Antwort auf: Umfrage: Die besten Jazz Alben

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01. Bill Evans Trio – Waltz for Debby
02. Bill Evans / Jim Hall – Undercurrent
03. Miles Davis – Workin‘ with the Miles Davis Quintet
04. Charles Mingus – Blues & roots
05. Kenny Burrell – Midnight blue
06. Miles Davis – Kind of blue
07. The Horace Silver Quintet – Song for my father
08. Jimmy Smith – The sermon!
09. Bill Evans Trio – Sunday at the Village Vanguard
10. Miles Davis – Cookin‘ with the Miles Davis Quintet

11. Miles Davis – Steamin‘ with the Miles Davis Quintet
12. Tiny Grimes – Blues groove
13. Thelonious Monk – Straight, no chaser
14. The Dave Brubeck Quartet – Time out
15. Cannonball Adderley – Somethin‘ else
16. Sonny Rollins – Saxophone colossus
17. Sonny Clark – Cool struttin‘
18. Art Blakey and the Jazz Messengers – Moanin‘
19. Bill Evans Trio – Explorations
20. Miles Davis – Relaxin‘ with the Miles Davis Quintet

21. Sonny Rollins – Sonny Rollins Vol. 2
22. Charles Mingus – Mingus Ah Um
23. Sonny Rollins – The bridge
24. The Incredible Jimmy Smith – Midnight special
25. Tiny Grimes – Callin‘ the Blues
26. Sonny Clark – Leapin‘ and lopin‘
27. Hank Mobley – Workout
28. John Coltrane – My favorite things
29. Ike Quebec – Blue and sentimental
30. The Incredible Jimmy Smith – Back at the chicken shack

31. Grant Green – Idle moments
32. Lee Morgan – The sidewinder
33. The Horace Silver Quintet – Blowin‘ the Blues away
34. Thelonious Monk – Monk’s dream
35. Sonny Rollins – Sonny meets Hawk!
36. Duke Ellington – Money jungle
37. Lee Morgan – City lights
38. Jimmy Raney – A
39. The Incredible Jimmy Smith – Home cookin‘
40. Grant Green – Street of dreams

41. Sonny Rollins – Movin‘ out
42. Sonny Rollins – Work time
43. Jimmy Raney – Jimmy Raney feat. Bob Brookmeyer
44. Lennie Tristano – Lennie Tristano
45. John Coltrane – Giant steps
46. Kenny Dorham – Quiet Kenny
47. The Horace Silver Quintet – 6 pieces of Silver
48. Sonny Clark – Sonny Clark Trio
49. Hank Mobley – Hank Mobley QUartet
50. Sonny Rollins – Sonny Rollins Vol. 1

Gut, dann fange ich nochmal von vorne an … sind ja Ferien hier :-) ( :bye: @pipe-bowl)

Bill Evans – hier solltest Du unbedingt „Portrait in Jazz“ nachholen, das noch fehlende Album des Trios mit Scott LaFaro und Paul Motian. Vielleicht ist das mein liebstes der vier Alben, es war aber auch das erste, das ich kennenlernte. Schon das Cover ist eine Ansage: bleicher weisser Nerd, gekoppelt mit dem Titel … aber gut, von den Vieren ist wohl jeweils gerade dasjenige das schönste, das läuft. Ansonsten kannst Du bei Evans natürlich noch lange weitermachen, z.B. mit den Alben „Everybody Digs Bill Evans“ von direkt vor dem Trio mit LaFaro/Motian, oder mit den Alben des Nachfolgetrios mit Chuck Israels am Bass, „Moonbeams“, „How My Heart Sings“, beide 1962 – alle drei auch Riverside). Dann gibt es bei Verve einige sehr feine Alben, z.B. „California, Here I Come“ mit Philly Joe Jones am Schlagzeug, wie Evans mehrfach gesagt hat sein Lieblingsschlagzeuger (was wiederum jene überraschen dürfte, die Evans für ein ephemeres Phänomen halten), oder das Live-Album aus Montreux, davon gibt es noch zwei weitere, aber das erste – einst das einzige mit dem Trio Eddie Gomez/Jack DeJohnette – ist sicherlich das beste. Die Diskographie dieses Trio ist neulich durch zwei Releases des Verdienstvollen Labels Resonance massiv gewachsen („Some Other Time – The Lost Session from the Black Forest“ und „Another Time – The Hilversum Concert“). Bei Verve ist auch noch ein Album mit Jim Hall erschienen, „Intermodulation“, aber auch sonst noch einiges schönes. Wenn Du Evans zur Abwechslung mit Band hören willst, bietet sich z.B. „Quintessence“ an, mit Harold Land (ts), Kenny Burrell (g), Ray Brown (b) und Philly Joe, oder „Crosscurrents“, mit Lee Konitz (as), Warne Marsh (ts), Eddie Gomez (b) und Eliot Zigmund (d) (beide Fantasy, späte 70er – ansonsten sind die Fantasy-Alben eher erst an der Reihe, nachdem Du Riverside, Verve und das letzte Trio – zum dem komme ich gleich noch – ausgeschöpft hast). Letzteres war die Rhythmusgespann vor dem letzten Trio von Evans (davor viele Jahre Eddie Gomez/Marty Morell, da böte sich allenfalls auch Resonance an, „Evans in England“ dokumentiert einen frühen Gig der drei im Ronnie Scott’s, dem legendären Jazzclub in London), mit dem er nochmal ein ganz neue Energielevel erreichen sollte. Da sind v.a. umfangreiche Live-Aufnahmen greifbar, am tollsten ist wohl die 6-CD-Box „Turn Out the Stars“ (Warner, rec. 1980), es gibt aber auch zwei Volumen von „The Paris Concert“ (Elektra, später auf zwei Blue Note CDs).

