Antwort auf: The Necks – minimal jazz from down under

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vorgarten

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underworld & the necks – drift sessions

durch räumlich verwirrende, weil meist im bild gebrochene und neu zusammengesetzte filmaufnahmen von fahrten und gängen durch öffentliche orte trägt uns ein elektronischer 4-on-the-floor-beat. ätherischer gesang dazu, underworld-trademark. die synthflächen sind flach, haben weite, keine tiefe. kleine synkopierte akzente dazu, höchstens drei akkorde. das auge fliegt druch basare, staubige ebenen, enge straßen. wo sind die necks? klappert tony buck da mit einer rassel im beat? schimmert chris abrahams‘ orgel da unterhalb der synthflächen? ist der immer deutlicher werdende bass am ende gar akustisch? man merkt bald: da wird das spiel aufwändiger, geht über das funktionale von samples hinaus, macht sich seinen eigenen reim auf den stampfenden vorwärtsdrift. großartig, wie die orgel und der bass plötzlich ihre farbigkeit ausweiten, materialität ins spiel bringen, kratzen, hauchen, schnurren. der synthetische raum klappt sich ein, plötzlich haben wir ein tonstudio vor augen. ab der 13. minute sind die necks scheinbar alleine dort im raum. und doch: sie haben einen elektronischen schatten, das stampfen bleibt, das tonstudio ist ein dancefloor. wenn plötzlich akustisches klavier auftaucht, verwirbelt es sich gleich wieder im beat. es braucht seine zeit, bis dieser verschwindet, das scheppern, kratzen, die arpeggien und gestrichenen bass-töne das regiment übernehmen, ambient entsteht. ein paar unterstützende synths kommen freundlich dazu und chillen. APPLESHINE CONTINUUM.

der film ist wohl das wichtigste ergebnis der gemeinsamen 2-tägigen session der beiden bands. auf der box DRIFT SERIES 1, die das ganze multimediale underworld-projekt abbildet (6 cds, ein sampler, eine bluray) befindet er sich (neben der 5-minütigen, animierten foto-dokumentation zu einem ausschnitt aus „a very silent way“) auf der bluray. daneben gibt es eine cd mit drei kollaborativen tracks: „altitude dub continuum“, „a very silent way“ und einer kürzeren version von „appleshine continuum“.

underworld legen wieder vor, ein relativ flacher dub, mit kürzelmotiven von akustischer gitarre und saxofon (?). nach 10 minuten hört man plötzlich nur noch die necks, die das stück bruchlos weiterspielen, in das sie nacheinander eingestiegen sind. in der porstproduktion erhalten sie hall und tiefe. buck steigt irgendwann aus dem beat aus, später swanton, synthflächen übernehmen, underworld-ambient, mit obertönen. ganz am schluss: dezentes geraschel, gestrichener bass, orgelschimmern. die necks haben das letzte wort.

ein absteigendes motiv aus drei tönen, von swanton gesetzt und variiert. buck klappert dazu, abrahams orgel (zawinul zuzwinkernd) schimmert statisch. synthakkorde fließen dazu, vokalsamples („what was it like in japan?“). der bass erzählt die geschichte, er klingt ausgesprochen akustisch. der elektronisch erzeugte raum darum dehnt sich aus, zieht sich zusammen, verstummt plötzlich. swanton macht noch ein bisschen weiter.

in dieser fassung vom „appleshine continuum“ fehlen die ersten 13 minuten. man bekommt dadurch für lange zeit den eindruck, dass die entwicklung andersherum verläuft: vom akustischen ins elektronische. die necks scheinen mit ihrer idee von 4-on-the-floor vorzulegen, und unmerklich schiebt sich ein artifizieller beat ein, ein schöner, geschichteter tanz entsteht, der spürbar immer heftiger, maschineller wird. erst als der beat verschwindet und wir im akustischen ambient landen, merkt man, dass sich die elektronik die ganze zeit über wie eine zarte hülle um die necks gelegt hat. man hört es nur subtiler, weil die wucht des einstiegs fehlt.

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