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xerxesInteressante Liste @jackofh. Mit deiner Nummer 1 konnte ich mich nie so recht anfreunden. Aber es gefällt ja einigen hier. Man muss ja nicht alles verstehen. Von Kendl Winter habe ich nur „The Mechanics Of Hovering Flights“ die ich mittelmäßig finde. Ist die neue besser? Nummer 10 und Nummer 8 kenne ich gar nicht. Magst du was dazu schreiben?
Gerne. Für Kendl Winter habe ich schon seit „Apple Core“ eine Schwäche. Die süße Melancholie von „On To Me“ oder „Dance Gently On My Grave“ und ihren manchmal lispelnden, manchmal schrägen, enervierend-nöligen Gesang und ihr variantenreiches Banjospiel mochte ich sofort. Ich gebe Dir aber Recht, dass sie danach auf „Mechanics“ und auch „It Can Be Done“ auf der Stelle getreten ist bzw. sogar Rückschritte gemacht hat. Das Image des süßen Hippie-Folk-Mädchens streift sie auf dem neuen Album jetzt endgültig ab (es liegen ja auch einige Jahre zwischen den Veröffentlichungen). Kurzgefasst ist „Stumbler’s Business“ ein intimes Konzeptalbum über – wie der Titel bereits nahelegt (und Kendl in den Linernotes erklärt) – das Stolpern und Weitermachen im Leben und der Liebe. Das klingt jetzt erstmal sicher furchtbar nach Klischee. Doch die Songs auf der LP umschiffen den Kitsch souverän. Die Grundierung des Albums (und insbesondere die zweite LP-Seite) ist düsterer als früher, aber nicht hoffnungslos. Musik, die einem erst die Kehle zuschnürt und die Beklemmung dann langsam wieder löst – ohne sie freilich ganz aufzulösen.
Meine Nummer 8, „Star Chamber“, ist das Debüt von Hollow Hand. Hinter dem Moniker verbirgt sich Max Kinghorn-Mills, ein junger Mann aus Brighton mit offensichtlicher Vorliebe für die Sixties. Sein Album ist eine exzentrische Mischung aus den Bestandteilen Pop, Folk und Psych. Heraushören kann man da sehr vieles, wenn man will: Kinks, Byrds, Big Star… Manchmal habe ich den Eindruck, dass er mehrere Ideen parallel in einen Song gepackt hat und zwischen diesen hin- und herspringt. Ein zugleich übermütiges und sehr relaxtes Werk. Bei allem kalkulierten Wohlklang ist die LP dabei streng lo-fi, selbst produziert (was für mich einen Großteil des Charmes ausmacht; man kann das aber natürlich auch als verpasste Chance sehen, denn einige Tracks wirken dadurch wie Demos).
Cult Party wiederum ist das Projekt von Leo Robinson, der in erster Linie als bildender Künstler arbeitet. „And Then…“ ist sein zweites Album, diesmal mit Hilfe einiger Musikerkollegen aus Manchester (u.a. Kiran Leonard) aufgenommen. Erstmals ist hier also eine „richtige“ Band inkl. Streichern, Harmoniegesang usw. beteiligt, was den Songs gut tut. Ich habe Vergleiche von Robinson/Cult Party mit Phil Elverum bzw. Mount Eerie (die Du ja sehr schätzt) oder Sun Kil Moon/Mark Kozelek gelesen. Ob die zutreffen, kann ich schwer beurteilen, da ich mich in deren Universen nicht so auskenne. Die Tracks auf „And Then…“ sind jedenfalls vordergründig erstmal simpel aufgebaut, aber durchaus komplex – es gibt viel zu entdecken! Die Bezüge reichen von klassischer Folkmusic und Delta Blues über Psychedelic Rock bis zu indischer Meditationsmusik … Alles fließt organisch ineinander ohne (auf mich) angestrengt verkünstelnd zu wirken. Herzstück des Albums ist „Hurricane Girl“, eine 20-minütige Meditation, die die gesamte erste Seite der LP einnimmt. Um ein Label zu bemühen, würde ich das, was da passiert, Progressive Folk nennen (der von mir geschätze Richard Dawson ist nicht weit). Auf der B-Seite finden sich dann noch drei weitere Stücke, davon zwei sehr eigene Interpretationen von Klassikern („Rabbit Dog“ belehnt Mississippi John Hurts „Pay Day“ und zum Abschluss des Albums covert Robinson Guthries „Pastures of Plenty“ als gespenstisch-verwehte Erinnerungsmusik mit drones und engestreuten field recordings). Auf dem zweiten eigenen Stück „I Got The Blues This Morning“ klingt er dagegen verdammt nach Bill Callahan. Kopfhörermusik!
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