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nail75Das kann ich nur schwer nachvollziehen, schließlich ist BoB doch das Dylan-Album mit der größten stilistischen Vielfalt. Es besteht doch ein himmelweiter Unterschied zwischen den säuselnden Pop von „I Want You“ und dem harten, dreckigen Blues von „Stuck Inside Of Mobile“. Da besteht überhaupt keine Verwechslungsgefahr und zwar weder in textlicher noch in musikalischer Hinsicht. Zwischen diesen beiden Extremen findet Dylan ja den Weg zum abgefahrenen Freak-Out oder zur epischen Liebeserklärung. Mangelnde Entwicklung kann ich nicht erkennen, im Gegenteil trotz der extrem kurzen Zeit, die Dylan für Plattenaufnahmen verwendet hat und trotz der Länge des Albums ist sie in Bezug auf Ausarbeitung und Aufführung perfekt.
Stilistische Vielfalt bzw. einen Mangel daran habe ich nicht bestritten – ich sprach davon, dass die Tracks musikalisch nicht sehr entwickelt sind. Wenn man ein Album schnell aufnimmt, wie Du schreibst, dann hat man für Entwicklung eben wenig Zeit. Wollte er vielleicht gar nicht. Wobei man bei den Blues-Nummern nicht viel machen kann – da gibt die enge, strenge Form nur wenig her.
nail75 Der Vergleich mit den Beatles hinkt aus mehreren Gründen. Die Beatles haben (in Bezug auf Texte und Themen) Dylan nachgeeifert, nicht Dylan den Beatles. Das hatte er gar nicht nötig und das hätte ihm auch nichts gebracht. Genau so wie die Beatles wollte er ja gar nicht klingen, ja es hätte seine Kunst kompromittiert. Wenn dann wollte er wie die roheren, die ungeschlifferen englischen Bands klingen.
Ich hatte extra auf die Musik abgestellt. Da ist kein Einfluss hörbar. (Falls ja, bitte mal ein Beispiel, mir fällt keins ein, außer vielleicht „You’ve Got Hide Your Love Away”.) Mitte der Sechziger wurden die Beatles-Texte persönlicher, drogiger etc. – ich würde Dylans Einfluss dort ansiedeln.
Selbst wenn es einen hörbaren musikalischen Einfluss gäbe: Man kennt aus den Wirtschaftswissenschaften den Fall vom Zweiten am Markt, der den Innovatoren noch überflügelt – dann hätten die Beatles es i.S. dieses Gedankens eben besser gemacht.
Ich wollte und will aber gar keine künstliche Konkurrenz erzeugen, sondern einen Vergleich anregen.
nail75 Und natürlich liegt die Magie des Albums auch in den Texten und das heißt nicht im geschriebenen Wort, sondern im Gesang, insbesondere der Phrasierung sowie im Zusammenspiel zwischen Musik und Gesang. Dylan ist zärtlich, gemein, sehnsuchtsvoll, anklagend, umgarnend, spöttisch und surreal. Alles, was Dylan kann, findet man auf diesem Album. Und darum hat kaum jemand jemals ein besseres gemacht.
Der Verdienst dieses Albums liegt durchaus im Text, also im geschriebenen Wort. Das habe ich ausgeklammert, weil es aus heutiger Sicht kaum noch ein Thema ist. Aber Mitte der Sechziger so offen z.B. von Drogen zu singen, war damals bestimmt noch ein Aufreger.
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„Weniger, aber besser.“ D. Rams