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Da bin ich jetzt, bei den Choralvorspielen nämlich, also Bach-Busoni – und hier kommt wohl der 1860er Bechstein zum Einsatz (ein Maene Straight Strung Piano von 2015 ist das andere Instrument, das Michiels hier spielt). Das scheppert ein wenig, aber die Obertöne sind der Wahnsinn, klingt unglaublich reich und weich, wenn der etwas harte erste Klang nach dem Ansatz mal vorüber ist … die CD ist sehr empfehlenswert! Einer der Gründe, sie hervorzunehmen, ist auch, dass Igor Levit in seinen Hauskonzerten betont hat, wie grossartig Busoni gewesen war. Da ist die Fantasia contrapuntistica dann wohl die pièce de résistance, die mag ich heute aber nicht anhören.
Vorhin war ich auszugsweise bei den Tartini-Konzerten mit Siranossian – auch wunderbar.
Und als nächstes kommt Westhoff an die Reihe, den ich oben falsch einsortiert hatte, denn die CD hörte ich noch nicht an, sie läuft also jetzt auch gleich komplett:
Nikitassova bedient sich hier einer historischen Spieltechnik, bei der die Geige nicht auf die Schulter gelegt sondern an die linke Brust angesetzt wird. Das bedingt eine andere Bogentechnik, da der rechte Arm tiefer gehalten wird als üblich. Das erlaubt weniger sanfte Übergänge beim Wechsel der Streichrichtung und ergibt entsprechend einen anderen, ungewohnten Klang.
Westhoffs Musik für Geige solo ist auf halbem Weg zwischen Schmelzer und Bach anzusiedeln, sie wurden 1696 in Dresden herausgegeben. Im Booklet gibt es einen Abriss zur bewegten Biographie Westhoffs, aber auch zur Musik. Zu den Suiten für Violine solo wird betont, dass sie sich vermutlich eher in die frz. Lautenmusik einordern als die damalige ital. Geigenmusik, dass er die Violine nicht als Melodie- sondern als Harmonieinstrument mit der Fähigkeit zu polyphonem Spiel behandelt. Peter Wollny vom Bach-Archiv in Leipzig, der die ausführlichen Liner Notes beisteuerte, schreibt, es handle sich „um eine abstrakte, gleichsam kondensierte Kunst, die der nachvollziehenden Phantasie bedarf, um sich zu entfalten“. Mir scheint, von dieser Phantasie bringe ich gerade mehr als genug auf.
Das Cover ist übrigens ein Ausschnitt von „Santa Cecilia“ von Simone Cantarini (1612-1648) und befindet sich in einer Privatsammlung.
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