Antwort auf: Bob Dylan – Rough and Rowdy Ways

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speed-turtle

Registriert seit: 23.03.2011

Beiträge: 190

Tja, was hatte ich erwartet?
Eine sehr viel prominentere Rolle des Klaviers vielleicht, dessen Funktion doch in den letzten Jahren auf der Bühne immer dominanter geworden ist bis hin zu quasi Solo-Performances mit nur streng dosiert nach und nach einsetzender Band-Garnitur.
Man hört es hier noch an für Dylan ungewohnten Akkordfolgen und bestimmten motivischen Wendungen (Stichwort Barcarole), die ihm so vermutlich an der Gitarre kaum in den Sinn gekommen wären, wobei das natürlich Spekulation ist.
Aber das Instrument selbst fehlt mir an einigen Stellen schon, wo es ihm jetzt offenbar mehr um die schöpferische Aneignung der am Sinatra-Repertoire geschulten kammermusikalischen Effizienz ging.
Und wie lässig die Band das umsetzt, diese wie in einem Gemälde scheinbar beiläufig, aber punktgenau platzierten Tupfer und vage angedeuteten Linien, die in ihrer vermeintlichen Zufälligkeit doch ganz fundamental Harmonie und Stimmung definieren, das ist echt was für Feinschmecker.
Selbst die homöopathischen Blues-Harp-Einwürfe bei Jimmy Reed schaffen es, sofort den „klassischen“ Dylan-Sound der Mittsechziger heraufzubeschwören und damit einmal mehr die Frage, warum das, was er heute macht, mit den damaligen Großtaten angeblich so gar nicht mehr vergleichbar sein soll. Es ist ja offenkundig nicht so, dass er es nicht mehr drauf hätte – was in dem Alter absolut verzeihlich wäre. Er interessiert sich nur inzwischen für andere Dinge, und die Erfüllung irgendwelcher Erwartungen oder gar Wiederholung von Erfolgserprobtem gehörte bekanntlich noch nie dazu.
Multitudes bewegt sich z.B. eh schon nah am „Oh Mercy“-Terrain, dann eben diesmal ohne Klavier und stattdessen mit einer Prise Lucky Old Sun
Damit kann ich gut leben und freue mich nach anfänglich leichter Irritation um so mehr auf die weitere Erkundung des – soweit kann man sich glaube ich schon festlegen – Werkes.
Atmosphärisch „hat“ es mich jedenfalls und wirkt in dieser Hinsicht nach dem ersten Eindruck homogener als „Tempest“, auch was die teils schon fast leitmotivisch korrespondierenden Texte betrifft, aber das ist einen Tag nach VÖ wirklich noch sehr weit aus dem Fenster gelehnt und die literarische Bewertung überlasse ich sowieso lieber Leuten, die da sprachlich, historisch und mythologisch sattelfester sind.
Zwischenfazit: Stark!

zuletzt geändert von speed-turtle

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Musik ist nicht was sie ist, sondern was sie den Menschen bedeutet. (Simon Rattle)