Antwort auf: 2020: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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Jorge Rossy Vibes Quintet feat. Mark Turner & Billy Hart – Zürich, Moods – 17.01.2020

Mark Turner, ts; Jorge Rossy, vib; Jaume Llombart, g; Doug Weiss, b; Billy Hart, d

Das erste Jazzkonzert des Jahres war vor allem wegen Billy Hart den Besuch wert … sonst blieb es etwas zwiespältig. Die Originals von Rossy lehnten sich oft an Vorbilder an, im deutlich animierteren zweiten Set erklang auch „April“, die Lennie Tristano-Paraphrase auf den Standard „I’ll Remember April“ (dessen Hauptthema Gitarrist Llombart in seinem Solo dann ausgiebig zitierte). Damit ist auch der Rahmen vorgesteckt: Musik zwischen Bebop und Tristano-Cool, und damit soweit ich das überblicke für Turner wie für Rossy auch eine Rückkehr in ihre Vergangenheit, in der es auch einen kleinen Schweiz-Bezug gibt (die Alben des International Hashva Orchestra mit Nat Su, TCB, späte 90er), der sich weiter zieht mit Rossy und Turner, die (wie Turners Kollegen von Fly, Jeff Ballard und Larry Grenadier auch) in Basel an der Musikhochschule lehren. Letzteres dürfte auch erklären, weshalb das Publikum deutlich jünger/durchmischter war als üblich im Moods … aber böse Zungen könnten jetzt auch sagen: schon klar, dass das Lehrer waren, hörte man der Musik doch an (und sah man den Leuten auch an). So weit möchte ich nicht gehen, aber da war schon etwas zu viel Ironie im Spiel, Zitate von Zitaten (ein Stück, das sich auf ein Stück bezieht, das der Gitarrist Peter Bernstein über ein älteres Stück schrieb), und das alles führte am Ende auch musikalisch zu einer gewissen Unverbindlichkeit. Ungefähr die Hälfte der Stücke waren Walzer, gerne mit leicht nostalgischem Touch, und wenigstens einer davon hinkte (5/4 quasi ohne dass man’s merkt).

Da kommt dann auch das letzte Element ins Spiel, nämlich das etwas Lounge-mässige der Musik der fünf. Der Klang der Gruppe ist sehr homogen (auch wenn der Herr an den Reglern alles tat, damit er es nicht war – die waren wohl mal wieder mehr mit der Zweitverwertung ihres Digitalclubs befasst als damit, den Leuten im Raum ein anständiges Erlebnis zu bieten … nach der Pause war’s etwas besser, im Einklang mit dem, was auf der Bühne lief). Llombart und Rossy spielten in den Themen oft unisono, manchmal zu dritt mi Turner, der natürlich nur die Melodie mitspielen konnte. Das gab ein kompaktes Klangbild, von Weiss und Hart getragen. Weiss sah ich im ganzen Konzert nicht, fand sein Spiel okay aber nicht sonderlich interessant – er machte halt seinen Job, manchmal besser, manchmal (eine Arco-Passage mit ein paar Intonationsentgleisungen) etwas weniger gut. Mark Turner wirkte im ersten Set ziemlich steif, im zweiten drehte er ein wenig auf. Dass er ein Warne Marsh-Schüler ist, wurde immer wieder deutlich, seine Soli schienen mir aber etwas zu oft auf Riffs zu basieren (nach der Tristano-Schule eigentlich die Todsünde, aber man muss das mit den spontanen Linien ja hart erarbeiten, und dazu sind wohl tausendmal gespielte und durch alle Tonarten geschobene Arpeggio-Übungen das Mittel der Wahl) und vor allem im ersten Set nicht so richtig abheben zu wollen. Llombart fand ich als Solist ziemlich unbemerkenswert, mal blitze Jimmy Raney auf, dann klang es eher nach Jim Hall, der Ton der Gitarre aber etwas weniger klar konturiert, etwas ausfransend an den Rändern – angenehm anzuhören, aber überhaupt nicht umwerfend. Und dasselbe kann ich wohl für Rossy auch gleich anhängen: er machte nichts falsch, aber für ein richtig gutes Konzert reicht das bei weitem nicht.

Also Billy Hart, der Mann in der Mitte, auf den ich von meinem Platz nahezu freien Blick hatte (Rossy stand ganz rechts hinter seinem Vibraphon, wo der Gitarrist sass, ist am Rand des obigen Fotos zu sehen). Billy Hart hatte ich 2001 mit dem Quartett von Charles Lloyd schon einmal gehört (im selben Jahr hörte ich auch schon Jorge Rossy, damals als Drummer mit dem Brad Mehldau Trio). Nun ist es so, dass ich mich mit Harts Time schon immer etwas schwer tat, dass sein Spiel mich aber zugleich auch stets fasziniert, ohne dass ich es genau verstehen würde. Es ist schon bemerkenswert, wie er zwei Bebop-Sets spielen kann, ohne auch nur eine Sekunde im herkömmlichen Sinn zu swingen. Dabei trieb er die Band gekonnt an, bot ein breites Spektrum an Klängen, machte stellenweise so viel Feuer, dass fast schon Angst aufkam, die anderen vier würden gleich von der Bühne fliegen … er bewies auch in seinen Soli echten Humor (nicht detachierte Ironie), war zupackend und stets zur Stelle. Vor allem in den Soli stellte er mit dem Beat Dinge an, die ich überhaupt nicht begriff, er schien manchmal zwei Tempi zugleich zu spielen, einerseits hielt er den Puls des Stückes durch (und blieb, Bebop eben klar, immer in der Form), andererseits schien er den Beat fast nach Belieben zu verlangsamen und dann wieder beschleunigen, die Zeit zu dehnen und dann wieder zusammenzuziehen. Das war enorm faszinierend zu beobachten. Dass Weiss daneben farblos blieb, ist wohl wenig erstaunlich, denn Hart hatte eine äusserst starke Präsenz – und da bräuchte es halt auch einen Bassisten, der in sich ruht, oder halt einen, der mit dem Drummer ein dichtes Zusammenspiel pflegt. So war am Ende, trotz Hart, alles etwas zu nett, etwas zu unverbindlich. Aber allein wegen Hart hat sich der Gang ins Moods gelohnt, und Mark Turner war im zweiten Set dann auch ziemlich stark.

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