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Ich mache jetzt ohne Zitieren nochmal weiter – es sind von Deiner Antwort von gestern @vorgarten wieder diverse Fragen und Anknüpfungspunkte da …
Billy Bauer: ich glaub ich kenne da nichts spätes, würde mich auch eher überraschen (ohne dass ich da je richtig gesucht habe, drum nur „eher) … ev. was in der Tube? Dort findet sich ein langes Interview, das ich noch nicht angeschaut habe:
Bauer war der prägende Gitarrist der „kühlen“ Schiene, ja? Tal Farlow, Johnny Smith (der ist zwar total warm), Joe Puma, Jimmy Gourley … und da wohl auch René Thomas, obwohl der wieder anderswohin zieht, dünkt mich?
Zu Charlie Christian kann ich gerade nicht viel mehr sagen ausser das Gefühl zu äussern, dass Du ihn unterschätzt. Aber argumentieren fällt mir gerade schwer, denn es ist ewig her, dass ich seine Aufnahmen ausführlicher hörte. Nur so viel: es gibt in der Jazzgeschichte ja alle diese Musiker, die „erstmals auf ihrem Instrument“ entweder richtig Jazz gespielt haben (Louis Armstrong, Jelly Roll Morton, Coleman Hawkins) oder die eine „neue Sprache“ auf ihr Instrument übertragen haben (J.J. Johnson mal als Beispiel, am Tenorsax ist der erste Bebopper ja bekanntlich eine Leerstelle, ich würde vermutlich auf Teddy Edwards wetten … oder Larry Young, wenn es um Coltranes Neuerungen geht). In diese Reihe gehört Christian jedenfalls, denn es braucht ja nicht nur die richtigen Werkzeuge (wenn es schon elektrische Bluesgitarre in den Dreissigern gibt – da kenne ich mich gar nicht aus, Roberts Johnson ist da, danach aber mehr Lücken als anderes – dann wären die „tools“ doch schon dagewesen? oder fehlte es an tauglichen Verstärkern?), sondern eben auch noch jemand, der das alles in Musik übersetzt. Mag sein, dass das unter „gitarristischen“ Aspekten weniger interessant ist, aber das ändert nichts an Christians Rang, oder? (Ich unsterstelle Dir da auch nichts, ist zumindest nicht meine Absicht!)
Miles Davis und die Gitarre in den 60ern: da hast Du wohl recht … ich finde ja Bucky Pizzarelli nach wie vor kaum zu glauben, raube mir zwar momentan wegen irgendwelchen Blüten eh dauernd die Augen, aber wann immer ich die Box mit den Aufnahmen des Second Quintet in den Händen habe, stolpere ich wieder über den Namen … der eine der Becks taucht da auch noch auf, die bringe ich immer durcheinander (weil ich sie beide überhaupt nicht kenne), aber das ist ja der eine wirklich relevante frühe Gitarrentrack von Miles, „Circle in the Round“ (und ich merk es mir jetzt: Joe ist der Jazzer, Jeff der haarige Rockengländer).
Wes Montgomery: ich tue mich mit Creed Taylor ja – abgesehen von der Impulse!-Gründung, die natürlich ein grosses Verdienst war, und er gab ja da durchaus auch schon die Richtung grob vor – sowieso eher schwer … und mit Herb Alpert noch mehr (A&M). Das ist für mich irgendwie auch sowas wie die hippe/aktualisierte Fortschreibung der Suits, denen Taylor ja ironischerweise bei ABC (die andere Hochburg war RCA Victor, Columbia war ja interessanterweise irgendwie doch offener … aber ev. lag das auch bloss an Avakian, Macero, Townsend, Wilson und daran, dass die Execs halt merkten, dass die wussten, was sie taten bzw. wirklich gute Riecher hatten?) Impulse erst abgetrotzt hatte … vermutlich völlig unfair, aber wir kommen da auch bald wieder ins Territorium der potentiell bösen Männer aus Meiner Kindheit (ich stelle jetzt zur Illustration nicht noch Herbie Manns Oben-ohne-Cover ein ) und da ist argumentieren dann schwierig – und klar, es gibt da schöne Sachen, Freddie Hubbard etwa, aber auch das eine CTI-Album von Kenny Burrell … bei A&M liegt der Fall schwieriger dort gab’s ja sogar seltsam-verbockte aber dennoch tolle Avantgarde-Alben.
Über den Putin-Joke musste ich jedenfalls laut lachen … und die Verve- und A&M-Alben werde ich mir bei Zeiten mal wieder vorknöpfen – aber an sich müssten erstmal die Resonance-Sachen wieder in den Player!
Barney Kessel: ich hab da wohl unterm Strich auch am meisten mit dem OP-Trio (die Mosaic-Box ist immerhin 7 CDs stark) … für mich einer der erfrischendsten, lyrischsten Gitarristen damals. Die Contemporary-Alben sind mir zu sehr stückwerk – und ich finde jetzt sowas wie Shank/Cooper plus solistische Gitarre nicht sonderlich zwingend … auf Vol. 3 taucht dann aber auch noch „Sweets“ Edison auf (der war ja hie und da auch in Kalifornien, keine Ahnung ob er sogar dort lebte), und auch Jimmy Rowles, für den ich keine spezifischen Tipps habe aber immer wieder hellhörig werde (z.B. auf den Verve-Sessions von Mulligan/Webster). Oder doch: das Trio-Album mit Donald Bailey und Red Mitchell, das ist schon sehr schön. Keine Ahnung, ob es auftreibbar ist. Bei Kessel mag ich auch The Poll-Winners, das Trio mit Ray Brown und Shelly Manne, ganz gerne – habe aber keinen klaren Favoriten auf Albumlänge (ev. „Exploring the Scene“?)
Jim Hall war in den späten 50ern und frühen/mittleren 60ern ja fast omnipräsent: Chico Hamilton Quintet, Jimmy Giuffre 3, Bob Brookmeyer, „Jazz Guitar“ (mögen einige Suits von EMI auf ewig in der Gitarren-Hölle rösten dafür, dass es in 20 Jahren CD-Boom kein anständiges Reissue davon gab, man muss da wohl wirklich zu Gambit greifen … hab ich nicht über mich gebracht, aber immerhin mal eine Kopie ziehen können), dann Art Farmer (das Live-Album ist wenigstens so gut wie das Schweden-Album!), Rollins, Desmond … das ist schon ein irrer Lauf!
Und Chico Hamilton kann man sich in Sache Gitarren eh mal vornehmen, der hat da gute Arbeit geleistet, auch wenn wohl ausser Hall nur noch Gabor Szabo und Larry Coryell so weit kamen? John Pisano, Dennis Budimir und ein gewisser Harry Pope (man kann ihn z.B. hier hören) waren die Gitarristen zwischen Hall und Szabo, auf den dann Coryell folgte. In den 90ern gibt es dann Cary DeNigris, aber die Sachen kenne ich bisher kaum (es gibt sie in einer Black Saint/Soul Note-Box, die ich mal am Stück durchgehört habe), da gab es noch mehr, bin mir aber nicht sicher, ob das auch noch mit DeNigris oder nochmal wem anderem war, sprach mich damals, als es noch Läden gab, nicht an (nur das Album mit Andrew Hill musste natürlich sein, das wurde aber auch schon Anfang der 90er aufgenommen).
Jimi Hendrix bzw. Dagger: das Problem ist der schiere Overkill (und die Preise) – die ganzen offiziellen Sachen sind ja auch schon ca. zwei Dutzend (darunter mehrere Box-Sets) und das reichte mir dann halt … wie bei Elvis, wo ich auch nie den Schritt ging, Follow That Dream-Sachen zu suchen. Plus Dagger gab’s hier nie in irgendeinem Laden … meine Kaufgewohnheiten sind so bis 2005/2010 stark durch das lokale Angebot geprägt gewesen, wesentlich geändert hat sich das erst, als EMI und Sony keinen Jazz mehr herausbrachten und ich anfing, auch aus Japan zu bestellen … davor hatte ich aus den USA mehr oder weniger einfach weiteres von den lokal zu findenden Sachen gekauft. Ich hab wohl bis heute ein paar Lücken, an denen die miese CH-Vertriebslage in den 90ern/00ern Schuld ist.
Jeff Parker hat bei mir ja nicht wirklich gekickt, aber Rob Mazurek durchaus. Da war eher das erste Eintrittsticket das Hauptproblem. Aber das hat sich dank Chicago London Underground inkl. Konzert bestens gelöst
Inzwischen sind wohl wieder diverse andere Gesprächsfäden offen – falls ich etwas vergass oder übersah oder irgendwo ausführlicher werden soll (bei Kessel und Rowles hiesse das, erst Mal meine CD-Liste durchforsten und dann auch noch online etwas stöbern – sind beides keine Leute, bei denen ich auf Abruf den grossen Überblick in die Tasten hauen könnte) gerne nochmal anstupsen!
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba