Antwort auf: John Coltrane

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Coltrane auf Prestige (Kürzestfassung)

 
:: Leader ::

Die drei Alben mit dem Red Garland Trio – Traneing In, Soultrane und Settin‘ the Pace – sind sicherlich die Highlights … das Debut, Coltrane, ist aber auch schön, auf den „gestückelten“ findet sich manch gutes (Lush Life, The Believer, The Last Trane – v.a. letzteres mochte ich als einzelnes Album immer total gerne, auf ersterem ist der Titeltrack supberb, auf dem mittleren gibt es nochmal Garland und Byrd und obendrein ein tolles Stück von Cal Massey, von dem auf dem Debut auch schon was zu finden ist, der Opener nämlich). Black Pearls ist faszinierend und ziemlich düster, nicht unbedingt für den Alltagsgebrauch. Etwas müde fand ich im Vergleich immer die letzten Coltrane-Sessions für Prestige, v.a. die mit Wilbur Harden-Session auf Prestige, die mit Freddie Hubbard ist besser, aber der war 1958 noch nicht so richtig interessant, musste noch ein paar Jahre reifen … in Sachen Coltrane mit Wilbur Harden (bzw. umgekehrt) seien aber ergänzend zu den Prestige-Aufnahmen unbedingt die Savoy-Sessions empfohlen, die gesammelt auf einer Doppel-CD wieder aufgelegt wurden (davor wohl zwei einzel und eine Doppel-LP, wenn man alles will).

 

:: Jam Sessions & Sideman-Aufnahmen ::

The Cats finde ich superb – Idrees Sulieman kriegt man selten so gut, Doug Watkins, Louis Hayes und der Session-Leiter Tommy Flanagan sind super, Kenny Burrell neben den zwei Bläsern ein weiterer hervorragender Solist … Ergänzend zu „The Cats“ ist Burrell & Coltrane sehr fein, es gibt auch ein wundervolles Duo der zwei Co-Leader (die zwei Alben kamen passenderweise in der Twofer-Zeit in den 70ern auch als DoLP heraus).

Super ist die Sessions mit Frank Wess und Paul Quinichette, Wheelin‘ and Dealin‘ und die Hälfte von The Dealers, wo in den „battles“, die sehr freundlich sind, in der Regel Wess obsiegt, ein toller Musiker, den man leider abseits von der Count Basie-Band nicht allzu oft zu hören kriegt in der Zeit. Mal Waldron war da nominell der Leader, für die andere Hälfte von „The Dealers“, die der Session entstammt, die auf Mal-2 zu finden ist, passt das denn auch eher (bei den drei Tenören war er halt der Arrangeur/Komponist, wie bei vielen Prestige Jam-Sessions, auch z.B. mit Gene Ammons). Interplay for 2 Trumpets and 2 Tenors präsentiert nochmal Sulieman und den Kornettisten Webster Young (dessen Leader-Album „For Lady“, mit Quinichette, der ja mit Lady Day spielte, wärmstens empfohlen sei!) sowie Coltrane, Burrell an der Gitarre und als zweiten Saxophonisten den Belgier Bobby Jaspar, der damals noch etwas gehärtet werden musste, um im US-Umfeld zu bestehen (er spielte im Quintett von J.J. Johnson und anhand der vorliegenden Aufnahmen kann man den raschen Entwicklungsprozess, den er in den ersten Monaten in den USA durchmachte, nachvollziehen), das Album ist aber (auch wieder wegen Taylor und wohl auch weil Chambers statt Watkins am Bass mitwirkt) etwas fahriger.

Eher etwas enttäuschend – nicht wahnsinnig kohärent – fand ich stets Dakar, das Treffen mit den zwei Baritonsaxophonisten Cecil Payne (spielt schon auf dem Debut „Coltrane“ mit) und Pepper Adams. Auch Tenor Conclave (Coltrane, Hank Mobley, Zoot Sims, Al Cohn) finde ich etwas gar fahrig, zudem ist dort Art Taylor im Beschleunigungsmodus (wird in fast jedem Stück schneller und macht manchmal den Groove kaputt).

Cattin‘ with Quinichette mag ich total gerne, es ist aber nicht immer gleich gut (Quinichette ist manchmal von den Stücken und den Changes von Mal Waldron, der auch hier wieder der heimliche Leader war, etwas überfordert) – aber ich kann’s nicht helfen, ich mag die Session sehr.

