Antwort auf: blindfoldtest #31 – vorgarten

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wahr

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vorgartenvielen dank @wahr für diese tollen kommentare! freut mich auch sehr, dass du mit so vielen sachen etwas anfangen konntest. und du hast bei einiges voll ins schwarze getroffen!

wahr1 Ganz klares und unverzerrtes, aber verstärktes Spiel. Ich dachte erst, es bleibt solo, dann aber kommt noch Bass, Perkussion, Baritonsax, Tenorsax dazu. Spielt alles schön um sich herum, bleibt verhalten, ganz bezaubernd. Ein toller Anfang. Eine leicht melancholische Stimmung. ich bin ganz froh, das nicht georgelt wird. Alles hört fein auf die anderen. Ein sehr demokratischer Track. Alles Jazzer. 2 Hat anfangs was von einem Sample-Beat, ist aber keiner. Könnte der gleiche Gitarrenspieler wie oben sein. Hat jetzt in der Rhythmusbegleitung aber seinen Django Reinhardt gelernt. Nimmt fahrt auf. Sehr knackig aufgenommen, aber mit limitierter Studiotechnik. Ich mag sowas. Für mich muss nicht immer alles perfekt ausgelotet sein. Könnte was Anfang der 1960er sein. Gefällt mir wieder ausgesprochen gut. Ich mag es, wie die Gitarre manchmal gleiche Noten im Stakkato spielt. Tolles Zusammenspiel auch des ganzen Ensembles. Ist vielleicht doch später aufgenommen. 3 Die Tracks werden immer vertrakter. Als bauten sie entwicklungsgeschichtlich aufeinander auf. Melodiöses, aber gleichzeitig auch angefunktes Spiel. Das könnte aus dem Ornette Coleman-Umfeld kommen. Bern Nix fällt mir ein. James Blood Ulmer spielt so nicht. Gefällt mir bisher alles sehr gut. 4 Angezerrte Gitarre, dass ist eher von Ulmer. Wieder wird nochmal mehr vertracktet. Die Gitarre kommt hier einer Rockgitarre näher als bei den Titeln davor. Sehr schön spannend und komplex. Aber nicht nervig dabei. Ein Gitarrenmeister. Das muss man erstmal schaffen, in dieses nervöse gewebe seine noten zu platzieren. Großartig. Vielleicht mein bisheriges Lieblingsstück. 5 Schnitt. Es wird atmosphärischer. Könnte eine Pedal Steel sein, oder einfach eine E-Gitarre als Slide gespielt. Die Gitarre zieht lange Spuren und sie ist es gewohnt, anderes als andere Gitarren zu spielen. Sie hat hier eine ganz andere Funktion als bei den Tracks davor. Sie zieht Sehnsüchte hinter sich her, wie eine Hintergrunderzählung, auf dessen Plateau erst der Hauptstrang vom Sax erzählt werden kann. Wieder sehr schön. Ende fadet exzellent aus, mit einer plötzlichen dunklen Färbung, die vorher noch gar nicht da war. 6 Helles Synthblubbern, verlangsamte Stimmen, kurzes angedeutetes Scratching. Könnte in Verbindung mit dem Word Sound-Kosmos stehen. Also vielleicht eine Laswell/Material-Connection. Och schade, schon vorbei. 7 Kenne ich nicht, hat aber einen starken Touch eines britischen Gitarrenspielers der besonders in den 1960ern im Folkkontext wirkte und als einer der ersten dort mit fernöstlichen Elementen experimentierte. Hat das britische Folkrevival der 60er und deren psychedelische Einverleibungen vorweggenommen. Ich bin mir ziemlich sicher, wer das ist, verrate meinen Verdacht aber nicht. 8 Brazilianischer Klassiker. Brazil? Ich bin schlecht im Song raten. Wieder sehr kurz. Wunderbar akzentuierte Gitarre. 9 Gitarre klingt ganz ähnlich wie im Track davor, schön warm die Noten ausspielend. Könnte der gleiche Spieler sein. Ist aber älteren Datums. Wieder mag ich das klare, aber auch im Anschlag etwas härtere Spiel gerne. 10 Wieder ganz bezaubernd und ganz in der Linie der beiden Tracks davor. Aber die drei Tracks bewegen sich nach und nach immer mehr in einen klaren, geraden Rhythmus, als würden sie von Jazz auf Rock zugehen. 11 Was Moderneres, wieder geht es in Richtung Rock, was die Drums angeht, Flöte dazu. Verhaltener Jazzrock in gut. Gitarre ist hier klar eine Jazzgitarre, sie läuft sehr schnell das Griffbrett lang, will aber jeden Ton getroffen wissen. Gut, das jetzt Tempo rausgenommen wird, sonst wäre es mir zu sehr ein Stück zum Demonstrieren von Fertigkeiten. Jetzt ein Breakgewitter, doch sehr spannend. Auf diesem hohen BFT Niveau finde ich es aber etwas schwächer als die Sachen davor. 12 Akustikgitarre. Stahlsaite. Eher weich, melodiös. Kottke eher nicht, obwohl schon ähnlich. Aber es fehlt der Schalk von Kottkes Spiel. Vielleicht ein späteres Stück von ihm. Sehr schön, sehr zart, sehr zuhörend. 13 Schön spannender Anfang, der sich nicht auflöst. Dann aber schon. Track hat eindeutig die Gitarre im Fokus, die hier echt meisterlich schön gespielt wird. Sehr melodieorientiert, auch gut im Zusammenspiel. Ein tolles Motiv, dass in Achtel- oder Sechzehntelnoten gespalten wird. Fast wie eine Mandoline manchmal. Tolles Stück. Auch als dann plötzlich mit Bends gearbeitet wird, die den Klang dehnen. Ganz toll. 14 Erkenne ich schon an der ersten Gitarrenschramme. Und bestätigt sich, denn das Stück ist ja schon entdeckt worden. Ich kannte es vorher nicht, aber man kann von diesem Herren mit dem charakteristischen Pony einfach nicht alles kennen. Großartig, weil er immer weiß, wie weit er gehen will, und immer Wege sucht, die vorher noch niemand so gegangen ist. Daran erkennt man, wie kundig er ist. Ich kenne keinen Gitarristen mit diesem Spektrum an laut und leise, Kurz- und Langstrecke, Noise und Stille. Und er kann echt viel Stille aushalten. Das ist nämlich gar nicht so einfach. Absolut kompromisslos immer in allem was er schafft, ob allein oder mit Partnern. 15 Schön angezerrte Gitarrenanrisse links in Korrespondenz mit Orgel rechts. 70er Musik. Live. Viel Spannung, die nicht gelöst wird. Sehr gut. Sehr kurz. Leider. Absolut exzellente Gitarrenarbeit, diese kurzen funkigen Antäuschungen. Man merkt, der Spieler kann riesig viel, weiß aber auch, dass die Kunst eben darin besteht, zu wissen, wann man weglassen und sich zurücknehmen sollte. 16 Rockgitarre. Durchgehender Beat. Mir kommt der Stil bekannt vor, auch der Gitarrensound. Weiß aber nicht, wer das ist. McLaughlin vielleicht. Die erste Platte von ihm ist ja hendrixorientiert, habe ich seinerzeit stehengelassen, als ich sie im Laden sah. Track finde ich ganz gut, aber auch etwas selbstverliebt. 17 Na, und das müsste der Hendrix selber dann sein. Typische Licks von ihm. Posthum vielleicht veröffentlicht. Klingt wie eine Demoinstrumentalversion eines sehr bekannten Tracks, der mir grad nicht einfällt. Ich glaube, irgendwas was dann auf Axis: Bold Is Love gelandet ist. Vielleicht eine Version von „Little Wing“? 18 Wieder was sehr schön Sanftes. Kenne ich nicht, aber ist wirklich betörend. Ich mag auch den etwas bassigen Sound. Ganz bezaubernd. Drums im Hintergrund hätte es gar nicht gebraucht. Andererseits reagieren die Drums sehr subtil auf die Gitarre. Also passt es doch sehr gut. Nochmal Streicher dezent im Hintergrund. Also wirklich wunderschön. Keine Ahnung, wer das ist. Scheint was neueres zu sein. Die Gitarre weiß wirklich was zu erzählen, ohne geschwätzig zu werden. Ganz toll. 19 Das letzte Stück leider schon. Wieder mehr Jazz-Feeling. Hände rutschen über Griffe und das Rutschen wird zum Bestandteil des Tracks. Trompete dazu im Dialog. Das könnte was von Anfang der Nullerjahr sein, als viel Akzent auf Geräusche gelegt wurde, die sonst eher nur als störende Begleitung gehört wurden. Könnte was von F.S. Blumm sein. Ich bin ziemlich sicher, das kommt aus dem deutschsprachigen Raum.

#1 | oh ja, alles jazzer. einige davon leider nicht mehr unter uns, auch der stille star hier (im bft-kontext). es gibt eigentlich niemanden, der dieses album nicht mag, glaube ich. hat trotzdem 6 jahre gedauert, bis es rauskam. #2 | ja, später als 60er. du bist der erste, der nichts gegen den aufnahmesound hat. der leichtigkeit tut es auch keinen abbruch. der star hier ist gut ausgebildet worden, war profi, dann aber auf alternativen bühnen unterwegs, und irgendwie hat es dann doch zu einer kleinen karriere gereicht. ich wurde erst vor ca. 2 jahren aufmerksam und kenne noch nicht so viel. #3 | heiß #4 | auch heiß tolles stück, oder? völlig eigener stil, komplex und lässig zugleich, dabei noch nicht mal sonderlich virtuos (der auf #3 auch nicht). musste rein, die frage war nur, womit. #5 | weder pedal steel noch slide, glaube ich. eher alles über bande angesteuert. schön, dass dir das gefällt; eigenartig, dass das bisher niemand erkannt hat (wirklich mal auf die letzten sounds achten!) – hier braucht es wohl @friedrich. #6 | für laswell ist das zu hart, oder? und der dub wird eher angespielt. würde mal richtung nyc schauen. sind alles bekannte leute, aber zusammen haben sie einen projektnamen. trompete wechselt. #7 | ich weiß nicht, wen du meinst, aber das ist falsch. zeit stimmt aber. #8 | du bist sehr gut im song-raten #9 | nicht der gleiche spieler, und die aufnahme ist auch jünger als #8 (das ist im mix die älteste). #10 | vom jazz auf den rock zugehen? interessant. hier würde einige wahrscheinlich den gipfel der jazzgitarrenkunst festlegen. von da ging es eher richtung pop bzw. sowas wie auf #18. #11 | ach schade, ist seit ewigkeiten ein persönliches lieblingsstück. aber diese ins gesicht springende virtuosität kann schon gegen das stück einnehmen, das ja ansonsten nicht viele ecken & kanten anbietet. ist vielleicht so ein mucker-hype von mir. das stück steht hier, weil es sich sehr deutlich auf #10 bezieht. #12 | ich kenne leo kottke leider gar nicht, aber was ich so lese, ist nicht allzu weit entfernt von dem hier. ralph towner gehört auch noch zu diesem cluster von rockhintergründigen akustikgitarristen. der von #11 ist auch irgendwann auf akustisch umgestiegen (aber nie so ganz – bei dem hier weiß ich’s gar nicht). #13 | die bends sind ein kleines guitar-synth-element. aber die nähe zur mandoline ist nicht verkehrt (obwohl das instrument recht voluminös ist). ein bisschen state of the art gerade. #14 | super beschrieben. du kennst den besser als ich, glaube ich. jemand, der gitarre nicht als prothese, als teil des körpers begreift, sondern als ding, das seine eigene intelligenz hat. sein umgang damit ist ja manchmal wie ein happening, in einem konzert eröffnete er mit einem gespielten drüberstolpern. auch das kaputtmachen, wegwerfen, dann wieder liebevoll streicheln gehört dazu. aber das ist wirklich ein ganz anderer zugang als beim rest hier. #15 | genau auf den punkt getroffen. zeit stimmt auch. #16 | passt auch. selbstverliebt – ganz gewiss. und mclaughlin ist hier der große schatten, der widerpart, aber auch bruder im sound. und klar konnten die sich auf hendrix einigen. #17 | bingo. kein glatteis. stimmt alles. war mir halt wichtig, ihn dabei zu haben, auch als einziger nichtjazzer hier. oder? interessant, woran man das festmachen könnte. eigene licks haben die ja alle hier (bis auf #6 und #14 vielleicht.) #18 | nichts neues. freut mich sehr, dass das hier so gut ankommt. auch ein ewiges lieblingsstück von mir. #19 | nicht deutsch. kennst du bestimmt. das zweitaktuellste stück hier.

wahr1Exzellenter BFT, Schwerpunkt Gitarre kommt mir sehr gelegen, ich komm ja auch mehr aus der Gitarre zur Musik. Habe kein Stück als schlecht empfunden, ein sehr guter Mix, bei dem sich die Stile Jazz und Rock immer wieder Track für Track annähern, dann wieder gibt es einen Cut und die Annäherungen beginnen von vorn, aber aus einer anderen Perspektive heraus. So höre ich es jedenfalls ein bisschen raus. Herzlichen Dank, vorgarten!! Dein BFT macht riesigen Spaß und daraus werden sicher Wege entstehen, denen ich mit Freude weiter folgen werde.

bin gespannt, wohin dich deine wege hiernach führen werden…

Danke für deine Kommentare. Dann konnte ich ja ein bisschen mehr, als ich erwartet hatte, zu den Auflösungen beitragen. Auf Bern Nix (3) bin ich gekommen, weil die Gleichzeitigkeit von Funk/Rhythmus und Melodie in seinem Spiel Ornette Colemans Harmolodics widerspiegelt, so wie ich es verstehe jedenfalls. Und Nix spielt auf meinen drei Lieblingsplatten von Coleman mit: Body Meta, Dancing In Your Head, Of Human Feelings. Daher kannte ich sein Spiel, bzw. diese spezielle Vertracktheit ein bisschen.

Ulmer (4) kenne ich eigentlich gar nicht so gut. Eine der ersten eigenen Platten von ihm nach seinem Engagement bei Ornette Coleman stand in meinem Bekanntenkreis damals recht hoch im Kurs, ich bekam das nur am rande mit, aber diese aggressivere, verzerrtere Variante des Spiels (im Vergleich zu Bern Nix) hat sich mir eingeprägt. Echt ein tolles Stück.

Bei (7) lag ich schrecklich daneben. Ich dachte an Davy Graham, aber mir war schnell klar, er kann es nicht sein, als erwähnt wurde, dass der Herr meist in Schlips und Anzug auftritt. Das ist bei Graham nicht unbedingt der Fall. Der setzt auch gerne mal einen Strohhut auf.

Ich bin so unbeleckt im Jazz, dass mir noch nicht mal bewusst war, dass der Herr von (8) auch eine elektrisch verstärke Gitarre gespielt hat. Ich muss die CD haben, warte aber noch auf Tipps, welche Version, denn es gibt auch eine VÖ mit Bonustracks. Oder gibt es da vielleicht sogar eine gute Box, die mir insgesamt einen Überblick verschaffen könnte? Bin dankbar für Anregungen.

(12) Hat wirklich was Kottke-mäßiges, obwohl das hier doch zu gezogen ist, mehr landschaftlich. Kottkes Musik beschreibt keine Landschaften, sondern Beziehungen und Traditionen. Sage ich mal so ins Blaue rein.

Ob Hendrix (17) ein Jazzer oder Nichtjazzer ist, ist schwierig zu sagen. Vielleicht zeichnet ihn besonders aus, diese Grenze unscharf gemacht zu haben. Es gab ja auch Ideen, mit Miles Davis enger zusammenzuarbeiten. Ich bin mir sicher, Hendrix wäre vom Blues schnell weggekommen in den 70ern, zum Jazz hin.

(19) Sollte ich also kennen? Hm. Chicago? International Anthem? Klingt ein bisschen wie Jamie Branch, diese eher kurzen Trompetenmotive. Ich finde die Trompete klingt hier aber technisch anspruchsvoll, ich weiss nicht, ob Jamie Branch das so hinkriegen würde. Die Stimmung entspricht auch irgendwie nicht ihrem vermutlichen Charakter. Andererseits könnte sie das durchaus sein. EDIT: Ist inzwischen aufgelöst. Sie war es nicht. Aber Chicago stimmte immerhin. :)

Jedenfalls ein klasse BFT, den ich immer wieder hören werde. Ich brauch da einiges von.

vorgartenwenn ich deine kommentare lese, scheint mein konzept aufgegangen zu sein. der zugang zum jazz über gitarre ist nicht der schlechteste ist aber nicht zwangsläufig so, dass man als gitarristisch interessierter menschen irgendwann da landet, oder?

Man landet als gitarristisch interessierter Mensch sicher nicht zwangsläufig beim Jazz, aber man fragt sich vielleicht weniger, ob es überhaupt Jazz ist oder nicht. Eigentlich sind die Wege recht kurz: Vom elektrischen Neil Young zu Keiji Haino und Japan-Noise, von Iommi zu Django Reinhardt, von John Fahey zu Albert Ayler, von Donny Hathaway an der Rhodes zu Grant Green an der Gitarre. Vom den Stones zu James Brown, von da aus äh, überall hin.

zuletzt geändert von wahr