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bullschuetz
pfingstluemmel
pheebeeWenn hier aber mit Vorurteilen wie Faulheit, Oberflächlichkeit bzw. einer Art Fastfood-Mentalität umhergeworfen wird, trifft das auch nicht im Ansatz den Kern.
Schubladi, Schublada, Brother!
Ein Deeskalationsversuch meinerseits (…) : Ich will Dir keine Faulheit und Oberflächlichkeit unterstellen (…), denn die Tatsache, dass du alle möglichen Informationsquellen nutzt, um neue Musik zu entdecken, und obendrein noch in diesem Forum diskutierst, weist dich ja eher als Musiknerd aus und nicht als Fastfoodjuenger.
Man sollte halt zwischen dem Verhalten und dem Hörer unterscheiden: Das kurze Reinhören und Scannen ist naturgemäß schnell und oberflächlich, aber der Hörer muss deshalb kein oberflächlicher Fastfoodjünger sein. Der kann ja auch anders. Das Leben ist halt kurz und das Angebot groß, deshalb soll es manchmal schnell und einfach gehen.
Bei diesem „Scannen-und-Skippen“ geht es ja nur um die Frage: Könnte mir das etwas taugen? Nicht zufällig hat sich eine Metapher aus dem Tierreich dafür eingebürgert: Passt das in mein „Beuteschema“? Da verhält man sich erstmal als Konsument zum Musikangebot. Mit einer Kunstbetrachtung hat das nichts zu tun: Da würde man versuchen, den Anforderungen gerecht zu werden, die das jeweilige Musikstück an die Hörer stellt. (Zum Beispiel: Wenn man sich von Haus aus nicht für Songtexte interessiert, aber gerade Musik aus einem Genre hört, in dem die Texte wichtig sind, muss man sie wohl oder übel wichtig nehmen, wenn man es ernst meint. Oder wenn es in der Musik um eine Entwicklung oder einen allmählichen Aufbau geht, dann muss man sich eben die Zeit nehmen, das mitzuverfolgen.) Das sind zwei grundverschiedene Verhaltensweisen, aber jeder von uns beherrscht beide und verhält sich mal auf die eine, mal auf die andere Weise.
Man sollte sich aber damit abfinden, dass man nicht alle Alben hören, nicht alle Bücher lesen und nicht alle Filme sehen kann, die potentiell interessant wären. Sonst hat man nämlich vor lauter Reinschnuppern und Antesten keine Zeit mehr für den Kunstgenuss. Dass man Dinge verpasst, ist unvermeidlich; die 1000 Dinge, die immer noch auf einen warten, muss man einfach mal vergessen können. Und es stimmt auch: Als Hörer, Leser oder Betrachter bringen einen manchmal gerade die Werke weiter, die einen anfangs irritieren, mit denen man nicht gleich etwas anfangen kann. Wer persönlich weiterkommen will, muss sich auch mal Herausforderungen stellen, statt sich immer nur am Vertrauten zu erfreuen.
bullschuetzMeine – nur mal so dahingedachte, nicht in Stein gemeißelte – kulturpessimistische These, der gerne widersprochen werden darf, ist eher allgemein zu verstehen: Skip- und Scan-Tools wie „30 Sekunden reinhoeren“ könnten eventuell dazu führen, dass Musikstücke, die auf diese Form der schnellen Vorselektion (die in vordigitalen Zeiten so nicht verfügbar war) hin konzipiert sind, einen musikdarwinistischen Evolutionsvorteil erringen gegenüber Stücken, die sich nicht so schnell erschließen. Und das Schrumpfen des Intros (siehe den Anfang dieses Threads und den dort verlinkten Text) könnte ein Indiz dafür sein, dass sich die Architektur von auf einen breiten Markt zielenden Popsongs bereits verändert hat, um in der Skip- und Scan-Aera bestehen zu können.
Ich finde die Hypothese erstmal gar nicht so unplausibel. Es gab zwar, seit es eine Kulturindustrie gibt, auch Musik, die auf einen vermuteten Massengeschmack hin fabriziert wird, aber heute gibt es wesentlich mehr Daten, aufgrund derer solche Entscheidungen getroffen werden können. Früher wusste nur der Hörer selbst, dass er nach 30 Sekunden skippt; heute weiß es auch sein Streaming-Dienst. Diese Daten können genutzt werden und das kann die Produktion beeinflussen.
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To Hell with Poverty