Antwort auf: Ich höre gerade … Jazz!

#10894629  | PERMALINK

gypsy-tail-wind
Moderator
Biomasse

Registriert seit: 25.01.2010

Beiträge: 68,342

Ende Woche kamen die letzten zwei Abo-CDs von Intakt … eher durchschnittlich dieses Jahr, finde ich, aber die Speed neulich und jetzt dieses „Taschentrio“ von Formanek (so very practical ist das mit dem Kontrabass aber gewiss nicht) sind schon ziemlich schön. Lief gestern spät zum ersten Mal. Mary Halvorson gefällt mir hier jedenfalls ausserordentlich gut, sie spielt oft halb-akustisch, streut ein paar Effekte ein (z.B. hört man den verstärkten Ton manchmal mit recht grosser Verzögerung, quasi als Echo), sie dehnt die Töne und erreicht so eine eigenwillige Intonation. Tim Berne, ich muss es so blöd sagen, klingt nirgends so sonnig und aufgestellt wie hier (bei ihm, bei aller Wertschätzung, kriege ich immer Angst, gleich in eine Depression zu schlittern) … Formanek selbst ist Anker, Drehscheibe, gleichberechtigter Partner – etwas mühsam ist aber, dass man ihn oft laut atmen hört.

Jetzt eine endlich legalisierte Scheibe. Bin ja nicht der grosse Phil Woods-Fan, aber einiges hat sich schon angesammelt über die Jahre – ein paar der ganz frühen Sachen, wo er noch uneingeschränkt super ist (die Aufnahmen mit Jon Eardley von 1954/55, das Album mit John Williams 1955 – die kriegt man aktuell auf einem Freshsound-Twofer, wenn man nicht die vergriffenen Fantasy-CDs suchen will), „Sugan“ (mit Ray Copeland und Red Garland) ist auch super (habe ich bisher nur als Kopie, muss ich wohl auch mal noch ändern) … dann die spät-60er „European Rhythm Machine“-Aufnahmen (das ist das Trio von Gruntz-Texier-Humair, das mächtig Feuer macht, es gibt wohl auch die Version mit Beck statt Gruntz, aber ich habe nur zwei Alben mit Gruntz) … dann steht hier die Mosaic-Box (stets mit dem Rhythmustandem Steve Gilmore/Bill Goodwin, das lange Jahre mit Woods spielte) mit Aufnahmen aus den Jahren 1976/77 (Mike Melillo), 1981 (Hal Galper), 1984 (Tom Harrell, Galper), 1991 (Hal Crook, Jim McNeely) und 1992 (Brian Lynch, McNeely) … und natürlich darf „The Rev and I“ nicht fehlen, ein spätes Blue Note-Album mit Johnny Griffin (1998, Cedar Walton, Peter Washington und Ben Riley sind auch dabei, Goodwin als Gast auch noch) … das Candid-Album von 1961 stellt den Kontext her zu Woods dem (phänomenalen!) Lead-Altsaxer in Big Bands – diesen Job hatte er in der feinen Band von Quincy Jones inne und von dort kommt grösstenteils auch das Personal, das mit ihm die Suite einspielte, die zwar auf Stravinsky anspielt und im letzten fünften Teil auch „Rites of Spring“ zitiert, aber dennoch waschechten Jazz bietet und keinesfalls ein Third Stream-Experiment darstellt: Benny Bailey (t), Curtis Fuller (tb), Julius Watkins (frh), Sahib Shihab (bari), Tommy Flanagan (p), Buddy Catlett (b), Osie Johnson (d). Im letzten Stück sind Willie Dennis (tb) und Granville Hogan (d) anstelle von Fuller und Johnson zu hören. (Das Tenorsax auf dem Cover ist Fake, ein solches hört man hier nicht, nur Alt von Woods und Bari von Shihab.)

--

"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #164: Neuheiten aus dem Archiv, 10.6., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba