nach Lyon, feiert nach seiner Rückkehr mit der Oper „Sapho“ seinen Durchbruch, wird 1796 Inspektor am Konservatorium von Paris, was er bis 1800 bleibt, als er Professor für Komposition wurde. Zwei Jahre Jahre später fliegt er dort wieder raus, seine Opern sind Misserfolge, er wendet sich der Kirchenmusik zu. Nach der Restauration erhält er dann die Stelle, die ihm 1788 zugesprochen wurde, Intendant der königlichen Musik. In diesen Zeitraum fallen wohl die oben erwähnten Aufführungen des Requiems (das ist leider bei den fragmentierten Texten im Booklet nicht zu 100% klar, aber es ergibt zumindest Sinn).
Musikalisch ist das ziemlich beeindruckend – und natürlich hervorragend gespielt!
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