Antwort auf: blindfoldtest #31 – vorgarten

#11096991  | PERMALINK

vorgarten

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so, erstmal vielen dank für die epischen kommentare – so viel nachdenkenswertes und überraschendes… ich leg mal los.

gypsy-tail-windmein Verhältnis zur Gitarre ist ja ein eher oberflächliches und ich mag in aller Regel gerade die ungitarristischen Leute: Kenny Burrell, Grant Green, Tal Farlow, René Thomas … im klassischen Jazz, mit dem ich grossteils einstieg, brauche ich keine Gitarre, vermisse sie nicht, manchmal finde ich so sogar eher überflüssig (weil sie Rhythmusgruppen unnötig zukleistert, wenn auch ein Klavier dabei ist)

darüber haben wir ja schon oft geschrieben – das man gitarre im jazz bis weit in die 60er hinein kaum ohne klavier bekommt, und wie unsinnig das eigentlich ist. klar kann man das gut arrangieren (hier im bft – behaupte ich – gibt es dafür gute beispiele), aber es scheint ja eher eine unverrückbare konvention gewesen zu sein, über die kaum jemand mal ordentlich nachgedacht hat. wenn ich ein klavier habe, steht jedes weitere begleitinstrument unter erklärungsnot, finde ich – nur orgel kann man ausnehmen, da ist halt der bass überflüssig.

„ungitarristisch“ – so weit würde ich nicht gehen. aber sind sie nicht alle gerade die zukleisterer, du du meinst, weil sie immer auf klavieren gesessen haben, ohne ihr gesamtes spektrum abzurufen? @friedrich hatte ja mal burrell solo im bft – nichts ist da ungitarristisch, im gegenteil.

gypsy-tail-windDie erwähnten Heroen waren natürlich auch bei mir beim Einstieg ein grosses Thema – aber ich liess sie so ziemlich komplett links liegen. An Metheny näherte ich mich erst 15 Jahre später ein wenig an (das ist auch immer noch im Gang, aber mit jahrelangen Löchern, weil so wahnsinnig reizt mich seine Musik halt doch nicht – das Album mit Ornette, ein paar schöne Trio-Scheiben von „Rejoicing“ bis „Day Trip/Night Trip“, die Duos mit Jim Hall und Charlie Haden und sonst ein paar Alben, von ECM und anderswo). John Scofield mochte ich damals schon nicht so schlecht, aber Peter Bernstein war dann z.B. (live gehört mit dem Larry Goldings Trio) mehr nach meinem Geschmack. Mit Kurt Rosenwinkels vertrackten Themen konnte ich nie gross was anfangen, Mark Whitfield ist nur ein Name (okay, das Hancock-Album mit Payton/McBride ist schön) …

zu metheney habe ich auch ein angemessen gespaltenes verhältnis. aber ich hatte kurz überlegt, das standards-album von gary thomas auf jmt zu berücksichtigen, auf dem metheny durchaus sinn macht. bei abbey lincoln später auch (obwohl das ultrasentimental ist). und klar, je näher er mal ornette oder noisigen umfeldern auf den leib gerückt ist, um so mehr facetten haben sich gezeigt. kein langweiler, so viel kann man sagen. der erste jazzgitarrist, den ich in den frühen 90ern ernst genommen habe, war eubanks. da kannte ich aber auch viele noch nicht, die damals schon da waren. jedenfalls konnte ich danach die ganzen weißen jungs nicht mehr ertragen, frisell vielleicht ausgenommen.