Dann ist da noch die grosse (oder waren’s zwei?) Session mit Red Garland, die auf vier LPs erschien, All Mornin‘ Long, Soul Junction, High Pressure und Dig It!. Letzteres wurde mit einem Trio-Track sowie „C.T.A.“ angefüllt, dem einzigen Track mit Coltrane von Art Taylors Album „Taylor’s Wailers“ (Donald Byrd, Jackie McLean und Charlie Rouse speielen auf dem Rest, ich finde den Nachfolger „Taylor’s Tenors“ mit Frank Foster und Rouse wohl besser weil geschlossener/dichter).

Auch auf einer der vielen Jam Sessions von Gene Ammons taucht Coltrane auf, sie erschien auf den LPs Groove Blues und The Big Sound. Interessant ist, dass Coltrane da am Altsaxophon zu hören ist, anscheinend ein spontaner Einfall (ich glaub, es war gar nicht vorgesehen, dass er an den Sessions mit wirkt, die mit Jerome Richardson, Paul Quinichette und Pepper Adams schon prominent besetzt waren, als heimlicher Leader wirkte erneut Waldron mit … Ira Gitler hatte glaube ich – vielleicht ist das auch nur ein Mythos, müsste ich in Ruhe daheim nachsehen – sein Altsaxophon dabei und Coltrane spielte dann auf diesem … nicht bei allen Stücken, was aber auch für die anderen Bläser gilt, von denen Richardson hier übrigens nur an der Flöte zu hören ist).


 
:: Sideman auf anderen Labeln ::

Um den Rundumschlag zu schliessen: die Aufnahmen mit Ray Draper (eins auf Prestige, das eigentlich in den letzten Absatz gehört, und ein besseres zweites auf Roulette) finde ich immer noch etwas schwierig, weil Draper die Tuba einfach nicht vollends beherrschte damals und sie nicht so recht zum Tanzen bringt (das geht, schon, doch doch: Howard Johnson, Michel Godard, Bob Stewart, in jüngerer Zeit auch Theon Cross) – der Vorbehalt gilt auch für die Aufnahmen, die Draper wenig später mit der Gruppe von Max Roach machte, auch wenn man diese, besonders „Deeds, Not Words“, schon hören muss.
Die Aufnahmen mit Art Blakey für Bethlehem kann man wohl als Fussnote betrachten, in Coltranes wie in Blakeys Diskographie (es gibt sie komplett auf einer Doppel-CD von Rhino/Avenue Jazz).
Unter den Tenor-Sessions ist dann noch Johnny Griffin mit seinem Blue Note-Album A Blowin‘ Session zu erwähnen, wo nicht nur der Leader, Hank Mobley und Coltrane liefern sondern der noch sehr junge Lee Morgan dagegenhält und die Rhythmusgruppe (Wynton Kelly, Paul Chambers, Art Blakey) eine ziemlich heisse Suppe kocht … Morgan war auf „Blue Train“ dabei, und davor gab es ja noch eine Blue Note-Session mit Coltrane, nämlich Sonny’s Crib vom Pianisten Sonny Clark, die ein wenig wie ein Warm-Up zu Coltranes Meisteralbum wirkt (gleiche Besetzung, aber Donald Byrd, Clark und Art Taylor wurden durch Morgan, Kenny Drew und Philly Joe Jones ersetzt, während die Pianisten sich nichts schenken, liefern die anderen beiden neuen doch deutlich stärkere Beiträge ab und eine Rhythmusgruppe mit PJJ ist bei einer solchen Combo mit Bläsern halt einfach besser als eine mit AT – da mögen die Meinungen auseinandergehen, aber in diesem Fall ist das Clark-Album einfach schön, das Coltrane-Album aber eins, das fast alle anderen – letzlich auch die allermeisten Prestige-Alben von Coltrane – in den Hintern tritt).
1958 wirkte Coltrane auch auf dem Titelstück des Albums New York, N.Y. (Decca) von George Russell mit und spielt ein tolles Solo, dann ist er auf Hard Driving Jazz (aka „Stereo Drive“ aka „Coltrane Time“) von Cecil Taylor zu hören, einem United Artists-Album, bei dem eine ziemlich unpassende Combo zusammengestellt wurde, mit Coltrane (der für Taylor noch längst nicht reif war), den viel konservativeren Kenny Dorham, Chuck Israels und Louis Hayes.
Kurz nachdem es im Januar 1959 mit „Bags & Trane“ (wo, wie ich die Tage schon mal schrieb, die Bonustracks, die auf der B-Seite der LP „Coltrane Legacy“ erschienen – und in „The Heavyweight Champion“ der Session zugeordnet sind –, zu den stärksten Nummern zählen) los ging, wirkte Coltrane bei einem Album des Miles Davis Sextett ohne den Leader mit, das auf Cannonball Adderleys damaligem Label Mercury erschien als „Cannonball Adderley Quintet in Chicago“ (später aka „Cannonball & Coltrane“). Für Fans der beiden ist das ein Leckerbissen, auch wenn es wenig mit der sublimen Musik zu tun hat, die das MD Sextett in jener Zeit machte („Milestones“, die 1958er Studio-Session, die ohne ihren besten Track auf der Hälfte von „Jazz Track“ erschien, und dann auch „Kind of Blue“, das vor ziemlich genau 60 Jahren entstand).

