Antwort auf: blindfoldtest #31 – vorgarten

#11100263  | PERMALINK

friedrich

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vorgarten

friedrich
Teil 2: Track #07 Vom heavy electric stuff von Track #06 zum leichtfingrigen akustischen perkussiven Klang dieser Aufnahme. Okay, eine der Gitarren ist elektrisch. Wunderbar, wie Gitarren und Perkussion ineinandergreifen, da kann man Vorder- und Hintergrund kaum noch voneinander unterscheiden. Tolles Trio. Frage mich, ob einer der Gitarristen der Komponist des karnevalistischen Morgens ist. Dagegen würde aber sprechen, dass Gitarre Nummer 1 elektrisch, Gitarre Nummer 2 für seine Verhältnisse eigentlich zu dicht gespielt ist.

genau, #7-#13 sind eher als eine folge von studien in leichtigkeit gedacht. ein brasilifiziertes trio, copycats der karnevalisten, aber mit totsicherem rezept. eingeladen wurde dazu eine e-gitarre, die ziemlich geübt darin war, fünftes rad am wagen eines (klavier-)trios zu sein. hier wird sie plötzlich zum riffen gebracht und wächst ein wenig über sich hinaus. habe gar keine brasilianer hier in diesem mix, aber die plötzliche idee in den us-jazzszenen der frühen 60er, man könne ja auch mal gitarre statt klavier verwenden, hat meiner ansicht nach ziemlich viel mit deren einfluss zu tun.

friedrichTrack #08 Die Komposition ist die inoffizielle Nationalhymne Brasiliens. Ganz schön zupackend mit hartem Anschlag auf der Elektrischen gespielt. Geht daher gut nach vorne los und swingt sehr frisch und gut gelaunt. Im Solo lässt der Gitarrist mal etwas sein Virtuosität aufblitzen. Die Gitarre als lead instrument hier klar im Vordergrund. Ist hier auch gut so.

ja, einer der frühesten gitarristen mit der selbstbewussten einstellung, dass die band ihn unterstützen muss und nicht umgekehrt. hat sich ziemlich eigenständig in europa entwickelt, dort ist auch diese aufnahme – eine seiner letzten – entstanden.

friedrichTrack #09 Abrupt geht es jetzt von heiter zu melancholisch. Nach ein paar Takten wird mir warm ums Herz und ich muss seufzen. Ganz die alte Schule, mit aller Zeit der Welt, voller Gefühl, melodisch und mit wunderbar warmen Klang. Und das alles ohne große Show. Im Hintergrund hört man eine Celesta, oder? Weiß nicht, wer das ist. Einer der alten Meister, dessen Name ich aber sicher kenne. 50er Jahre oder sogar noch älter. Kommt ja aus dem Swing. Ein Standard, oder? auf den ich aber nicht komme.

tja, die wahrheit ist: wenig erfolgreich, kaum bekannt, wenn überhaupt, dann als frivoler hingucker: eine frau und ihre gitarre. sieht man die visuelle inszenierung nicht und hört nur die musik, ist eigentlich alles klar. das ist ein standard („these foolish things“) und auch nicht allzu aufwendig arrangiert, aber es werden kaum klischees gespielt, alles erscheint frisch, cool und gefühlvoll. natürlich tritt sie hinter technik und elektrifizierten sounds zurück, aber an eine ego-show war aus mehreren gründen nicht zu denken.

friedrichTrack #10 Melancholisch geht es weiter. Solo und gleichzeitig sehr zurückgenommen, als spiele der Gitarrist ganz in sich versunken und nur für sich selbst und sinnt über eine verlorene Liebe nach. Das bleibt viel Raum für Luft und Gedanken. Angel Eyes, oder? Für mich überraschend kommen da bass und drums mit ins Spiel, wenn auch sehr zurückhaltend. Hört sich so an, als würde der Gitarrist aus seinem melancholischen Tagtraum aufwachen. Anfangs dachte ich sogar, das ist ein zweiter Gitarrist. Aber dann versinkt er wieder in Melancholie. Schöner Spannungsbogen. Auch ganz entzückend!

absolut. toll finde ich das rauschen, das durch die aufnahme geht und wahrscheinlich daher rührt, dass man eine ganze spur löschen musste, auf der falscher applaus drauf war. die aufnahme hat sich im remaster ihre intimität zurückerobert – obwohl sie durchaus vor live-publikum entstanden ist. aber vor einem leisen und wahrscheinlich ziemlich hingerissenen.

friedrichTrack #11 Funky groovy, aber relaxed. Die Flöte bringt einen schönen frischen Luftzug hinein. Insgesamt eher zurückhaltend, so dass mir das Gitarrensolo fast schon etwas hektisch und aufdringlich vorkommt. Fügt sich, wie auch die vorherigen Aufnahmen schön zu einem gemeinsamen Stimmungsbild.

ah, etwas liebe für #11 und auch ein einsehen mit seiner platzierung im mix. da ist eine immense virtuosität zu hören, die sich aber eigentlich nicht aufdrängen will und die deshalb um den funkigen bass herumschleicht. der mann weiß nicht ganz wohin mit seinen vielen schnellen ideen, aber die zurückhaltung, die er sich auferlegt (s. dazu das gegenteil in #16) macht das alles ziemlich sexy, finde ich.

friedrichTrack #12 Solo und akustisch. Auch das hat so eine romantisch verträumt introvertierte Stimmung, wenn auch weniger melancholisch als beim Anfang von #10. Ach, dieser Gitarrist hat Zeit, schlägt auch mal Umwege ein oder bleibt stehen, dreht sich um die eigene Achse und guckt Löcher in die Luft, geht wieder ein paar Schritte … Da mag man ihn gar nicht stören, wahrscheinlich bemerkt er auch gar nicht, dass ihm einer zuhört. Pssst!

das war ein ganz großer krachmacher, mit quasi stadion-rock-erfahrung. hier fährt er alles runter und schaut, welche orchestralen qualitäten in seinem instrument liegen, wenn er die äußeren rahmenbedingungen aufs nötigste zurückfährt. und dann gab es da ein deutsches jazz-label, das sich auf dieses vorhaben eingelassen hat. nicht der einzige ecm-gitarrist hier (den anderen hast du erkannt; und der von #11 durfte auch mal als nebendarsteller), aber ein sehr guter repräsentant, finde ich.

friedrichTrack #13 Reiht sich ebenfalls schön an die vorherigen Aufnahmen. Ein wenig herber, die Triller auf der Gitarre sind fast schon ein kleines Drama! Und es kommt noch viel dicker! Vor meinem geistigen Ohr glaube ich fast, den Gitarristen mit gefühls-verzerrtem Gesicht mitsingen zu hören, so Keith Jarrett-mäßig. Das triefend dick aufgetragene Gefühl kontrastiert aber auch sehr schön mit der sparsamen schlanken Besetzung. Und der dramatische Spannungsbogen ist natürlich überwältigend.

keine verzerrten gesichter hier. das kommt ganz locker und gut überlegt. ist aber auch ein tolles stück, auf das ich unter anderem durch diese aufnahme aufmerksam geworden bin.

friedrichTrack #07 – 13 sind in diesem BFT schon ein Kapitel für sich. Sehr schöne Zusammenstellung, die in meinen Ohren auch gut für sich allein stehen könnte.

danke, freut mich. ab #14 ist dann wieder schluss mit zurückhaltung!

Danke für die Kommentar-Komentare, @vorgarten!

Ich habe aktuell nicht die Zeit und die Geduld, mir die vielen vorherigen Posts konzentriert durchzulesen, daher bekomme ich nicht mit, was schon wie aufgelöst wurde. Hat aber auch Vorteile, denn dadurch kann ich unvoreingenommen hören.

Leichtigkeit, Transparenz, Gelassenheit, das höre ich alles bei #07 bis #13. Gewisse Brasilianer wären dafür prototypisch und z.B. Luiz Bonfa hätte sich da auch gut eingereiht. Und bestimmt haben die Nordamerikaner sich davon was abgeguckt bzw. -gehört. Lege mir in den nächsten Tagen mal ein paar Brasilianer auf.

Auf die Frau an der Gitarre von #09 bin ich gespannt! Liest sich völlig rätselhaft, in die Musik könnte ich mich aber vertrauensvoll hineinlegen.

Auf das Rauschen bei #10 muss ich noch mal achten. War mir irgendwie entgangen. Ja, intim, das ist diese Musik.

#12 ist von einem Stadion-Krachmacher im vorgezogenen Ruhestand? Passt dann ja mit der Zeit und der Ruhe. Da bin ich auch gespannt!

Dritter und letzter Teil meiner Kommentare folgt in Kürze.

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)