gypsy-tail-windGrundlegend geändert hat sich das auch durch die geschätzte Mary Halvorson – ich bin nicht sicher, welches das erste Konzert war, das ich hörte, 2009 mit ihrem Trio vielleicht? Juni davor Taylor Ho Bynum Sextetts, sehe ich gerade – ev. war das die erste Begegnung, danach u.a. auch noch mit dem Oktett von Ingrid Laubrock, mit Living By Lanterns (eins meiner allzeitigen Konzert-Highlights), mit dem Tom Rainey Trio (mit Laubrock), im Duo mit Stephan Crump, mit Anthony Braxton …

ja, da erkenne ich auch so langsam, wie stark ihr input gerade ist. so richtig klickte es bei mir erst mit thumbscrew, aber sie in verschiedeene kontexten live zu sehen, hat auf jeden fall sehr geholfen.

gypsy-tail-wind#1 – Wunderbarer Opener, natürlich mit einem Gitarren-Intro, klar … sehr schöne Atmosphäre, warm, verspielt, ein Zwiegespräch mit Bassklarinette und Tenorsaxophon. Klingt europäisch, so nach der Texier/Sclavis-Ecke, aber die sind das eher nicht, denke ich. Vermutlich sind es sogar Amerikaner, die den Europäern der 80er und 90er zugehört haben? Gefällt mir sehr gut, gerade auch, weil die Gitarre weich klingt, trotzdem voll, und das ohne Weichzeichnereffekte oder fuzzy Ränder. Vielleicht, um die einleitenden Überlegungen fortzuspinnen, bin ich bei Gitarren einfach vom Ton her extrem heikel (der schönste Ton? Derek Bailey! Gefolgt von Grant Green – wobei gerade in Sachen Ton höre ich Wes Montgomery auch ganz weit vorn, zähle ihn aber nicht zu meinen grössten Gitarren-Favoriten). Den Track höre ich jetzt schon eine halbe Stunde in Schleife, so komme ich nicht weit …

die intrumentiereung ist hier, glaube ich, nochmal besonderer – bassklarinette und baritonsax. tief und warm und sehr entspannt. der gitarrenton ist etwas für fetischisten, aber ich mag, dass er sich zwischendurch auch mit dem bass verbindet, eigentlich die ganze zeit verknüpfungen eingeht und doch ganz klar den ton angibt. ein musician’s musician, sehr offen für experimente, aber aus einer völlig konservativen ernsthaftigkeit heraus.

in der wertschätzung von derek baileys ton bin ich klar bei dir (ich hatte ihn schonmal im bft, dachte an einen bonustrack hier mit ihm, aber der mix ist ja lang genug). bei green kann ich überhaupt nur den ton wertschätzen. und über montgomery gibt es keine diskussionen. sehr toll (und ein bisschen unterschätzt) finde ich noch den auf #18. und unter den aktuellen favorisiere ich liberty ellman. aber über bailey geht eigentlich nichts hinaus.

gypsy-tail-wind#2 – Das klingt super vertraut, aber ich kenne es wohl nicht – den Gitarristen aber ganz gewiss, ich nannte ihn oben schon, denke ich? Neunziger oder Nuller, sehr cleane Produktion, wieder ein schöner Ton, aber in der glatten Produktion und mit dem zu Beginn geradezu albernen Beat (sollte heavy sein, klingt aber eher wie ein paar Drum-Pads?) will mir das vom Gesamtbild her nicht gefallen (und da sind wir beim Problem, weshalb ich mich damals nicht mit aktuellen Gitarrenalben abgeben mochte – ich musste auch sehr viel genauer aussuchen, meine Mittel waren sehr beschränkt … und der Sound, das klingt alles so sauber, so dünn, es fehlt der Körper, nur der Gitarre wird er vom Studio zugestanden, aber das reicht mir nicht).
Dann das Klavier … ist ja genau einer dieser Besetzungen, die ich bis heute nicht ganz begreife, auch wenn es ein paar Ausnahme gibt (das Spiritual-Album von Grant Green, seine Alben mit Sonny Clark, „The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery“). Ich stehe hier aber gerade vollkommen auf dem Schlauch, woher das sein könnte, kann auch sein, dass ich in der völlig falschen Ecke suche?
Aber gut, das Gitarrensolo ist richtig schön (mit Beinah-Zitat von „Straight No Chaser“ bei 3:33 und „As Time Goes By“ bei 3:56), auch wenn sich der Tastenmann meiner Meinung nach gerne zurückhalten dürfte und die pseudo-rockigen Tom-Tom-Fills des Drummers etwas deplaziert klingen (besonders der abwärts-„Lauf“ bei 4:21) – das hat halt diese ganze 90er-abgebrühte-Coolness, die ich wohl auch nie mochte (da war ich wohl zu schüchtern für). Auch hier drei Durchläufe und dann noch etwas herumgeskippt … ich erhöhe beim Gitarrensolo auf: grossartig. Das ganze Stück ist gut, aber eben: der dürftige, körperlose Gesamtklang … und der Gitarrist ist wohl ein alter Fuchs, der damals schon ein paar Jahrzehnte im Geschäft war? Ich stehe aber völlig auf dem Schlauch, merke ich, obwohl ich sicher bin, ihn zu kennen.

