Antwort auf: Woody Allen

#11034891  | PERMALINK

latho
No pretty face

Registriert seit: 04.05.2003

Beiträge: 38,553

vorgarten
ich denke, es braucht hier keine laienrichter. und die übung ist nicht: auf welche seite schlage ich mich denn (wie es die new york times – und auf der anderen seite die vanity fair – macht, deshalb führt es nirgendwo hin, die hier zu verlinken).

Die von mir verlinkte Chronologie? Die ist halbwegs neutral, erwähnt noch nicht mal, dass viele der VF-Artikel von expliziten Freunden von Farrow geschrieben wurden und bieten ein Überblick über die Fakten. Wieso soll das nichts bringen?

„wir glauben den opfern“? es geht eher darum, die aussagen derer, die sich als opfer fühlen, erst mal ernst zu nehmen. das ist leider – siehe #mettoo – oft eher selten der fall.

Es geht nicht darum, dass Opfern nicht geglaubt wurde, Dylan Farrow wurde untersucht, der Fall lag bei Strafverfolgungsbehörden. Hier geht es um Kindesmissbrauch – das ist zunächst mal etwas anderes als #metoo, einer Bewegung, der ich skeptisch gegenüber stehe (wegen Virtualität der Aktivisten und Promi- und Medienfixiertheit).

dylan farrow erzählt die geschichte seit beinahe 30 jahren, das ist – was auch immer dahinter steckt – kein spaß.

Dylan Farrow hat die Gesichte 1992 ihrer Mutter erzählt, nach dem Sorgerechtsprozess war es erstmal jahrelang ruhig um die Geschichte. Erst 2013 ging es wieder los: „November 2013: Dylan Farrow goes on the record for the first time in an interview with Vanity Fair.“

zu den „fachleuten“ gehörte ein richter im sorgerechtsstreit, der sehr deutlich von übergriffigem und äußerst unagemessenem verhalten von allen gegenüber dylan sprach. auf die gerichtsverhandlung wurde u.a. auch deshalb verzichtet, um das kind vor weiterer belastung zu schützen.

Aber es wurden auch keine Hinweise auf Kindesmissbrauch gefunden.

woody allen hat sich seitdem nicht dazu geäußert. jetzt erscheint seine autobiografie. dass er auch da das problem offenbar nicht adressiert (so viel ist durchgesickert), hat mutmaßlich zum protest der verlagsmitarbeitenden geführt. es geht her nicht um schuldbeweise, sondern darum, ob ein mann, ein verlag, eine gesellschaft solche aussagen ernst nimmt.

Siehe die von mir verlinkte Liste (soviel zur Nützlichkeit): da kann man sehen, dass Allen sich mehrfach zu den Anschuldigungen geäußert hat. Ich kann auch sehr gut verstehen, dass er das – danach – nicht mehr getan hat.

der reflex „#metoo = hexenjagd“ ist völlig unangemessen. teil des problems ist, dass sich dazu ständig leute eierschaukelnd aus der ferne äußern, anstatt einfach mal die klappe zu halten.

Glashaus und Steine? Zu #metoo habe ich mich oben und anderswo geäußert. Zu der Tatsache, dass in den letzten Jahren in manchen US-amerikanischen Unterhaltungswebsites abwechselnd Artikel über Polanski oder Allen maschinengewehrartig rausgefeuert wurden, da habe ich anderswo schon geschrieben, dass einem das antisemitisch vorkommen kann. Gerade weil in meinen Augen das Geschehen um Allen geeignet scheint, differenzierter betrachtet zu werden, als mit einem Twitter pile up.

woody allen hat als von sich selbst inszenierte kunstfigur jahrzehntelang gut für männer als identifikationsfgur funktioniert, insofern in den filmen einem nicht allzu attraktiven kleiner brillenträger die schönsten frauen zu füßen liegen. das ist jetzt nach einblicken in sein privatleben nicht mehr so gut möglich. tatsächlich machen solch bohemistische umfelder dem normalo-kinogänger ja eher angst. und kein mensch möchte in dieser familie aufgewachsen sein.

Nein, sowieso nicht, siehe auch den Blog von Moses Farrow. Zu Allen und schönen Frauen in den Filmen: das hat er wohl mit allen Regisseuren, die Filme über sich und das Filmemachen gemacht haben gemein. Aber das ist das filmische Bild Allens, nicht das tatsächliche.

das buch wird erscheinen. eine zensur findet nicht statt.

Von Zensur hat keiner, zumindest nicht ich, gesprochen. Es findet ja keine staatliche Maßnahme statt. Aber etwas mehr als „Meinungsäußerung“ ist es schon – sowohl bei Hachette als auch bei Rowohlt. Sollten Aktivisten vor Buchläden auf und ab gehen und mit Megaphon und Plakat „Kauft keinen Lobo/Passig/Raether“ schreien, ist das auch mehr als eine Meinung.

--

If you talk bad about country music, it's like saying bad things about my momma. Them's fightin' words.