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aufgenommen am 27. und 28. august 1962, ende oktober veröffentlicht.
bevor die brasilianer im november 1962 mit neuem material nach new york kamen, fehlte es in den usa nach dem überraschungserfolg von JAZZ SAMBA vor allem an dreierlei: neuen songs, fähigen gitarristen und schlagzeugern. und obwohl JAZZ SAMBA vor allem für intimität und wärme stand, griffen erstmal die arrangeure zu: creed taylor bringt stan getz mit dem wunderkind gary mcfarland zusammen, in den a&r-studios nimmt im gleichen zeitraum quincy jones sein bossa-album auf. konkurrenzprodukte, wie sich in den titeln zeigt: beide alben heißen BIG BAND BOSSA NOVA.
material: beide haben versionen von „chega de saudade“, „manha de carnaval“ und dem „samba de uma nota só“ zu bieten, jones setzt noch mal auf „desafinado“, ansonsten auf sambafizierte us-hits wie „taste of honey“, „on the street where you live“ und sogar eine komposition von mingus. gary mcfarland komponiert einfach vier stücke selbst, die das prinzip von jobims offenen akkorden ziemlich gut verstanden haben. jones kann mit einem veritablen hit aufwarten: „soul bossa nova“ mit seiner funktionalen sillyness, einem knarzenden ententanz-shuffle plus flötensolo von roland kirk gibt bei ihm die linie vor: party, fetz und rampe für ein tolles ensemble charismatischer stars: kirk, gonsalves, terry, woods, schifrin und jim hall.
mcfarland löst die aufgabe anders. neben seinem star getz hat er alle saxofone entfernt, positioniert eine blechbläserwolke rechts und eine holzbläserwolke links, lässt seinen co-stars (hank jones, auch jim hall, bob brookmeyer, doc severinson) nur kleine prologe übrig und die abteilungen ziemlich emanzipiert einander dazwischenfunken. das arrangement ist szenisch: man sitzt auf einem karnevalswagen und fährt an anderen gruppen vorbei: hier öffnet sich eine tür zu einem klaviersalon, dort passiert man eine rasselbande, eine brassband kommt einem entgegen. der karneval als parcours. fast zu kompliziert für die neue leichtigkeit, die die musik ausdrücken soll. auch quincy jones hat für leichtigkeit nichts übrig, sein arrangement geht in die vollen und will show sein. beides funkelt natürlich auf eigene weise.
gitarren: wo soll man die brasilianer herbekommen? almeida hockt an der westküste und nimmt mit shorty rogers und bud shank sein eigenes big band bossa album auf („chega“ und der one note samba sind auch hier zu hören), bonfá ist dummerweise gerade wieder in brasilien und dann zu allem überfluss in deutschland, wo er eine 7“ mit caterina valente aufnimmt. beide kommen erst durch vermittlung von jobim 1963 zu ihrem getz-job. die anderen tauchen erst zum carnegie-konzert auf. also muss jim hall den job machen – und das ist rührend mitanzuhören. gute soli (elektrisch bei jones, akustisch bei mcfarland), aber die quasi-gilberto-akkordbegleitung mit durchgestrichenen saiten und rhythmischer ratlosigkeit funktioniert kein bisschen.
schlagzeuger: gottseidank gibt es einen brasilianischen new yorker (josé paulo) und die mit ihrem us-ehemann nach new york gekommene carmen costa, die als sängerin in brasilien einen legendären ruf hatte (und nach ihrer rückkehr wurde sie ihm wieder gerecht), der man ebenfalls eine rassel in die hand drücken konnte – beide übernahmen 1962/63 so gut wie jeden bossa-percussion-job in den usa (und das waren ja nicht wenige). daneben versuchten die beiden big-band-drummer, johnny rae (bei mcfarland) und rudy collins (bei jones) gar nicht erst, so zu tun als ob. die schlagzeug-ebene läuft bei jones stur durch; bei mcfarland kommt sie als farbe dazu, die rollen wechseln, rae traut sich auch mal einen break.
stan getz geht ein bisschen unter in mcfarlands komplexen szenischen landschaften. es ist aber auch eine andere rolle, eine big band vor sich her zu treiben, als zum pianissimo-schrummschrumm einer sparsam verteilten rhythm section zu hauchen.
schöner vergleich: langsames näherkommen der akteure, zusammenbauen des sounds bei mcfarland, fette verschobene bläserattacken und dazwischen hall, kirk und terry mit individualistischen beiträgen bei jones:
beide arrangeure sollten noch mit jobim zusammenarbeiten. quincy jones hatte einen standortvorteil, er hatte die ganze bossa-bagage 1956 bereits in rio kennen gelernt. aber am ende funktionierte es wohl zwischen den beiden sophistikern jobim und mcfarland besser (auf SOFT SAMBA spielt jobim sogar gitarre).
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