zeitlich ordnest du das falsch ein, aber der sound ist tatsächlich zu clean, keine frage. ist aber gut gemeint und nicht kommerziell gedacht – und hier ist auch keine sonderausschüttung testosteron am werk. ich weiß nicht, ob du die alle hier kennst – wenn ja, dann hat es bisher nicht gezündet. was die kombination gitarre-klavier hier erträglich macht, ist der funk/swing-wechsel, mit dem sie sich hier die bälle zuspielen. und das einander-begleiten funktioniert auch recht sensibel, finde ich. der drummer kommt nicht aus der rock-ecke. er ist im mix zweimal zu hören.

gypsy-tail-wind#3 – Die Gitarre klingt erstmal recht ähnlich, aber sie ist irgendwie dann doch weniger voluminös, ohne deshalb spitzer zu werden. Der zerklüftete Groove gefällt mir, und der Bass ist klanglich genau das, was ich jetzt als Antidot benötige. Der Beat ist wieder eher funky als swingend – recht abgekartet, mit den verschiedenen Teilen und den harten Übergängen, gefällt mir aber gut (aber weil das sonst in jüngerer Musik etwas ist, was mich eher mal nervt, siehe oben die Bemerkung zu Rosenwinkel), hintenraus ist dann kein harter Übergang nötig, der Groove entwächst dem improvisierten Teil ganz natürlich. Hier tippe ich auf nochmal jüngeren Datums – eher 10er als 00er?

das ist älter. das zusammenspiel mit dem bass (der ja oft einfach das thema wiederholt), das zerklüftete, das funkige gefällt mir alles auch sehr gut. das ist aber eine ganz andere ecke als #2, obwohl die gleiche generation. auf jeden fall ist das eine gitarre, die gelernt hat, ohne zusätzliche begleitungen auszukommen.

gypsy-tail-wind#4 – Ein effektives Bass-Lick … und dann die versetzt einsteigende Gitarre, die Drums – tolle, wie schnell die hier verdichten! Die Gitarre jetzt mit Effekten … klingt auch recht vertraut, könnte der Mann mit dem markant getrimmten Haarwuchs ums Kinn herum sein? Hier wird dann erst am Schluss (ab 5:10) das Thema gespielt, wie es angesteuert wird, quasi mit einem langen heraus- und Heranzögern, ist super! Und Thema das kommt von dem alten Blueser, der in seinen letzten Jahren kaum mehr Konzerte spielte, weil er anscheinend 100’000 Gage verlangte (was vollkommen angemessen ist – bzw. wäre, in einer besseren Welt, aber in der wären solche Dinge dann auch nicht mehr relevant), ja? Auch das jüngeren Datums, denke ich

ich bin mir nicht ganz sicher bei den anspielungen, aber ich glaube, du bist auf dem richtigen weg. ist ungefähr zur gleichen zeit wie #3 entstanden, zwischen den beiden stücken gibt es auch verbindungen (deswegen stehen sie hier so nah beieinander, weil es schon eine eigene sparte bzw. ein eigener zugang ist). das thema wird übrigens am anfang (0:50) auch schon mal gespielt. falls du doch in der falschen richtung unterwegs bist, empfiehlt es sich, mal auf den drummer zu achten, der war sehr individuell unterwegs und leicht zu identifizieren.

