Re: Bob Dylan

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sokrates
Bound By Beauty

Registriert seit: 18.01.2003

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atomDeinen erklärenden Hinweis zum Thema „Unvoreingenommenheit“ habe ich wohl im ganzen Wust überlesen.
Ich würde aber gern nochmal auf die Ausgangssituation („Blonde On Blonde“ * * * und „Oh Mercy“ * * * *) zurückkommen und eine Frage von Napoleon zu „Oh Mercy“ aufgreifen, deren Antwort mich sehr interessieren würde. Falls dir das für einen Sterne Thread zu sehr ins Detail geht, kannst du auch gern im normalen Dylan-Thread antworten.

Auf „Mercy“ gilt hörbar: Weniger ist mehr. Durch die sparsame Instrumentierung kann sich Dylans brüchige Stimme sehr gut entfalten. Das macht das Album atmosphärisch stimmig. Indem Dylans an sich nicht schöne Stimme in Tracks wie „Bells” vorn steht, kommt ihre vielfältige Phrasierung schön zur Geltung. „Mercy” ist die wesentlich fokussiertere, kompaktere, stringentere Platte. Lanois hat erkannt, was er mit dem gereiften Künstler tun muss und passende Vorschläge gemacht, ähnlich wie Rubin bald darauf mit älteren Herrschaften arbeitete. Keytracks: „Teardrops“, „Long Black Coat“ und „Bells“. „Broken“ gar nicht mal – der klingt recht konfektioniert. Was mir nicht gefällt – die Fades („Political World, „Broken“), immer etwas einfallslos.

BoB dagegen enthält für mich eigentlich nur zwei gute, i.S. von memorable, unterscheidbare Stücke: „Johanna” und „Just Like a Woman“. Dazu stolpert die Band durch ein paar genretypische Blues-Tracks. Dies ist nur vordergründig ein technisches Argument (wie mir so gern entgegengehalten wird), weil man dafür sorgen muss, dass die Musik angemessen dargeboten wird, damit sie emotional verfangen kann – von schöpferischer Originalität ganz zu schweigen. Der Rest der Platte klingt merkwürdig unspezifisch und wenig entwickelt. Man vergleiche die Beatles-Platten aus der Zeit – das ist kompositorisch, in Ausarbeitung und Aufführung ein Klassenunterschied.

So gesehen in der Besternung für mich ein klarer Fall. Selbstverständlich alles aus heutiger Sicht. Aber aus welcher sonst? Sogar WD hat ja neulich eingeräumt, dass sich seine 79 er-Listen seitdem verschoben haben.

Wie siehst Du die Alben, atom?

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„Weniger, aber besser.“ D. Rams