Und wo ich gerade Jim Hall erwähnte, ich finde es immer wieder krass, mir vor Augen zu halten, was der damals alles machte: Mitte der Fünfziger beim ersten Chico Hamilton Quintet (wenn Du das Fass „West Coast Jazz“ öffnen willst – würde ich nicht umgehend tun, kann auch gut sein, dass das eher nicht so Dein Fall ist – könnest Du ja mal meine alten StoneFM-Sendungen ausgraben als erste Orientierungshilfe), dann mit den Jimmy Giuffre 3 (und da würde ich „The Jimmy Giuffre 3“ auf Atlantic mal antesten, für was ganz anderes, aber am Ende auf seine Art ebenso funky wie das Horace Silver Quintet, das zeitgleich seinen urbanen Funk zelebrierte, Giuffre ist quasi das rurale Gegenstück, es gibt da auch Titel wie „In the Barn“ und das passt schon), später spielte er auf den ersten Studio-Alben von Paul Desmond (der mit Brubeck den Deal hatte, nicht mit anderen Pianisten zu arbeiten, also leitete er Quartette mit Gitarre, es gibt vier RCA-Alben mit Hall, die alle wunderbar sind), später beim 1962er Comeback von Sonny Rollins (das Du ja in Deiner Liste hast, „The Bridge“), daneben Studioaufnahmen mit Bob Brookmeyer (darunter „Traditionalism Revisited“ von 1957 mit den ganzen Giuffre 3, ein Schlüsselalbum des West Coast Jazz). Aber Hall blieb noch sehr lange aktiv, es gibt aus den späteren Jahren z.B. sein Trio-Album „Live“ auf A&M, oder das Konzert mit Charlie Haden aus Montréal 1990, das viel später (2014) herauskam … und von damals gäbe es „Jazz Guitar“, von dem es aber leider nie eine schlaue CD-Veröffentlichung gab (ich habe die Gambit-CD, dem Label will man kein Geld verschaffen, aber es ist in diesem Fall wohl die beste Wahl).

Was soll ich zu Miles Davis sagen? Es fehlt „Milestones“, das ich wunderbar finde, das aber zwischen den vier Prestige-Alben und dem zugehörigen ersten Columbia-Album „Round About Midnight“ (das fehlt ja auch noch!) und „Kind of Blue“ gerne etwas untergeht. Ev. könntest Du ergänzend mal die Alben mit Gil Evans antesten („Miles Ahead“, „Porgy & Bess“, „Sketches of Spain“), mal „E.S.P.“ anhören und gucken, ob das „second quintet“ was für Dich ist (da ginge es mit „Miles Smiles“, „Nefertit“ und „The Sorcerer“ weiter, und wenn das alles passt, allmählich rüber ins Elektrische mit „Filles de Kilimanjaro“, „In a Silent Way“, „Bitches Brew“ …)

Charles Mingus ist natürlich grossartig, aber seine Sachen entwickeln sich im Lauf der Sechziger allmählich hin zu immer freieren Klängen, was wohl bisher noch nicht Deins ist? Teste vielleicht mal „Charles Mingus Presents Charles Mingus“ (Candid, 1960) mit Eric Dolphy, oder das orchestrale Meisterwerk „Black Saint and the Sinner Lady“ (Impulse, 1963), bei dem Mingus als Komponist/Bandleader seinem Übervorbild Duke Ellington so nahe kommt, wie sonst wohl nie. Auf jeden Fall passten müsste „East Coasting“ (Bethlehem, 1957), für Mingus‘ Verhältnisse ein sehr lyrisches Album, auf dem Bill Evans Klavier spielt. Aus derselben Zeit auch „Tijuana Moods“ (RCA, davon ist die beste Ausgabe die „Bluebird First Editions“-Doppel-CD, da sind die ganzen Sessions in gutem Klang drauf, bei der RCA Victor Gold Edition hat man was weggelassen, und klanglich ist sie wohl auch nicht ganz so gut).

Kenny Burrell hat mit „Midnight Blue“ einen Blue Note-Klassiker gelandet, ansonsten aber eher nicht DAS Album gemacht, sondern ganz viel, als Leader und als Sideman, z.B. die frühe Session mit Coltrane, „The Cats“ (Prestige, 1957), oder auch ein co-led Album, „Burrell/Coltrane“ (Prestige, 1958 – dass die beiden in der Ära der LP-Twofer gekoppelt wurden, passt sehr gut). Von seinen Alben finde ich „At the Five Spot Café“ sehr schön, da ist mit Tina Brooks eine verschüttete, aber wunderbare Stimme des Hard Bop zu hören (die – erweiterte, bei einer Live-Aufname ist das besonders wertvoll – CD stammt aus den späten 80ern, ich glaub es gab da seltsamerweise nie ein späteres Reissue). Ansonsten hast Du Burrell ja auch als Sideman mit Jimmy Smith in der Liste. Wenn Dir die Miles-Alben mit Gil Evans zusagen, könntest Du mit „Guitar Forms“ (Verve, 1964/65) weitermachen, dem orchestralen Album von Burrell mit Evans-Arrangements. Oder mit den „Ellington Is Forever“-Sessions von 1975 (zwei Doppel-Alben bzw. zwei gut gefüllte CDs). Mit Evans kannst Du auch in den Orgeljazz jenseits von Smith einsteigen, doch dazu später noch was …

Dass Horace Silver einschlug, hatte ich ja neulich schon mitgekriegt. Da fehlt v.a. mal „Horace Silver & the Jazz Messengers“ mit den ersten Aufnahmen der Combo von 1954, an die dann mit den beiden „At Cafe Bohemia“ angeknüpft werden kann (Du hast die Messengers minus Trompete auf #49 ja auch schon in der Liste, ist natürlich ein anders geartetes Album, aber dieselbe Band). Da sind wir dann auch bei Art Blakey, von dem die zwei „A Night at Birdland Vol 1“ (1954) auch grosse Klassiker sind, besonders weil da Clifford Brown an der Trompete ausgiebig zu hören ist, ein phantastischer Musiker, der 1956 bei einem Autounfall viel zu früh ums Leben kam (zu ihm gleich noch ausführlicher). Bei Blakey könntest Du mit BN-Alben wie „A Night in Tunisa“ (1960, das gleichnamige VIK/RCA-Album von 1957 ist übrigens auch super!), „Mosaic“ oder besonders „Free for All“ weitermachen – letzteres ist von 1964 und hat so viel Feuer, wie auch bei Blakey selten (ist bei mir aber eins der früh gehörten Jazz-Alben und hat daher gegenüber fast allen anderen einen Vorsprung).
Das „Jazz Messengers“-Album von 1956 auf Columbia wäre ein weitere Anknüpfungspunkt an die Messengers , da ist nicht mehr Kenny Dorham an der Trompete dabei sondern Donald Byrd, von dem wir es neulich auch mal hatten (Da warst Du auch an der Diskussion beteiligt, ja?) – bei ihm könnest Du z.B. mit „Free Form“ (wunderbare Band mit Herbie Hancock und Wayne Shorter) weitermachen, oder mit „The Cat Walk“ und „Royal Flush“ (beide mit Pepper Adams), oder auch mit dem späteren „Mustang“. Das sind alles BN-Alben, ein weiteres – und eine Art Genre-Klassiker, was „with voices“ angeht – ist „A New Perspective“ von 1963, auf dem Byrd neben einer Combo einen kleinen Chor aufbot. Da gibt es politisch expliziteres (von Max Roach und Andrew Hill etwa), aber ich mag das Album hie und da sehr gerne hören.
Bei Silver könntest Du mit „The Stylings of Silver“ (1957), „Finger Poppin'“ (1959), „The Tokyo Blues“ (1962) oder „Silver’s Serenade“ (1963) weitermachen – die letzten drei präsentieren das langjährige Quintett (Du kannst es auf den älteren Aufnahmen von „Song for My Father“ noch hören), das später von dessen Trompeter Blue Mitchell übernommen wurde, der für Blue Note ein paar weitere Alben machte (mit Chick Corea am Klavier und Al Foster am Schlagzeug, „The Thing to Do“ und „Down with It“ sind wunderbare Alben, die etwas unter dem Radar fliegen, auch beide bei Blue Note, 1964 bzw. 1965).
Clifford Brown/Max Roach – beide Namen sind gerade gefallen. Das Max Roach Quintett – er bot dem jungen Trompeter die Co-Leadership an und heute kennt man die Combo in der Regel als Brown/Roach Quintet, obwohl Roach/Brown korrekter wäre – war neben dem Miles Davis Quintet (und neben den Messengers natürlich) diejenige Combo, die den Hard Bop wie keine andere zu einer vielfältigen Spielweise ausformulierte, nicht ohne Sophistication. Unbedingter Anspieltipp ist „Study in Brown“ (Mercury 1955, mit Harold Land, den ich oben bei Evans erwähnte), ein weiterer wäre „At Basin Street East“ (Mercury 1956 – kein Live-Album), da ist dann Sonny Rollins an Bord, der mit Brown kongenial funktioniert. Roach machte nach dem Tod zweier Bandkollegen (im Auto, das Browns Frau steuerte, sass auch Richie Powell, der Pianist der Combo, übrigens der jüngere Bruder von Bud Powell, den ich auch noch erwähnen muss) weiter, zunächst im Trio, weil halt nur noch Rollins, der Bassist George Morrow und Roach selbst da waren – ich bin nicht ganz sicher, ob Rollins seine Inspiration, im Trio aufzutreten, von dort hatte, aber zeitlich würde es genau in den Ablauf passen – auch dazu unten mehr. Roach selbst nahm weiterhin u.a. für Mercury feine Alben auf, 1960 folgte mit „We Insist! Freedom Now Suite“ (Candid, 1960) ein Kulminationspunkt – auch hier wieder ein Album, auf dem Cover das schon eine Ansage ist: es zeigt Schwarze beim „sit in“, dass es auf demselben, vom Kritiker und Bürgerrechtler Nat Hentoff (ein Weisser) gegründeten Label wie „Mingus Presents Mingus“ erschien, war auch kein Zufall, Mercury wollte diese Musik nicht herausbringen, und als Columbia später eine Neuauflage herausbrachte, war das Cover durch ein nettes Portrait von Roach am Schlagzeug ersetzt worden …) – auf der Freedom Now Suite wirkt mit Coleman Hawkins ein illustrer Gast mit – zu dem ich auch gleich nochmal komme.

Jimmy Smith – ich versuch mich etwas kürzer zu halten, pardon: hier würde ich als nächstes mal eine Trio-Aufnahmen antesten, z.B. „Crazy! Baby!“ von 1960 oder noch besser „Groovin‘ at Small’s Paradise“, die Live-Aufnahmen von 1957, die in der RVG Edition als Doppel-CD greifbar ist – grossartige Aufnahmen, auf denen Smiths Spiel für meine Ohren noch wilder klingt als fast immer, wenn er im Studio aufgenommen hat.

Und dann komme ich via Tiny Grimes (der hat nicht so viel aufgenommen, das von Dir gelistete Album ist ein Ausnahmealbum! Es gibt von 1944 aber eine Studio-Session, bei der ein gewisser Charlie Parker – wohl zum ersten Mal mit einer Combo im Studio – mitwirkt) zum gerade erwähnten Coleman Hawkins: dieser hat ja quasi im Alleingang das Tenorsaxophon als Jazzinstrument etabliert, blieb aber bis in die frühen Sechziger hinein wach, verfügte über ein musikalisches Wissen und Talent, das es ihm erlaubte, mit Beboppern zu spielen (er war auch der erste, der Monk anheuerte, es gibt auch eine Studio-Session aus den Vierzigern). Du könnest z.B. mit „The Hawk Flies High“ (Riverside 1957) weitermachen, da ist neben Kenny Burrell auch der Trompeter Idrees Sulieman dabei (der mit Burrell und Coltrane auf „The Cats“ spielt), zudem J.J. Johnson, der die Posaune Bebop-tauglich machte, der elegante Pianist Hank Jones (Bruder von Elvin of Coltrane Quartet fame), Oscar Pettiford am Bass (er, Ray Brown und Mingus sorgen dafür, dass der Bass mit einem Jahrzehnt Verspätung auch noch endgültig im Modern Jazz ankam) und der Veteran Jo Jones am Schlagzeug (20 Jahre früher erfand er in der Rhythmusgruppe der Count Basie Big Band einen ganz neuen, flüssigen Swing, 1960 nahm er auch mal mit Mingus auf). Hawkins/Burell gibt es auch auf „Soul“ (Prestige, 1958), auf „Hawk Eyes“ (Prestige 1959) ist wieder Tiny Grimes dabei, ganz grossartige finde ich „Night Hawk“ (Prestige 1960), auf dem Hawkins mit seinem Schüler Eddie „Lockjaw“ Davis in den Ring steigt – am Klavier Tommy Flanagan, der auf dem schon erwähnten „The Cats“ der heimliche Bandleader war. Mit Flanagan am Klavier hatte Hawkins seine letzte wirklich fabelhafte Band, zu hören besonders auf „Today and Now“ (Impulse 1962). Hawkins nahm für Impulse auch ein wunderbares Combo-Album mit Duke Ellington auf.

Und zu Duke Ellington muss ich auch rasch kommen – als Nachtrag zu Charles Mingus und Max Roach: dieses Trio nahm nämlich 1962 das famose Album „Money Jungle“ auf (auf CD wesentlich erweitert, zum Glück!) – unbedingte Empfehlung, auch um Ellington den Pianisten ausgiebig zu hören, in seiner ganzen Schrulligkeit, die durchaus auf Monk vorausweist (auch wenn man natürlich sagen kann: klar, 1962 hatte Ellington ja schon jahrelang Zeit gehabt, Monk zu hören – aber das ist absurd, das hatte Ellington nicht nötig). Auf die Big Bands (Basie erwähnte ich ja gerade) gehe ich aber hier nicht ein, ist bei Dir ja nicht im Fokus und würde den Rahmen endgültig sprengen.

