Antwort auf: Jazz & Brasil

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Das sind sehr detaillierte Ausführungen zu den Bossa-Alben von Stan Getz mit Charlie Byrd, Big Band, Luiz Bonfá und Gilberto und Jobim. Für mich anregend und herausfordernd denn so genau habe ich da nie hingehört, auch fehlten mir bislang die Vorkenntnisse der frühen Bossa Nova-Aufnahmen von Joao Gilberto und außerdem als Nicht-Musiker die musikalische Bildung. Angesichts der Fülle an Informatioen bin ich sogar etwas überfordert. Insofern wundert es mich nicht, dass ich die Aufnahmen von Bud Shank und Laurindo Almeida gleich mit den Bossa-Topf geworfen habe. Und die Idee, die ingesamt 5 Bossa Nova-Alben mit Fokus auf die verschiedenen Gitarristen mal vergleichend zu hören, habe ich nicht weiterverfolgt. Das hat @vorgarten aber hier sehr schön gemacht.

Von Jazz Samba habe ich eine alte Mono-LP, die ich mal in einem Laden erworben habe, der 2nd Hand-Vinyl und Wein verkaufte, den es aber leider nicht mehr gibt. In den liner notes auf dem fingerdicken Pappcover kommt der Begriff Bossa Nova gar nicht vor. Von Samba ist die Rede. „The union of Stan Getz and Charlie Byrd on the recording is particularily fortunate. Each musician is a sensitive soloist with great lyrical power. Neither attemped to to „play latin“, but let the ingratiating (dtsch: „einnehmend“) Samba rhythm carry them along in their improvisations on the melodic content of the music.“ Stan Getz wird hinsichtlich seiner Latin-Vorkenntnisse so zitiert, dass er schon mal mit Miguelito Valdes und Machito gespielt hatte, also mit Kubanern. Und das ist dann doch ziemlich weit entfernt vom eher cool und zurückhaltend wirkenden Temperament der Bossa Nova. Und Charlie Byrd erzählt, dass er zwar mit Brasilianern gespielt hat und die Akkorde inspirierend für Improvisationen fand, stellt aber auch fest, das die Brasilianer selbst das eher nicht tun.

Jazz Samba scheint mir eine durchaus etwas freiere Jazz-Anverwandlung der ursprünglichen Bossa Nova á la Joao Gilberto durch Getz und Byrd zu sein. Die beiden gegenübergestellten Hörbeispiele von E Luxo So – einmal von Gilberto, einmal von Getz / Byrd – lassen das gut erkennen, finde ich. Den minimalistisch und perkussiv wirkenden Gitarrenstil von Gilberto versucht Byrd tatsächlich gar nicht erst zu imitieren. Er bleibt sich selbst treu und übersetzt den Song in seine Sprache.

Aber ich weiß nicht, ob ich das richtig höre. Siehe oben.

Die Gedanken zu den abstrakt-expressionistischen Covers und auch die Erwähnung eines Architekten einer damals noch heroischen Morderne – Oscar Niemeyer – finde ich reizvoll. Streng genommen sind das – abstrakter Expressionismus einerseits, weiße architektonische Moderne andererseits – zwei völlig verschiedene Paar Schuhe. Hier die spontane individuelle Geste, dort der große Plan, kühl und geometrisch ausgeführt. Was beiden gemeinsam ist, ist vielleicht die Behauptung, sich von überkommenen Traditionen zu befreien, alles wieder auf „Los!“ zu stellen und frisch, forsch und frei eine Utopie zu entwerfen. Und so wurden diese Covers damals wohl auch wahrgenommen.

Btw fällt mir in diesem Zusammenhang auch noch Ornette Colemans Free Jazz (1961) ein, mit dem Jackson Pollock-Gemälde – das jedoch nur auf der Innenseite des fold out covers voll zu erkennen und zu diesem Zeitpunkt schon 7 Jahre alt war. Auch das hat was von Utopie, der Titel des Albums nicht minder. Aber da sind Cover und Musik doch deutlich aufgeregter als die Bossa Nova.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)