gypsy-tail-wind#5 – Und jetzt wird’s sphärisch … doch sobald die Bläser mit der klagenden Linie einsteigen, kommt alles zusammen – doch das war es noch nicht, erst nach fast zwei Minuten fällt die Band in einen gemeinsam Groove, das Tenorsax spielt ein paar „false fingerings“ (gleiche Tonhöhe mit anderen Griffen = Mikrotöne, bei 2:18), singender Ton, darunter die Gitarre (sind das zwei?) und das Klavier … das ist hymnisch, ohne pathetisch zu werden. Schön! Die Wärme kommt aber vom Sax, die liegenden Gitarrenklänge dahinter finde ich nicht so zwingend, aber sie gehören zur Stimmung halt dazu – wenn sie hinter dem Klavier anfangs entfallen und erst allmählich wieder auftauchen, ist das dann auch einer schöner Effekt. Das Klavier klingt mal wieder ziemlich hart, aber das hier passt schon alles sehr gut zusammen, auch im Sound. Das sind zwei Tenorsaxophone, ja? Aber nur eine Gitarre? Denke, das ist wieder etwas älter, 80er oder 90er? Kenne ich wohl eher nicht, aber ich mag irren – wäre vom Sound her insgesamt etwas, was ich typischerweise nur alle paar Jahre mal anhöre, auch wenn mir der Track so für ich hier sehr gefällt!
[Was ist das bei 4:30 – ein Defekt der Überspielung?]

zeitlich perfekt eingeordnet. das solo ist allerdings von einem altsax, ein tenor gibt es aber auch (hält sich sehr untypisch zurück). ansonsten gibt es neben gitarre und klavier auch noch ein keyboard (bin aber nicht sicher, ob es auf diesem stück dabei ist). ich dachte, dass man das hier sofort erkennt, weil der gitarrensound sehr speziell ist. der eigenartige 4:30-moment, wo es kurz leiert, ist wohl ein zusammentreffen von gitarreneffekt und davon abperlendem klavierton.

gypsy-tail-wind#6 – Hm … das find ich jetzt so aus dem Kontext gerissen zunächst eher schwierig. Der Gesamtklang spricht mich nicht sehr an – wieder so ein Drummer, der v.a. hart einen öden Beat hämmert, die „Auflockerungen“ so nach zweieinhalb Minuten sind auch eher nicht nach meinem Geschmack … aber dann ist da diese verlorene Trompete, im Mix etwas zu leise, so dass sie dauernd fast verschluckt zu werden droht … gib mir das live und ich bin voll dabei!

dachte mir schon, dass das eher nichts für dich ist ;-) aber eine klangwand brauchte ich hier im mix. wobei der gitarrist auch sehr sanft spielen kann und auf der akustischen gitarre überzeugt. das projekt hier (eine kleine supergroup, eine politisch aufgeladene suite) mag aus einem größeren kontext entrissen scheinen, aber ich mochte, dass es wie #5 auch nur um einen ton herum wabert. ich finde das wahnsinnig fein, weil alles hier zusammenfließt und spannend bleibt, obwohl die geste hart und brutal nach vorne geht.

gypsy-tail-wind#7 – Und jetzt geht’s nach Brasilien? Ich höre hier erstmal v.a. auf die akustische Gitarre – und dann darauf, wie der Bass aus dem Hintergrund mitredet. Der Übergang auf halbem Weg, wenn die akustische den Solo-Stab an die elektrische weiterreicht, ist wunderbar! Und die beiden Soli sind es auch – sehr schön! Der locker-flockige aber doch total tighte Groove macht mich an die Sachen von Getz/Byrd denken, da passte auch die Rhythmusgruppe, aber das ist deutlich jüngeren Datums, nehme ich an? Das Riff kommt mir vage vertraut vor, aber das täuscht wohl?