Thelonious Monk ist passenderweise gerade der nächste Name in Deiner Liste. Ich würde da ganz entschieden zu einer ausführlichen Entdeckungstour in die Riversidejahre – und wenn Du damit klarkommst bzw. schon etwas tiefer drinsteckst, die Blue Note und Prestige-Phasen – raten! „Straight No Chaser“ steht ja ganz am Ende der etwa zwei Jahrzehnte umfassenden Hochphase Monks, „Monk’s Dream“ steht dabei ganz am Anfang des letzten Kapitels (der Verfestigung auf Columbia). Tipps: „Brilliant Corners“ (1956 mit Rollins, Roach, Pettiford und Ernie Henry bzw. später Paul Chambers und Clark Terry für Pettiford/Henry), „Monk’s Music“ und „Monk with Coltrane“ (die ganzen Sessions gibt’s auf der Doppel-CD „The Complete April/July 1957 Riverside Recordings with John Coltrane“), „Misterioso“ und „Thelonious in Action“ (Live-Aufnahmen von 1958 mit Johnny Griffin), „The Thelonious Monk Orchestra at Town Hall“ (1959, das erste und beste Album von Monk mit etwas grösserer Band) und „Thelonious Alone in San Francisco“ (das vielleicht schönste Solo-Album, von 1959). Ergänzend unbedingt das Carnegie Hall-Konzert von Monk/Coltrane (Blue Note, rec. 1957), und wenn’s von Columbia mehr sein soll, als nächstes „Criss Cross“, das Partner-Album von „Monk’s Dream“. Und „Paris 1954 – The Centennial Edition“, die erweiterte Ausgabe des ersten Solo-Albums, das auch das schönste ist, klar (die anderen fallen aber dann wirklich etwas ab im Vergleich).

Dave Brubeck – da kannst Du fast ewig weiterhören – was ich phasenweise gerne mache, besonders wegen Paul Desmond (siehe auch oben unter Jim Hall), dem ich an manchen Tagen endlos lauschen mag. Besonders schön finde ich „Jazz Impressions of Japan“ (1964), aber auch „Time Further Out“ (1961), der Nachfolger von „Time Out“, ist wunderbar. Das Quartett lieferte auch live ab – z.B. auf den früheren „Jazz at Oberlin“ oder „Jazz at the College of the Pacific“ (zwei Volumen, alle drei Fantasy 1953), noch mit der Vorgänger Rhythmusgruppe. Superb ist auch „At Carnegie Hall“ von 1963, erst vor ein paar Jahren erschien zudem „Their Last Time Out – The Unreleased Live Concert, December 26, 1967“ (beides Doppel-CDs, beide Columbia/Sony).

Auch bei Cannonball Adderley kannst Du nach Lust und Laune weiterhören … „Somethin‘ Else“ ist wunderbar, aber zugleich ein verkapptes Miles Davis-Album. Mit Adderley geht es bei Riverside so richtig los, gerne hat er seine Working Band – in der Bruder Nat stets mitwirkte – live aufgenommen, z.B. auf „In San Francisco“ (1959 mit Bobby Timmons) oder „Cannonball in Europe!“ und „Nippon Soul“ (1962 bzw. 1963 mit Yusef Lateef und Joe Zawinul). Ein späterer Klassiker ist „Mercy Mercy Mercy“ (Capitol 1966, live im Studio mit geladenen Gästen), natürlich besonders wegen Joe Zawinuls Titelstück.

Bei Sonny Rollins war ich oben schon (im Zusammenhang mit Roach/Brown und Monk) – ein grossartiger Musiker, von dem Du gleich ein paar Alben in der Liste hat, darunter auch welche, die da vermutlich wieder herausfallen (bzw. nach unten rutschen), wenn Du weiterhörst (ich meine v.a. die im letzten Zehnerblock). Unbedingte Empfehlung für: „Sonny Rollins Plus 4“ (Prestige 1956 – eigentlich das späte Roach/Brown Quintett), „Tenor Madness“ (Prestige 1956 mit der Davis-Rhythmusgruppe Garland/Chambers/Philly Joe sowie auf dem Titel John Coltrane als Gast), „Way Out West“ (Contemporary 1957 – Trio mit Ray Brown und Shelly Manne), „A Night at the Village Vanguard“ (Blue Note 1957, Trio mit Wilur Ware und Elvin Jones bzw. auf zwei Stücken Donald Bailey und Pete La Roca, also nicht der Donald Bailey, der bei Jimmy Smith fast immer am Schlagzeug sitzt, komplett gibt’s die Aufnahme auf einer RVG Doppel-CD, auf LP erschienen insgesamt drei Teile), „Freedom Suite“ (Riverside 1958 – Trio mit Pettiford und Roach, die ja auch auf Monks „Brilliant Corner“ mit Rollins zu hören sind). Wenn Du bei den RCA-Alben noch anknüpfen möchtest, wäre die Combo mit Don Cherry einen Versuch wert, das geht aber auch in Richtung Avantgarde, die Stücke dauern auch mal eine halbe Stunde oder länger: die Sessions für das RCA-Album „Our Man in Jazz“ wurden von einem Bootleg-Label komplett herausgegeben („Sonny Rollins Quartet with Don Cherry – Complete Live at the Village Gate 1962“, Solar) und sind unfassbar toll. Den Post-RCA-Rollins – vielleicht mit Ausnahme der Impulse-Alben – würde ich eigentlich erst dann anpacken, wenn Du davor praktisch jeden Ton hast.

Die Diskographie von Sonny Clark als Leader ist ja überschaubar, die drei meiner Meinung nach besten hast Du schon, das 2-CD mit dem Time-Album und zusätzlichen Takes wäre ev. eine nächste Station, oder aber Sideman-Aufnahmen (von denen Du mit dem Album „Blue and Sentimental“ von Ike Quebec ja auch schon eins der schönsten in der Liste hast), etwa „Born to Be Blue“ und „The Complete Quartets with Sonny Clark“ von Grant Green (ersteres mit Ike Quebec), oder Johnny Griffin mit „The Congregation“ (ihn habe ich oben bei Monk schon empfohlen, neben dem gerade genannte BN-Album wären „JG Sextet“ und „Way Out!“, beide 1957 auf Riverside, nächste Stationen, oder die Combo mit Eddie „Lockjaw“ Davis, den ich bei Hawkins nannte, mit „Tough Tenor“ oder „Lookin‘ at Monk“, Riverside bzw. Jazzland, ein Riverside-Sublabel). Clark könntest Du zudem auf „Go!“ und „A Swingin‘ Affair“ von Dexter Gordon (da sind wir wieder bei Blue Note) hören.

