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wahrnun ist es also raus. :)
gutes bft-thema. vielleicht sind die siebziger kein schlechtes einsteigerjahrzehnt für die etwas anstrengenderen freieren großleistungen der sechziger. weil eben der spirituell/politische feuersturm nicht ewig durchzuhalten war, stattdessen in den 70ern mehr community-leben und clubkulturen gepflegt wurden, und es vermutlich immer mehr nicht auf politischen kampf oder erweckungserlebnis ausgerichtete anknüpfungspunkte mit anderen stilen gab, sei es rock, latin oder afrikanische musik. gesetztere musik für den haus- und tanzgebrauch, die die glut noch in sich trug, aber eben nicht mehr die wände zum einstürzen brachte. das muss eben auch sein. ich denke dann immer an greg norton, den bassisten von hüsker dü, der mal meinte, er würde jetzt auch nicht gerade hardcore pfeifen, wenn er die straße entlang geht. so ist eben in den 70ern jazz entstanden, der leichter zu hören war, aber seine herkunft doch nicht verleugnen musste. ein bisschen sehe ich deinen bft unter diesem blickwinkel. man kann von den tracks ausgehend weiter in diese richtung forschen, man kann aber auch von da aus in richtung actuel, späten coltrane oder zum AEC kommen.
tatsache, sehr interessantes bft-thema. aber auch sehr komplex. community-leben und clubkulturen als biotope dieser musik ergaben sich ja u.a. auch, weil die kommerziellen orte wegfielen. daneben bestand ein großes interesse an elektrischer verstärkung und elektronischer musik im engeren sinne, das in diesem bft nur in #6 abgebildet ist.
und natürlich gibt es in den 1970ern unfassbar heftige free-sachen (alan shorters TES ESAT z.b., und das ist ja von jemandem mit rudimentären hardbop-skills) – und daneben (das finde ich immer sehr verrückt:) pharoah sanders hat schon TAUHID eingespielt, als er noch bei coltrane war.
und dann gäbe es noch den aspekt der hoffnung auf kommerziellen erfolg, die ich ja niemandem hier absprechen würde – onaje allan gumbs hat sich von anfang an und bis zum schluss als komplett offenen musiker definiert, der keine schubladen akzeptiert hat – und das hört man seiner musik auch auf eine sehr positive art und weise an. und natürlich gab es auch debütalben in den 1970ern, die schon kommerzielle bewerbungen sind (die miles-leute, mtume, michael henderson z.b.). und natürlich solche, die das über die spiritual-ecke versucht haben (bonner), z.t. sehr erfolgreich (norman connors).
im bft sind leute drin, die nach langer sideman-tätigkeit schließlich sich mal als leader präsentiert haben (mcbee) – und andere, die wirklich mit diesen debüts auf die szene platzten und vielleicht tatsächlich auch etwas neues einbringen (steve reid).
und dann fängt ja mit den 70ern auch die ecm-recherche nach einer musik an, die nicht mehr politisch gelesen werden will oder soll (? – steile these, ich weiß).
aber so ganz grundsätzlich fühle ich mich in den frühen 1970ern im jazz sehr wohl, und ich glaube, das hat mit dem zu tun, was du hier formulierst: mehr community, mehr vernetzung, mehr melancholie, mehr sehnsucht, mehr hippie und neue sounds.
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