du bist auf dem richtigen weg, obwohl die reise hier eigentlich nicht nach brasilien, sondern – mit den verschobenen oktaven – nach fernost geht. zwei sehr etablierte leute, die sich hier herausfordern und umschmeicheln, der e-gitarrist hat mich hier sehr überrascht, es scheint mir fast so, als würde er durch die riff-struktur richtig aufleben. er fällt auch erst gegen ende seines solos in abgesichterte licks zurück. die rhythm section ist natürlich fantastisch.

gypsy-tail-wind#8 – Und dieses Riff ist nun tatsächlich bestens bekannt … das ist für den Jazz wohl etwa das, was singende Cowboys in hartgesottenen Western sind: an der Grenze zum Kitsch, aber eben doch sehr gut gemacht, mit singendem Ton, den man eigentlich auch umgehend erkennen müsste? Die kühle Ecke wohl, Tal Farlow, Johnny Smith? Da kommt die ganze Gitarre von Jim Hall bis Metheny und Frisell her … ist ja interessant, dass es auf dem Instrument eigentlich keine stilbildenden Hardbopper gab bzw. dass diese sich letztlich ins grössere Kontinuum einfügen (ich denke da aber eigentlich auch nur an Wes Montgomery … oder hatten Burrell oder Green „Schüler“ jenseits den chitlin circuit? – von dem sie ja wohl gleichermassen Schüler waren, einfach kennt niemand die betreffenden Leute).

ja, den müsste man umgehend erkennen ;-) aber eher nicht bei den cowboys, höchstens bei denen weiter südlich, die anders heißen. eigentlich kommt das aber ganz woanders her (nicht montgomery, burrell, green, metheney). und durch diese verschiebung erkennt man es wohl nicht sofort. aber das stück würde vom protagonisten ganze drei mal aufgenommen, scheint ihm gefallen zu haben.

gypsy-tail-wind#9 – Und nun kommen wir zu den alten Meistern … „These Foolish Things (Remind Me of You)“, im Thema mit einem Xylophon oder sowas ähnlichem, daher liegt der Gedanke an das Red Norvo Trio mit Tal Farlow nahe, aber da werde ich nicht fündig (und nach Mingus – auch dem frühen – am Bass klingt das hier nicht … und ein Schlagzeug ist ja auch dabei – und eine Rhythmusgitarre? Und ist das am Xylophon der Pianist oder sind das auch wieder zwei Leute? Beim ersten Hören hatte ich den Eindruck, das sei nur ein Trio (g/p/b), weil ich so auf die Gitarre fokussiert war … aber auch das Stück lief gleich mehrfach. Sehr, sehr schön!
Hier die spätere Farlow-Version für Verve (es gibt eine mit Norvo, aber das ist sie ja auch nicht hier) – weicher im Ton, mit mehr Ausschmückungen .. der perfekte Jazzgitarrist!
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genau, alte meisterschaft. und der pianist spielt hier auch noch eine celesta (und ist ziemlich bekannt, wie eigentlich alle hier, der rhythmusgitarrist vielleicht ausgenommen). thema natürlich richtig erkannt.

die farlow-version mag ich sehr viel weniger, sie fließt nicht, er ist immer vor dem beat und verweigert das legato, auch sehr steif und eintönig. ich kenne tolle sachen von farlow und mag seinen ton sehr, aber das hier gehört nicht zu meinen favoriten. in #9 liegt sehr viel mehr gefühl, finde ich.

gypsy-tail-wind#10 – Und weiter geht’s … das Intro erinnert mich schwer an „Memories of You“, doch dann folgt das Thema, „Angel Eyes“, solo. Zärtlich, zerbrechlich, wunderschön! Ach, und statt dass es endet, steigt dann doch noch eine Rhythmusgruppe ein, die Gitarre legt klanglich einen Tacken zu, bleibt aber lyrisch – und am Ende, wieder solo, folgt wieder dieses aufsteigende „Memories of You“-Motiv vom Intro (gehört das zu „Angel Eyes“, hat das eine Strophe, oder wie nennt man „verse“ denn auf deutsch?). Auch hier höre ich mich gerade fest … ein Name, der mir hier in den Sinn kommt (er ist es aber nicht) ist Mundell Lowe. Ich tippe jedenfalls auf mittlere Fünfziger?

mundell lowe kenne ich gar nicht gut, er ist das hier nicht. zeitlich liegt das ein bisschen später, aber bei der person hier ist sowieso alles eher später losgegangen. ich find’s auch traumhaft schön und habe mich sehr über die entdeckung dieser aufnahme gefreut, weil ich vorher immer den eindruck hatte, ich finde nichts, was seine qualitäten wirklich strahlen lässt. in diesem reduzierten setting passt wirklich alles.

gypsy-tail-wind#11 – Und schon festig mit den alten Meistern? Schade! Ein ziemlich Bruch, und wieder so ein Beat, hier aber recht locker gespielt dünkt mich. Flöte drüber … die Gitarre klingt auch wieder vertraut, aber das ist sie vielleicht gar nicht? Irgendwo müsste hier im BFT ja Kevin Eubanks stecken, vielleicht hier, mit James Newton zum Beispiel? Hier geht es mir ähnlich wie davor mit ein paar Stücken vom Anfang: ich mag den Track irgendwie nicht, aber das Gitarrensolo ist phantastisch, die Entwicklung, die das Stück nimmt ist super, der Sound ist auch sehr okay hier … aber dennoch will das Stück nicht so recht gefallen, auch nach drei, vier Durchgängen – und ich vermute wieder, der Drummer hat was damit zu tun. Aber im Vergleich zu den Tracks, bei denen ich oben ähnliches monierte, wirkt das hier doch offener und spontaner. Mir fehlt alles in allem aber ein wenig das offene Playing und das spontane Interagieren – was vielleicht total unfair ist, ich lasse mich gerne belehren bzw. höre die Musik die nächsten Tage weiter! Aber allmählich wundere ich mich ein wenig, wo denn das Drittel versteckt ist, das ich erkennen sollte

der bruch ist nur vermeintlich so hart – die person hier hat sich immer deutlich auf #10 als vorbild berufen – es gibt auch von der spielweise her eine wichtige gemeinsamkeit. du bist in die richtige richtung unterwegs, auch wenn das an der flöte hier nicht james newton ist. ein lieblingsstück von mir, wie auch #3, wozu aber gehört, dass ich da schon immer im verteidigungsmodus dabei war. die band spielt zwar eine art jazz-pop, aber das ist doch extrem elastisch, wie da bass und schlagzeug durchfedern, reaktiv, flexibel… und die gitarre ist – rein technisch – nicht mehr von dieser welt: der spielt jede note in einer anderen lautstärke (hör dir dazu nochmal farlow an – die gleiche dynamik, die ganze zeit!), manchmal verschluckt der in rasenden läufen fast die hälfte, aber gut, es geht hier ja nicht um eine mucker-olympiade.

gypsy-tail-wind#12 – Nochmal solo, nochmal die ganze Gitarre … wie davor in weiten Teilen von „Angel Eyes“ aber auch in #7, ist das eine eingesteckte akustische Gitarre? Sehr schön jedenfalls – für mich ziemlich unvertrautes Territorium, aber gefällt richtig gut!