Art Blakey habe ich oben bei Silver vorgezogen … dass Tiny Grimes gleich nochmal auftaucht, hatte ich bisher übersehen – auch schön, klar! Der nächste neue Name ist dan Hank Mobley, der natürlich oben bei den Messengers dabei ist … bei ihm kannst Du eigentlich kaum was falsch machen, die BN-Alben aus den 50ern sind allerdings leider nicht so weit verbreitet (es gab da eine jahrelang erhältliche Mosaic-Box und wohl deshalb kaum RVG-Reissues), erwähnswert ist u.a. sicher „Hank Mobley & His All-Stars“ (1957, die Messengers aber mit Milt Jacksons Vibraphon statt einer Trompete), „Hank Mobley Quintet“ (1957, die Messengers aber mit Art Farmer an der Trompete, der ja bei Silver auch rasch auftauchte, vgl. „The Stylings of Silver“). Neben „Work Out“ sind aber „Soul Station“ und „Roll Call“ die anderen grossen Klassiker, alle mit Wynton Kelly am Klavier, das erste im Quartett, das zweite mit der Trompete von Freddie Hubbard. Auch „No Room for Squares“ (1963) und „The Turnaround“ (1963/65) sind sehr empfehlenswert, da wirken u.a. Lee Morgan, Freddie Hubbard und Andrew Hill mit.

John Coltrane taucht bei Dir recht spät auf – das ist wohl von dem Weg her, den Du gerade nimmst, verständlich … sein Name fiel ja schon ein paar Mal, weitermachen kannst Du mit den anderen Atlantic-Alben mit derselben Band (die Sessions vom Oktober 1960), also „Coltrane Plays the Blues“ und „Coltrane’s Sound“), dann ev. mal „Olé“ von 1961 antesten, da wirkt Eric Dolphy mit (vgl. Mingus), der 1961 zur Band Coltranes gehörte. Eher in die konventionelle Hard Bop-Richtung kannst Du mit den unzähligen Prestige-Alben weitermachen, allen voran „Traneing In“, „Soultrane“ und „Settin‘ the Pace“, alle drei mit dem Red Garland Trio, aber auch z.B. mit den erwähnten „The Cats“ oder „Burell/Coltrane“, oder mit „Lush Life“ oder auch dem sehr schönen Debut „Coltrane“.
Wenn Du nach vorn gehen willst, quasi von „Kind of Blue“ aus weiter, so ist „A Love Supreme“ von 1964 der Kulminationspunkt, mit dem diese Spielart des Jazz gewissermassen vollendet wurde. Davor liegen z.B. „Coltrane“ (Impulse 1962) oder die Live-Aufnahmen aus dem Village Vanguard von Ende 1961 (gibt gesammelt als Vierer-Box), aber auch eine Begegnung mit Duke Ellington, ein Balladen-Album, „Live at Birdland“ (das im letzten Drittel Studio-Aufnahmen enthält, darunter mit „Alabama“ eine der berührendsten Performances von Coltrane, gewidmet den Opfern des feigen Bombenanschlags auf eine Kirche, bei dem vier junge Mädchen umgebracht wurden) und das überirdisch schöne (und auch bei Zweifeln als Einstieg naheliegende!) „Crescent“, das ein halbes Jahr von „A Love Supreme“ entstand. Danach brach Coltrane zur Avantgarde durch, das Thema lassen wir mal beiseite.

Bei Ike Quebec ist der Fall glaube ich klar, da kannst Du generell jedes der BN-Alben mitnehmen, das Dir über den Weg läuft, viele sind es ja nicht. Ganz so super wie „Blue and Sentimental“ sind die anderen schon nicht, aber alle sind wunderschön (siehe auch unter Sonny Clark oben).

Mit Grant Green taucht dann neben Burrell der nächste grosse Hard Bop-Gitarrist auf … er hat für Blue Note haufenweise aufgenommen, ich erwähnte unter Sonny Clark oben schon eine Doppel-CD (die drei enthaltenen Alben kamen damals wohl wegen Überproduktion gar nicht erst heraus, ebensowenig das auch bei Clark erwähnte „Born to Be Blue“. Andere Anspieltipps: „Talkin‘ About Grant Green“ (das erste mit Larry Young und Elvin Jones, nur im Trio), „Matador“ (mit McCoy Tyner) … und auch hier, wie bei Burrell, geht die Tür zum Orgeljazz jenseits von Jimmy Smith auf, ich komme noch dazu!

Von Grant Green zu Lee Morgan, das passt, denn der nächste Morgan-Tipp ist „Search for the New Land“ von 1964 mit Wayne Shorter, Herbie Hancock und Green. „The Gigolo“ (1965, auch mit Shorter) wäre ein weiterer, und „The Procrastinator“ von 1967 mit Shorter, Bobby Hutcherson und Hancock) der nächste (oder vielleicht auch der allererste).

Dass Du mit „A“ von Jimmy Raney noch einen superben Gitarristen in der Liste hast, ist schön! Das ist die kühle Schule, die der langen Linien und des virtuosen Gitarrenspiels (die Green, der Blues-Riffer, ja nicht gerade verkörpert, obwohl singende Linien konnte er auch fabelhaft), da könntest Du mal bei Tal Farlow weitermachen („The Swinging Guitar of Tal Farlow“ von 1956 mit dem tollen Pianisten Eddie Costa). Bei Raney selbst bietet sich „Visits Paris Vol. 1“ an, eine frühe Aufnahme mit Sonny Clark (Vogue 1954), v.a. seien Dir aber die Aufnahmen mit Stan Getz ans Herz gelegt, am besten gleich die 3-CD-Box „The Complete Roost Recordings“ suchen (müsste machbar sein mit etwas Geduld), da ist die komplette Live-Aufnahme aus dem Storyville in Boston das Herzstück, Getz, Raney und Pianist Duke Jordan funktionieren perfekt zusammen. „Stan Getz Plays“ (Verve) von derselben Combo hat bei mir nie im gleichen Mass gezündet, ist aber auch nicht übel.

