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… und noch ein Nachtrag in Sachen Technik: ich denke, es ist eine grosse Illusion, der Ansicht zu sein, es gebe im Jazz Leute, die technisch nicht ganz so super sind. Jeder von denen, die da im Verdacht sind, würden jeden von uns bei einer Jam Session kreuzweise an die Wand nageln, nicht nur, weil sie die ganzen Kniffe und Tricks kennen und ihre Licks eingeübt haben, sondern einfach, weil sie verdammt gut sind. Beim Musikhören stellt man ja permanent Vergleiche an, aber ich denke die ganzen Einstufungen von „scheisse“ bis „unfassbar“ bewegen sich, im Vergleich mit der kompletten Skala, in aller Regel wohl dann so zwischen 8 bis 10, wenn 10 das Maximum ist. Drunter dringt in der Regel nicht bis in die Öffentlichkeit vor (okay, die Saxophonistin „Grace Kelly“ mag eine Ausnahme sein, aber das ist wohl alles planwirtschaftlich durchgetaktet – jemand anderes fällt mir da wirklich nicht ein … und nein, Kenny G. ist kein Jazzmusiker).
Also nein, natürlich suche ich nicht nach der perfekten Technik, ich halte obendrein auch die legendären Blue Note-Platten selten für perfekt und denke, dieser Ruf hat mehr mit dem Image, der Legende, die später um das Label entstand, zu tun – und natürlich damit, dass manch andere Label, allen voran Prestige, wirklich schlampig produzierten (Riverside oder Contemporary aber hatten wohl Standards, die denen von BN vergleichbar waren, bloss gibt es da halt keinen Mythos, der besser ist als die Realität). Das Ding ist aber, dass die Meisterschaft (auch in technischer Hinsicht) halt auch durchschimmert, wenn jemand zurückhaltender agiert … man nehmen einen Wayne Shorter oder Joe Henderson, bei denen so oft deutlich wird, dass sie sich bewusst einschränken – das Potential schwingt dabei immer mit, auch wenn sie die einfachsten, melodischen Phrasen spielen. Miles Davis wäre da natürlich auch ein gutes Beispiel, Kenny Dorham auf jeden Fall auch … es gibt dann auch noch die Kunst das Schwierige einfach klingen zu lassen – aber um das auch nur erahnen zu können muss man sich dann wohl schon selbst wenigstens als Dilettant mit den handwerklichen Aspekten des Musizierens befasst haben (und kann es auch dann nur beurteilen, wenn man ganz konkret weiss, wie gewisse Instrumente funktionieren, wie Tonarten auf Instrumenten unterschiedlich schwierig sind usw.)
Was ich sagen will: ich denke, eine auf Technik beschränkte Diskussion führt überhaupt nirgendwohin, denn sie ist immer nur Mittel zum Zweck, mehr kann sie eigentlich ja auch gar nicht sein, es sei denn es geht um „clinics“, wo irgendwer die verschiedensten Arpeggi im Höllentempo und chromatisch hoch- und wieder runterbetet … aber sowas hören wir ja nicht zum Vergnügen
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