nicht eingesteckt, glaube ich. aber härtere saiten als jetzt bei einer klassikgitarre. musste irgendwie auch noch berücksichtigt werden – der große name wäre towner gewesen, diese person hier gefällt mir aber besser, wenn es auch eine jüngere entdeckung ist. ich mag das stück sehr gerne, es hat, wie du sagst, die komplette gitarre im angebot, melodieführung, begleitung, manchmal fast schon kleine drones – und es hält auch kitsch und emotionalität in einer tollen balance. freut mich, dass es dir gefällt. ich weiß nicht, ob du das album hast.

gypsy-tail-wind#13 – Okay, gerade noch rechtzeitig, da ist sie, die riesige Hollow-Body-Gitarre … in den ersten Sekunden klingt sie fast wie ein Piano, das einen Triller spielt. Super Trio, jedenfalls auf diesen Aufnahmen (die früheren packen mich bisher weniger), hier stimmt für mich dann auch alles, Bass, Drums, der Sound, das Zusammenwirken … ist halt alte Schule, man spielt einen alten Klassiker und stellt damit was an. Die Gitarre arbeitet mit den typischen Effekten, leichte Pitch-Schwankungen, klangliche Veränderungen – da liegen wohl einige Pedale am Boden herum, um dennoch wirkt das auf mich handgemachter als vieles, wo schwitzende Herren mit verzerrten Gesichtern in die Saiten hauen (auch noch so ein Problem, das ich mit dem Instrument habe ) – phantastischer Track!

der hollow-body ist jetzt nicht größer als von der gitarre in #9, glaube ich. und die effekte sind alles andere als typisch (da wurde wirklich was sehr eigenes gefunden, das ist auch nur bedingt steuerbar, glaube ich – und hier wird extrem cool damit umgegangen – bzw. es wirkt tatsächlich sehr handgemacht). wusste ich natürlich, dass du das erkennst, aber ich konnte nicht darauf verzichten, dazu war es mir zu wichtig ;-)

gypsy-tail-wind#14 – Sag jetzt nicht, dass das Derek Bailey ist? Ich würde jedenfalls gerne ein paar hundert Prozent verlängern, was die Spieldauer angeht! (Wo ich jetzt den ganzen Nachmittag dran bin, kann ich vor dem Abschicken des Posts ja auch noch rasch die bisherige Diskussion nachlesen – und das hier ist also schon aufgelöst … den Mann kenne ich bis heute praktisch gar nicht!)

war natürlich auch als alternative zu bailey gedacht, etwas weniger naheliegend. völlig anderer zugang zum instrument, aber trotzdem ist das ein sehr purer, toller sound – der sich einmal sogar den verstopften kanal der aufnahme wieder freimacht ;-) live war ich selten von jemandem so beeindruckt, aber ich finde auch immer mehr tolle aufnahmen von ihm.

gypsy-tail-wind#15 – Orgel… hatten wir bisher noch nicht, oder? Gefällt mir, wie hier gerifft wird, so als komme man nicht recht aus den Startblöcken raus, aber doch super toll! Und funky! Das ist jetzt im Gegensatz zu den oben monierten Beats einer, der mir gefällt, klingt irgendwie flexibler, die Art und Weise, wie das Hi-Hat zum Klingen gebracht wird. Und Sax gibt’s auch noch … nach einer Minute Groove an Ort und Stelle fühlt sich das schon sehr viel länger an. Das Tenorsax klingt vertraut, aber eine spontane Eingebung habe ich keine … toll!

das stück habe ich sehr speziell für dich ausgewählt ;-)
kennst du garantiert, ist totaler home turf für dich. aber das stück ist ein kleiner gag, eine technische studie, so spielt der nicht immer. hör nochmal auf das tenorsax, dann wird alles klar.

gypsy-tail-wind#16 – Okay, das Segment haut super hin mit den experimentellen Klängen in #14, dem Funk in #15 und jetzt diesem stapfenden Beat – wobei ich damit eher den Bass meinte als die Drums, die ja so eine Art Disco-Beat raushauen – was ist das nochmal, was die Gitarre bei 1:19/20 zitiert? Okay, das ist irgendwie total irr, es läuft und läuft, das Riff kommt wieder der Beat mutiert ein paar Male, alles sehr locker und doch völlig bezwingend. An sich auch nichts, was mich umgehend anspricht, aber das finde ich jetzt wirklich super! Keine Ahnung, wer das ist, aber der hat die Gitarrenband von Miles angehört, denke ich? Und es geht noch weiter … irre! Repetieren mag ich jetzt nicht mehr, sonst werde ich nie fertig, aber das Stück wird noch einige Male laufen die nächsten Tage!

der hat auf jeden fall die gitarrenband von miles gehört ;-) der drummer (ganz groß) spielt hier tatsächlich einen discobeat, witzigerweise habe ich das stück zuerst in einem techno-mix gehört, wo das sehr bequem drin saß (trotzdem: darauf muss man ja erstmal kommen). das war meine wahl für das schweinegitarrensolo, hätte jetzt auch mike sterns solo auf „fat time“ nehmen können, aber das hier ist schon nochmal toller, weil er die ganze zeit durchspielt und man mitbekommt, wie er sucht und ideen ausreizt und immer wieder ins riff zurückfällt, wenn er neuen anschub braucht.

gypsy-tail-wind#17 – Erinnert mich an „Little Wing“ … das ist aber nicht Jimi oder? Sehr, sehr schön! Auch da würde ich gerne mehr hören!

;-)

gypsy-tail-wind#18 – „It Was a Very Good Year“ klingt Intro an … was läuft da im Hintergrund, das ist nur ein g-b-d-Trio oder? Der Bass wagt sich zwischendurch in hohe Lagen vor. Mit dem Stück liege ich wohl falsch, aber die Verwandtschaft klingt auch später nochmal an. Gefällt mir sehr gut, wunderbarer Sound der Gitarre, warm, voll, und wieder dieses bauchige, ohne deshalb an Kontur zu verlieren. Keine Ahnung, wer das sein könnte … aber gefällt sehr gut!

das ist ein totaler klassiker, berühmte leute, bekanntes label, tatsächlich nur ein trio… ist ein lieblingsstück von mir, deshalb musste es rein, dachte, das kennen alle. gitarrentonfavorit, aber auch sonst: ich schmelze hier einfach dahin.

gypsy-tail-wind#19 – Und der Schluss kommt – trotz mancher Vorbehalte eine sehr faszinierende Zusammenstellung, danke herzlich dafür! Das Intro lässt mich zunächst etwas ratlos zurück, aber bei Halbzeit bin ich gefesselt, auch wieder dank der feinen Trompete, die Triller, Luftstösse, einfache Linien einstreut, die sich nie zu einem Solo verdichten, aber sich perfekt einfügen in das Ganze, das irgendwie mal wieder gar nicht versucht, irgendwohin zu gelangen – und gerade deshalb sehr weit kommt.

sehr schön beschrieben. eine wichtige gitarristische stimme, ziemlich einflussreich, vielleicht nicht unbedingt im jazz. und die entwicklung des stücks ist tatsächlich eigenwillig. für mich ein perfekter closer, aber ich höre sowas halt auch sehr häufig ;-)

gypsy-tail-windFragen, die wir hier noch klären müssen: Wo ist Emily Remler? Wo Sonny Sharrock? Wo Kevin Eubanks?
Und: was hältst Du von Derek Bailey, hatten wir es überhaupt schon mal von ihm?

ich würde dann doch nochmal genauer hinhören ;-) aber klar, lücken gibt’s zuhauf, bailey ist vielleicht die größte. aber auch die funktionale funkbegleitungs-ecke ist mit #15 nicht gut abgedeckt, da bräuchte es noch jemanden wie reggie lucas. und über die anderen leerstellen reden wir später ;-)

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