Und wenn wir bei den kühlen Gitarristen sind, ist der Weg zu Lennie Tristano, sowieso der nächste neue Name in der Liste, nicht weit. In dessen Band wirkte mit Billy Bauer der „Vater“ dieser Gitarrenspieler mit. Er hat nur ein Album als Leader gemacht, „Plectrist“ (es gab mal ein CD-Reissue). Da könntest Du mit „Subconscious-lee“ (Prestige/New Jazz 1949/50) weitermachen, läuft unter Lee Konitz, Bauer und Tristano sind dabei, ebenso der vierte aus dem damals engen Bunde, Warne Marsh (ts), dann die Keynote-Aufnahmen von Tristano (im Trio mit Bauer, 1946/47, auf der CD „The Complete Keynote Recordings (The Essential Keynote Collection 2)“) und besonders die Capitol-CD „Intuition“, die die ersten freien (abstrakten, keine Fire Musick wie in den 60ern) Improvisationen enthält, neben Leader Tristano auch mit Konitz, Marsh und Bauer. Da ist dann noch ein Album von Marsh mit Ted Brown, einem weiteren kühlen Tenorsaxer mit drauf, auch schön.

Und da fällt mir im Hinblick auf Tal Farlow noch ein: Red Norvo, der Vibraphonist, leitete um 1950/51 herum ein tolles Trio mit Farlow und keinem geringeren als Charles Mingus am Bass. Gesammelt sind die Aufnahmen (nebst der berühmten Norvo-Session, bei der Dizzy Gillespie und Charlie Parker mitwirkten, 1949) auf der Doppel-CD „The Modern Red Norvo“ (Savoy).

Und jetzt kommt noch Kenny Dorham – wunderbar! Der Mann löste in der Combo von Charlie Parker einst einen gewissen Miles Davis ab, spielte dann mit den Jazz Messengers (siehe oben unter Silver und Blakey), nahm als Leader aber etwas weniger auf, als er hätte sollen … erste und ganz dicke Empfehlung: „‘Round About Midnight at the Cafe Bohemia“ (RVG 2 CD von Blue Note) mit seinen kurzlebigen Jazz Prophets, in denen der kantige Tenorsaxer J.R. Monterose und der Pianist Bobby Timmons mitwirkten, als Gast ist Kenny Burrell dabei. Wunderbar stimmugnsvolle Live-Aufnahmen von 1956. „Whistle Stop“ von 1961 (mit Hank Mobley) sowie die insgesamt fünf Alben mit Joe Henderson (1963/64), alles Blue Note, wären die nächsten Stops, von letzteren besonders „Our Thing“, „Page One“ (beide unter Henderson) sowie „Una Mas“ (unter KD). Da öffnet sich die Pforte zum wiederholten Mal in Richtung „Blue Note Avantgarde“, dazu komme ich gleich noch …

Jetzt bin ich mit den 50 durch, habe schon ein paar weitere Türen geöffnet … und davon kommen jetzt, aus dem Fortspinnen des obigen, noch ein paar mehr.

Wenn wir’s von Thelonious Monk haben, sollte auch der Name Bud Powell mal noch fallen, er war der genialste Pianist des Bebop, wie Monk im älteren Pianospiel verankert, von einer Virtuosität, die neue Masstäbe setzte. Die klassischsten Aufnahmen sind die ersten zwei LPs auf Blue Note, „The Amazing Bud Powell“ Vols. 1 & 2. Auf ersterer ist auch die phänomenale Trio-Session zu hören, bei der Bud mit Max Roach (und dem Bassisten Curly Russel) das Stück „Un poco loco“ spielt. Es gibt RVG-CDs von diesen Aufnahmen, dicke Empfehlung (auf Vol. 1 ist auch die Quintett-Session mit Sonny Rollins und dem kurz danach verstorbenen Trompeter Fats Navarro dabei, die ich als eine Art Proto-Hard Bop höre, auf Vol. 2 gibt es das Trio mit George Duvivier/Art Taylor und Aufnahmen von 1953). Ebenfalls super sind der Live-Mitschnitt mit Coleman Hawkins aus Essen (jüngst in der WDR Jazzline-Reihe wieder erschienen, bei mir in Form einer älteren Black Lion CD da – eigentlich waren das die Oscar Pettiford All-Stars mit Powell und Drummer Kenny Clarke, zu denen als Gast Hawkins stösst), und „APortrait of Thelonious“ (Columbia 1961), eine Hommage an Monk im Trio mit Pierre Michelot/Clarke. Diese Trio, das damals in Paris länger zusammenpsielte, war als „The Three Bosses“ bekannt und ist mit Dexter Gordon auf dessen BN-Klassiker „Our Man in Paris“ zu hören.

In Sachen Jazzgitarre gibt es bei Dir momentan eine sofort ersichtliche Leerstelle: Wes Montgomery – und das nehm ich im Zweifelsfall gerne auf meine Kappe, denn ich propagiere ihn hier zu selten, zu zurückhaltend. Er ist aber phänomenal, hat jedoch nicht die grosse Reihe von BN-Klassikern oder sonst ein so geschlossenes Werk hinterlassen wie etwa Green (aber der ist unter den Gitarristen damit wohl auch der einzige, Burrells Werk ist ja auch total zerstreut). Montgeomery nahm allerdings lange für Riverside auf, wechselten dann zu Verve, wo eher grössere Projekte umgesetzt wurden. Ein paar Tipps: „The Incredible Jazz Guitar of Wes Montgomery“ (Riverside 1960, Quartett mit Tommy Flanagan), „Full House“ (Riverside 1962, live mit Johnny Griffin – siehe oben – und dem Wynton Kelly Trio), „The Dynamic Duo“ (Verve 1966, mit Jimmy Smith, es gibt noch ein Nachfolge-Album, „Further Adventures of Jimmy Smith and Wes Montgomery“, auf beiden gibt es Combo-Tracks und welche mit grosser Band, arrangiert von Oliver Nelson), besonders warm empfehlen möchte ich aber von den Verve-Alben „Smokin‘ at the Half Note“ mit dem Wynton Kelly Trio, grossteils Live aufgenommen. Einen guten Überblick – mit den kompletten Half Note-Aufnahmen – bietet die Doppel-CD „Impressions: The Verve Jazz Sides“.

Dann fehlt die Posaune fast völlig – mit Bob Brookmeyer ist ausgerechnet einer vertreten, der die Ventilposauen spielt. Das Instrument ist bei Jazzfans nicht annähernd so beleibt wie die Trompete oder das Saxophon, dennoch gibt es ein paar hervorragende Leute, die zu entdecken sich lohnt. Der Namen J.J. Johnson fiel bereits, da wäre z.B. „Live at the Opera House“ (Verve 1957) von Stan Getz/Johnson eine Option, oder die zwei RVG-CDs mit Johnsons drei 10″-Alben für Blue Note („The Eminent“ Vols. 1 & 2), eines mit Clifford Brown, eines ohne weitere Bläser mit Wynton Kelly und Mingus, und das dritte schliesslich mit Mobley, Silver und Paul Chambers – Kenny Clarke ist bei allen dreien am Schlagzeug dabei. Die erstklassigen Columbia-Alben sind leider nicht so einfach zu kriegen (ich habe die Mosaic-Box mit den gesammelten Aufnahmen, eine meiner liebsten), aber als Alternative ist z.B. „What’s New – The J.J. Johnson Quintet Live in Amsterdam – Jazz at the Concertgebouw“ vom niederländischen Jazzarchiv eine Möglichkeit. Johnson blieb bis in den 90er hinein aktiv, „Standards – Live at the Village Vanguard“ wäre da eine Empfehlung (rec. 1988).
Dann Curtis Fuller, der auf „Blue Train“ von Coltrane (dicke Empfehlung, hab ich oben vergessen, Lee Morgan ist auch dabei!) mitspielte, und auf Vol. 3 von Bud Powells Blue Note-Reihe, und auch bei Jimmy Smith auftauchte, und damit der einzige Posaunist ist, der mit den dreien aufgenommen hat … seine BN-Alben sind sehr schön, auf „The Opener“ ist Mobley dabei, „Bone & Bari“ und „Two Bones“ sind für BN-Verhältnisse beide aussergewöhnlich, auf ersterem ist Fuller an der Seite des Baritonsaxophonisten Tate Houston, auf zweiterem an der Seite des Posaunisten Slide Hampton zu hören – beide nahmen für BN nicht oder kaum auf, der grosse Fuller-Klassiker ist aber „Blues-Ette“ (Savoy 1959) mit Benny Golson (er spielt auf Blakeys „Moanin'“ mit und ist wunderbar) und Tommy Flanagan.
Da ich Slide Hampton gerade erwähnte: er leitete um 1960 herum ein Tentett, eine im Jazz keinesfalls verbreitete Besetzung, in dem einige hervorragende Leute mitwirkten, u.a. in verschiedenen Phasen Freddie Hubbard, Booker Little und Richard Williams (t), George Coleman (ts) und Pete La Roca (d). „Sister Salvation“ auf Atlantic ist wohl der grosse Klassiker (da ist wohl die Fresh Sound Doppel-CD ein guter Einstieg: „The Slide Hampton Octet – Somethin‘ Sanctified / Sister Salvation / Live at Birdland“).
Das könnte noch eine weile weitergehen, z.B. mit Bennie Green, der Gemütsmohre (sagt man das in DE auch?), die bei Blue Note ein paar Alben aufnahm – aber belassen wir’s mal dabei.

Dann die Orgel, der Orgeljazz – ein grosses Fass. Jimmy Smith ist dabei wohl eher die Ausnahme, der grosse Virtuose, der nicht nur durch den Chitlin Circuit tingelte sondern es auch mal in renommierte Clubs oder gar auf grosse Bühnen schaffte. Jack McDuff wäre mal wer zum antesten, z.B. „The Honeydripper“ (Prestige 1961, es gibt ein RVG-Remaster) mit Jimmy Forrest (ts) und Grant Green (g) oder der CD-Twofer „Crash!“ mit Kenny Burrell (und dem Tenorsaxer Harold Vick, der übrigens auch ein einziges BN-Album gemacht hat, das sehr gut ist), oder der CD-Twofer „Live!“ mit Red Holloway (ts) und George Benson (g). McDuffs Drummer war meist Joe Dukes, ein beidhändiger Drummer, der die Hände auch irgendwie unabhängig voneinander einsetzen kann, was manchmal ziemlich verblüffende Effekte erzeugt. McDuff tauch auch auf einem ungewöhnlich besetzten BN-Album auf „Grantstand“ von Grant Green mit Yusef Lateef am Tenorsax (McDuff und Lateef gehörten nie wirklich zum BN-Kern).
Richard „Groove“ Holmes (er wird bei den Beastie Boys genamedroppt bzw. gesampelt) ist ein anderer Orgelgigant, z.B. zusammen mit Gene Ammons auf „Groovin‘ with Jug“ (Pacific Jazz 1961, „Jug“ war Ammons‘ Übername), oder auf „Groove“ mit keinem geringeren als Ben Webster (ts).
Von Johnny „Hammond“ Smith wären meine erste Empfehlungen wohl die CD-Twofer „Black Coffee“ und „Open House“, da wirken u.a. Houston Person oder Seldon Powell (ts) mit, an der Gitarre meist Eddie McFadden, der auch bei Smith zu hören ist („Groovin‘ at Small’s Paradise“, meine dickste Empfehlung).
Auch Blue Note hatte neben Smith weitere Organisten unter Vertrag, Larry Young hatten wir oben ja schon, auch er ein Ausnahmemusiker – da ist „Unity“ mit Joe Henderson, Woody Shaw und Elvin Jones die ganz dicke Empfehlung neben den Alben mit Grant Green. Aber da war auch noch Big John Patton, der auf seinem Debut „Along Came John“ mit Fred Jackson und Harold Vick gleich zwei der besten Orgeljazz-Tenorsaxer versammelte, der mit Grant Green und Ben Dixon eine phänomenale Band formierte, die als Trio aber auch als Begleitcombo für andere superb war. Auf „Let ‚em Roll“ ist neben Green auch Bobby Hutcherson am Vibraphon dabei, Otis „Candy“ Finch sitzt am Schlagzeug, auf „Got A Good Thing Goin'“ auch wieder Green, zudem Hugh Walker (d) und ein Tamburin …
Mit Freddie Roach und Baby Face Willette hatte BN noch zwei weitere gute Organisten am Start. Letzterer hat nur wenige Aufnahmen gemacht, Grant Green ist zweimal als Sideman dabei („Face to Face“ mit Fred Jackson am Tenorsax und Ben Dixon am Schlagzeug ist vielleicht das allerbeste Orgeljazz-Album, das zweite, „Stop and Listen“ ist dann im Trio mit Green und Dixon, und von ebendiesem Trio gibt es auch noch Greens „Grant’s First Stand“, auch sehr schön). Roach war ein eher leiser Musiker, der zwei Alben als Sideman mit Ike Quebec machte, aber auch als Leader ein paar schöne, u.a. „Down to Earth“ (mit Percy France, den Du auf Smiths „Home Cookin'“ hörst, auch Kenny Burrell ist hier mit dabei) und „Brown Sugar“ (mit Joe Henderson).
Ach ja, Reuben Wilson und Lonnie Smith (der Dr., der Turbanator, nicht mit dem Pianisten/Keyboarder Lonnie Liston Smith zu verwechseln) haben ja auch noch für BN aufgenommen … die zwei von letzterem, „Think“ und „Turning Point“ sind bei super, Lee Morgan spielt auf beiden mit (1968 bzw. 1969). Wilsons bestes ist wohl „Love Bug“ (ebenfalls mit Morgan, Grant Green sowie George Coleman am Sax) – oder ist es „Blue Mode“ mit einer weniger illustren Band (beide 1969)?

Zuletzt noch: die sogenannte Blue Note Avantgarde: Free Jazz ist bisher nicht Deins, muss es auch nie werden, das ist völlig okay. Die Grenzen sind aber fliessend, mit Coltrane oder auch Cecil Taylor haben zwei der zentralen Exponenten quasi an von den Rändern des Hard Bop zur Avantgarde gefunden (andere Free Jazzer gingen aber eher direkt dorthin oder nahmen ganz andere Wege). Bei Blue Note gab es in den Sechzigern eine Reihe von Leuten, die sich regelmässig an den Grenzen bewegten, dabei aber eine Art lyrische Avantgarde verkörperten. Wenn Du z.B. mit Joe Henderson (siehe oben unter Kenny Dorham) oder Wayne Shorter (er spielt in second quintet von Miles und bei einigen der Blakey-Alben, die ich oben empfahl) warm wirst – von letzterem wären „Speak No Evil“, „JuJu“ oder „Adam’s Apple“ mögliche Anspieltipps -, wenn Dir „Unity“ von Larry Young gefällt, bist Du schon wenigstens mit einem Fuss drin. Weiter könnte es da z.B. mit dem Altsaxophonisten Jackie McLean gehen, der von Monk protegiert wurde, mit Miles usw. spielte, sich dann aber etwas weiter bewegte als z.B. Hank Mobley oder Lee Morgan, mit denen er oft zusammen zu hören ist. Da wären Alben wie „Let Freedom Ring“ (1962), „Right Now“ (1964), „Action“ (1965) oder die gemeinsam mit dem Posaunisten Gracham Moncur III und dem Vibraphonisten Bobby Hutcherson entstandenen „One Step Beyond“, „Destination Out“ (beide unter McLean) und „Evolution“ (unter Moncur, zusätzlich mit Lee Morgan, alle drei von 1963) sehr empfehlenswert, von Moncur gibt es noch ein zweites auf BN, „Evolution“, auf dem Shorter und Hancock zu hören sind. Bobby Hutcherson hat als Leader auch ein paar superbe BN-Alben gemacht, allen voran würde ich „Stick Up!“ mit Henderson (ts) oder „Happenings“ und „Oblique“ (beide im Quartett mit Hancock) aus den Jahren 1966/67 empfehlen.
Auf Hutchersons Debut „Dialogue“ ist neben Freddie Hubbard auch Sam Rivers am Tenorsax dabei, der auch als Leader bei BN vertreten ist („Fuchsia Swing Song“ mit dem Pianisten Jaki Byard, der zur selben Zeit auch mit Mingus spielte), aber auch der Pianist Andrew Hill, dessen grosser BN-Klassiker „Point of Departure“ ist, auf dem Kenny Dorham, Joe Henderson und Eric Dolphy als Bläser mitwirken. Hill hat aber auch ev. zugänglichere Alben gemacht, z.B. „Judgment“ mit Hutcherson, Richard Davis am Bass und Elvin Jones am Schlagzeug). Erich Dolphy selbst hat mit „Out to Lunch“ nur ein BN-Album gemacht, das aber auch Klassikerstatus hat – mit Hubbard (t), Hutcherson (vib), R. Davis (b) und Tony Williams (d), dem Schlagzeuger des „second quintet“ von Miles Davis, der davor mit Rivers und McLean gespielt hatte, im Alter von 16 oder 17 Jahren … Freddie Hubbard gehört eher wieder zum Hard Bop als in diese Ecke hier, aber bei ihm war alles drin, er spielte auch bei richtig heftigen Free Jazz-Aufnahmen mit („Ascension“ von Coltrane, 1965 auf Impulse), machte als Leader aber ein paar wunderbare BN-Alben, allen voran für mich „Open Sesame“, sein Debut, mit Tina Brooks am Sax (ich erwähnte ihn oben schon, auf seinem wichtigsten Album „True Blue“ wirkt Hubbard dann auch wieder als Sideman mit).

Das ist jetzt erschlagend, aber Du hast ja hoffentlich noch viel Zeit und Lust, diese Spuren, oder wenigstens die eine oder andere zu verfolgen …

In den Ring werfen kann ich noch viel mehr, z.B. fehlen die Alben von Herbie Hancock, der mit „Maiden Voyage“, mit den gerade erwähnten Hubbard und Williams, auch an der Grenze des Hard Bop kratzt, lyrischer Modal Jazz wohl, aber diese Etiketten sind ja auch nicht immer erhellend …, oder ich könnte – da es mir das Instrument besonders angetan hat – noch weitere Tenorsaxer erwähnen: Stanley Turrentine (auch ein Blue Note-Hausmusiker), Yusef Lateef (geboren noch in den 20er, arbeitete sich vom Bebop bis zur Avantgarde vor), Benny Golson (wir hatten ihn kurz, er leitete mit Art Farmer die superbe Combo „The Jazztet“) …

Auch andere Instrumentalisten fehlen noch völlig, etwa Gigi Gryce, der Altsaxer, der u.a. mit Art Farmer spielte und zusammen mit Richard Williams (Mingus nannte ihn seinen Lieblingstrompeter, leider ist das in Sachen Aufnahmen nicht ordentlich dokumentiert) ein feines Quintett leitete, oder der Trompeter Booker Little, dem man u.a. bei Eric Dolphy und Max Roach begegnet …

Pianisten gäbe es natürlich auch noch zu erwähnen, für Dich könnte z.B. Horace Parlan ein passender Mann sein (er hat u.a. auch mit den Stanley Turrentine aufgenommen unter beider Namen – Roach ist da ein Bindeglied in der Geschichte) … und von dort könnte ich zu Booker Ervin schwenken, noch einem heissen Tenorsaxer, der um 1959 herum bei Mingus auftauchte und später für Prestige, Pacific Jazz und Blue Note ein paar wunderbare Alben machte …

Und von Ervin könnte ich zu Randy Weston überleiten, dem mir so lieben Pianisten, der neben Abdullah Ibrahim (Dollar Brand) viel für die Vermählung von afrikanischer Musik und Jazz getan hat, bei dem eben u.a. auch Ervin als Sideman auftaucht, aber auch Coleman Hawkins oder Johnny Griffin, die wir oben schon hatten, oder der Trompeter Ray Copeland, den Weston wie auch Monk als für ihre Musik perfekten Trompeter engagierten.

Es geht immer weiter …

zuletzt geändert von gypsy-tail-wind

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