EDIT: ich hab die Sideman-Aufnahmen mit Tadd Dameron und Elmo Hope vergessen – letzere ist eine mässig tolle Jam-Session, bei der auch Hank Mobley mitwirkt, erstere („Mating Call“) kommt zwar mit seltsamer Band daher (John Simmons am Bass kommt aus dem Swing, Dameron am Klavier aus dem Bebop, Coltrane und Drummer Philly Joe Jones aus dem Hard Bop), aber bis dahin ist es vielleicht die tollste Session, wenigstens was den Ton von Coltrane angeht. Er klingt hier total gut!

Und auch vergessen habe ich die Aufnahmen mit Paul Chambers – neben dem guten Blue Note-Album Whims of Chambers (Byrd, Burell, Horace Silver) wirkte Coltrane auch bei einem Quartett-Album mit (Chambers, Kenny Drew, Philly Joe), das ziemlich gut ist, ebenso bei einer abgebrochenen/nicht erfolgreichen Transition-Session (u.a. mit Pepper Adams), von der es nur drei Stücke gibt. Das gab es gesammelt (ich glaube von „Whims“ fehlte was) mal auf einem Chambers/Coltrane Brown-Bag-Twofer und später zusammen mit Chambers‘ beiden weiteren Blue Note-Alben auch auf einer „Mosaic Select“ 3-CD-Box.

Und wenn ich schon dabei bin: die grössten Fortschritte als Musiker machte Coltrane 1957, nach seinem Rauswurf bei Miles Davis, dank Thelonious Monk. Er wirkt auf dem Riverside-Album „Monk’s Music“ mit, auf „Monk/Coltrane“ (Jazzland) und einem Track, der im Rahmen der „Thelonious Himself“-LP enstand (Trio mit Wilbur Ware). Das alles wurde vor ein paar Jahren auf einer Doppel-CD gesammelt (auf dem Cover Coltrane am Altsax von der Ammons-Session, da hat jemand jemandem ins Hirn geschissen, aber das kommt halt vor) … dann kam vor einigen Jahren ein sensationeller Fund zum Vorschein, nämlich das Quartett in der Carnegie Hall (Blue Note CD, Mosaic LP, letztere sicherlich vergriffen). Ein Mitschnitt von 1958 erschien früher schon als „Discovery!“ mit falschem Line-Up und falscher Geschwindigkeit, korrigiert wurde das für die 4-CD-Box mit Monks kompletten Blue Note-Aufnahmen
(und ist wohl anderswo bis heute nicht in korrekter Laufgeschwindigkeit und mit korrekten Angaben greifbar, ev. auf einem PD-Reissue, aber um die scher ich mich nicht auch noch).

Damit sind dann aber wohl wirklich alle Aufnahmen von Coltrane (abseits von den Columbia-Sessions mit Miles Davis, die ja schon gegen Ende der Prestige-Zeit wieder anlaufen) aus der Zeit von 1956 bis 1958 abgehandelt … ein paar (die klassischen Miles Quintett-Alben und „Blue Train“) nur kurz erwähnt, aber die kennt ja eh jedes Kind ;-)

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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #160: Barre Phillips (1934-2024) - 11.2., 22:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba