Antwort auf: Bob Dylan – Rough and Rowdy Ways

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wahr

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bullschuetz

wahr

bullschuetzIch versuche, ein höflicher Mensch zu sein, aber wer behauptet, Dylan könne nicht singen, sitzt auf seinen Ohren.

Das ist ungefähr das entgegengesetzte Ende des Plattitüdenstrangs zu Dylans Gesang. Möchte vielleicht noch jemand eine Plattitüde zum Besten geben, die sich zwischen diesen beiden Polen befindet?

Ich bitte um Entschuldigung, falls ich zu schroff war. Ich fand Deine Blogeinträge nur, offen gestanden, einfach recht hochmuetig, das hat vielleicht dazu geführt, dass ich zu pampig wurde. Im Grunde beschreibst du, dass du Dylan jahrzehntelang verkannt habest, bis sich dir Stimme und Musik doch erschlossen haetten – gleichzeitig aber nennst Du Dylanfans „furchtbar“ und „blöde“. Und da frage ich mich eben: Hast du nie in Erwägung gezogen, dass diese furchtbaren und blöden Leute vielleicht schlicht und einfach früher, genauer, neugieriger und weniger oberflächlich hingehört haben als du? Und dabei all die Dinge längst gehört, gefühlt, entdeckt haben, die sich dir jetzt mit Dekadenverspaetung erschließen? Kann es sein, dass dir lange Zeit beim unvoreingenommenen Hinhören Vorbehalte gegen Leute und Haltungen, die du unsympathisch findest, im Weg gestanden sind? Ich frage mich auch: Hältst du alle Leute, die in Jackson Browne mehr als einen Songhandwerker sehen, für zu blöd, um ihn so unbestechlich klarsichtig wie Du zu „durchschauen“?

Kann alles sein, lieber Bullschuetz. Aber ich bin ja lernfähig und würde heutzutage in dieser Schärfe wohl nicht mehr formulieren. Man kommt übrigens meiner Ansicht nach nicht automatisch dazu, Dylan gut zu finden, wenn man „schlicht und einfach früher, genauer, neugieriger und weniger oberflächlich hingehört“ hätte. So einfach ist es nicht, und so einfach macht es einem Dylan auch nicht. Das möchte ich unter anderem damit ausdrücken, dass Dylans Ich hinter seiner Kunst nicht scharf zu stellen ist. Es bleiben immer bewusst gesetzte Unsicherheiten, Maskeraden, Bedeutungsentzüge, Kehrtwenden oder stoisches Weitermachen – die berühmte Quecksilbrigkeit seiner Kunst. Dylan kann man nicht vollständig „lesen“. Das macht ihn für mich so faszinierend. Das kann aber bei anderen Hörern auch dazu führen, ihn genau aus diesen Gründen – durchaus auch nach jahrzehntelanger Beschäftigung – schlecht, langweilig, nicht greifbar und damit für sich eben uninteressant zu finden. Es ist eben ein Fehler zu glauben, dass man sich nur lange genug, genau genug und weniger oberflächlich genug mit Dylan beschäftigen muss, bis man zwangsläufig irgendwann seine Bobness erkennt. Und jetzt bin ich gerade doch wieder an einem Punkt, wo mich Dylan-„Fans“, die genau das behaupten – ich möchte ebenfalls höflich bleiben – ein kleines bisschen anfangen zu nerven.

zuletzt geändert von wahr