Antwort auf: Sun Ra

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vorgarten

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pinball-wizardIch steh nämlich auch seit längerem bei SunRa vor der Frage, wo ich da mal den Hebel ansetze. Glaube nämlich durchaus, dass ich mit den beiden Alben, die ich von ihm habe(Space Is The Place und Lanquidity) noch lange nicht die Spitze seines Schaffens kennengelernt habe.

@pinball-wizard
es gibt keinen einfachen weg hinein in den sun-ra-kosmos, fürchte ich. man braucht schon ein minimum an beschäftigung mit einem konzept, einer haltung, zu der gerade gehört, dass es keine konsistenz und keine geschlossenheit gibt. deshalb haben für mich auch diese kompilationen (wie die GREATEST HITS, die @friedrich nennt) nie funktioniert, weil sie mich völlig orientierungslos machen angesichts von zeit und idee der jeweiligen aufnahme.

die grobe einteilung nach den historischen home bases des arkestras (chicago 1956-61, new york 1961-68, seitdem philadelphia) funktioniert so halbwegs, weil es vor ort immer andere verknüpfungen mit verschiedenen szenen gab:

das chicagoer arkestra war einerseits eine hart an komplizierten arragements arbeitende big band, die zumindest zeitweise versucht hat, an entsprechende jazztraditionen anzuknüpfen, andererseits aber immer den geruch der etwas schäbigen, rotlichigen, queeren orte an sich haften hatte, an denen sie hauptsächlich aufgetreten ist (aber auch das ist ja eine entertainment-tradition von frühen big bands). sun ras spezielle kosmologie, die ein imaginäres altägypten an weltraum-utopien anband (gemeinsamer nenner: es gibt auf der erde aktuell keinen ort, an dem schwarze kreative (schwule) personen „richtig“ wären) führte zu immer stärkerem einbezug von „afrikanischer percussion“, die aber eigentlich mehr mit exotica à la les baxter zu tun hatten als mit tatsächlichen musiktraditionen aus westafrika o.ä. (auch das markiert ja die haltung, das man sich immer etwas anderes für sich vorstellt als den aktuellen konkreten lebensort) – was dann in den aufnahmen zu ziemlich einzigartigen ergebnissen führte (JAZZ IN SILHOUETTE ist dabei besser an hard bop anschließbar, THE NUBIANS OF PLUTONIA ist aber für mich der unbedingte anspieltipp für die spezifischen arkestra-exotica).

in new york gab es dann, auch weil es mit der jazzszene nie klappte, eine starke anbindung an die off-off-theaterszene, an frühe downtown-subkulturen (greenwich village in den frühen 60ern) und an frühaufrührerische universitäts-programme. da sun ra gleichzeitig (seiner zeit in richtung space age um ein paar jahre voraus) mit aufnahmetechniken und früher musikalischer elektronik spielte, sind die aufnahmen sehr experimentell und „free“. sie sind fast ausschließlich im kollektiv bewohnten haus entstanden (mit ausnahme der live-aufnahmen von den college tours, u.a. NOTHING IS) und alles andere als eingängig. während dieser zeit ist aber auch das live-show-konzept entstanden, z.t. mit kontakten zu den bürgerbewegten musik- und theaterprogrammen (black arts, amiri baraka), inklusive filmprojektionen, tanz, theatralischen saxofonduellen, weltraumakkorden, feuerschluckern etc. das funktionierte auf den college-touren wie beim regelmäßigen montagsauftritt im slug’s (bis zur schließung 1972, ab 1968 von philadelphia aus, das arkestra war eine pendler-band). und das slug’s-engagement war meiner ansicht nach auch dafür verantwortlich, dass es wieder eine anbindung an die jazzszene gab (dort gingen ja viele musiker hin, auch wegen der anwesenden dealer), die das arkestra vorher ignorierte, obwohl es ein integraler bestandteil der october revolution war (aber als bunte theatertruppe musikalisch eben nicht ernstgenommen wurde). wichtige aufnahmen aus der new yorker zeit sind THE MAGIC CITY und ATLANTIS, aber auch die HELIOCENTRIC WORLDS.

der umzug ins (für sun ra unerträgliche) philadelphia fiel dann zusammen mit ersten buchungen aus europa (da war u.a. joachim ernst behrendt ganz weit vorne, der die erste europa-tour überhaupt mitfinanzierte, das arkestra kam damals zwischen paris und london auch nach donaueschingen und ins völlig überforderte berlin), dem tatsächlich ersten besuchen in ägypten, und dem impulse-deal (das arkestra war plötzlich an beginnende hippiebewegungen und spirituellen pop anschlussfähig, sun ra war visiting lecturer in berkeley usw.). die tänzerin und sängerin june tyson hatte großen anteil daran, dass sich das arkestra mehr richtung soul entwickelte, die show stimmte natürlich immer noch, also gibt es seitdem hauptsächlich live-aufnahmen, mit einigen schrägen seitenbewegung richtung disco und disney. ich habe allerdings noch keinen wirklichen überblick über das, was da alles zusammenkam, was parallel in studiosessions entstand (da gibt es z.b. ziemlich tolle aufnahmen in kleinen besetzungen, trio und quartett) – und auch nicht, wie sich die live-bands durch die musiker veränderten, die für bestimmte zeiten dazukamen (ahmed abdullah z.b., crag harris, julian priester u.a.). SPACE IS THE PLACE und LANQUIDITY sind hier ganz wichtige aufnahmen, aber auch ASTRO BLACK.

man kann sich ja auf der bandcamp-seite gut umhören, aber ein einheitliches bild wird sich nie ergeben, so viel ist sicher. ;-)

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