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Liederabend Anna Stéphany – Zürich, Opernhaus – 24.09.2018
Anna Stéphany Mezzosopran
Sholto Kynoch Klavier
«Nature’s Songbook»
ROBERT SCHUMANN
Röselein, Röselein
JOHANNES BRAHMS
Nachtigallen Schwingen
An die Nachtigall
Lerchengesang
ROBERT SCHUMANN
Die Blume der Ergebung
Aus den östlichen Rosen
JOHANNES BRAHMS
Juchhe!
CLAUDE DEBUSSY
Trois Chansons de Bilitis:
1. La Flûte de Pan
2. La Chevelure
3. Le Tombeau des Naïades
JEAN SIBELIUS
Bellis (Klavier solo)
Marssnörn
Campanula (Klavier solo)
Demanten pa marssnörn
Iris (Klavier solo)
Svarta rosor
—
MAURICE RAVEL
Histoires naturelles:
1. Le Paon
2. Le Grillon
3. Le Cygne
4. Le Martin-pêcheur
5. La Pintade
GABRIEL FAURÉ
Le Papillon et la fleur
GEORGES BIZET
La Coccinelle
CHARLES GOUNOD
Au Rossignol
Envoi des fleurs
CAMILLE SAINT-SAËNS
La Cigale et la fourmi
—
Encore:
PERCY GRAINGER
The Spring of Thyme
WOLFGANG AMADEUS MOZART
Voi che sapete (Arietta des Cherubino aus „Le nozze di Figaro“, KV 492)
Am Sonntag begann hier auch die Saison in der Oper, und ich freute mich sehr auf meinen heutigen Auftakt, einen Liederabend mit der englisch-französischen Mezzo-Sopranistin Anna Stéphany, die von 2012 bis 2015 zum Ensemble der Oper gehörte. Ich sah sie in der Saison 2016/17 als Charlotte in der phantastischen Produktion von Massnetes „Werther“ und mochte auch ihre letztes Jahr erschienene CD „Black Is the Colour“ (alpha) mit Berios „Folk Songs“, Ravels „Histoires Naturelles“ und „Psyché“ von Falla. Das Labyrinth Ensemble, von dem sie auf der CD begleitet wird, besteht grossteils aus Musikerinnen und Musikern, die zum Orchester der Oper Zürich gehören. Die Lieder von Ravel (auf der CD im Arrangement von Arthur Lavandier zu hören) standen heute Abend auf dem Programm, vom Rest hatte ich keine Ahnung, nur gesehen, dass es Schumann, Brahms und mehr geben würde. Begleitet wurde Stéphany vom Pianisten Sholto Kynoch.
Los ging es mit Schumann und Brahms, wobei mir die Brahms-Lieder im direkten Vergleich etwas harmlos vorkamen – durchaus auch in ihrer Machart (und mit den läppischen Texten von, der Reihe nach, Hoffmann von Fallersleben, Voss, Candidus und Reinick). Schumanns Lieder hingegen faszinieren mich immer wieder sehr, da muss ich unbedingt mal tiefer schürfen. Die Lieder zwischen dem Brahms, auf Texte von Rückert, gefielen mir sehr, aber auch das erste (auf einen Text von Schöpff) ist toll. Das dritte, „Aus den östlichen Rosen“, klang fast schon ein wenig wie ein Show-Song, wie man ihn aus dem frühen 20. Jahrhundert (und auch dem mittleren) kennt.
Zum Höhepunkt der ersten Konzerthälfte wurde dann aber der Zyklus von Debussy. Der sprechende Gestus, die flache Sprachmelodie, die eher einem Sing-Sang als einem Singen gleicht, dabei aber stets eine enorm nuancierte Gestaltung verlangt – faszinierend! Stéphanys Diktion und Verständlichkeit auf Deutsch ist sehr gut, auf Französisch ist sie wohl nahezu perfekt. Der Sibelius-Block zum Abschied in die Pause passte ganz gut, Kynoch kriegte hier auch seine Features und gefiel in ihnen so gut wie in der Begleitung, die Sprache klang manchmal so, als würde man vom Deutschen her die Hälfte verstehen, aber das war dann oft doch nur ein Trugschluss.
Nach der Pause sollte das Programm beim Französischen bleiben – und der Ravel-Zyklus wurde gleich zum nächsten Höhepunkt. Hier wird viel pointierter gesungen als bei Debussy, aber die Nähe zum gesprochenen Wort ist immer noch gegeben, die Verzierungen, das Vibrato etc. viel zurückhaltender eingesetzt als in den deutschen Liedern. Die Texte über den Pfau, die Grille, den Schwan, den Eisvogel und das Perlhuhn aus der Feder von Jules Renard sind schon für sich genommen ziemlich witzig. Gesungen von einer begnadeten Actrice, die den verschiedenen Sprechern in den Texten obendrein wo nötig auch noch verschiedene stimmliche Schattierungen gibt, ist das ein köstliches Vergnügen. Die zwei Hugo-Vertonungen von Fauré und Bizet waren ebenso vergnüglich, und hier wurde die Nähe zum Chanson und eben auch allgemein zum populären Lied des 20. Jahrhunderts überdeutlich. Das zog sich durch die zwei Lieder von Gounod (auf Texte von Lamartine und Augier) und den krönenden Abschluss von Saint-Saëns (auf die Fabel von La Fontaine) weiter. Da verläuft eine direkte Linie bis hin zu Jacques Brel. Jednefalls war diese zweite Konzerthälfte durchs Band weg phantastisch, auch in der Agogik, dem Zusammenspiel mit Kynoch – da passte einfach alles.
Obwohl das Parkett höchstens halbvoll und die Ränge bis auf die vordersten Reihen ziemlich leer waren, gab es am Ende langen Applaus und ohne Zugaben liess man Stéphany nicht gehen. Sie sang als erstes Graingers Volskliedbearbeitung „The Spring of Thyme“, und nach ein paar weiteren Verbeugungen und Ab- und Aufgängen schliesslich noch die Arietta des Cherubino aus Mozarts Figaro, „Voi che sapete“ – natürlich hatte Stéphany in ihrer Zeit als Ensemblemitglied die Rolle auch in Zürich gesungen (leider ohne dass ich sie gesehen hätte). Ein rundum gelungener Abend jedenfalls, dem man ein deutlich grösseres Publikum gewünscht hätte.
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"Don't play what the public want. You play what you want and let the public pick up on what you doin' -- even if it take them fifteen, twenty years." (Thelonious Monk) | Meine Sendungen auf Radio StoneFM: gypsy goes jazz, #158 – Piano Jazz 2024 - 19.12.2024 – 20:00 | Slow Drive to South Africa, #8: tba | No Problem Saloon, #30: tba