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RollingStone Forum Blindfold Test #28
Auflösung – Teil 2/4
Track 6:
GIGI GRYCE ORCH-TETTE
6. Reminiscing (Gigi Gryce)
Richard Williams (t), Gigi Gryce (as), Eddie Costa (vib), Richard Wyands (p), George Duvivier (b), Bob Thomas (d)
New York, NY, 10. November 1960
von: Reminiscin’ (Mercury, 1961; CD: Universal Japan, 2012)
Hollywood? Ja, das passt schon … obwohl die drei Alben, die das Gespann Gryce/Williams/Wyands (mit Reggie Workman bzw. Julian Euell am Bass und Mickey Roker am Schlagzeug) ebenfalls 1960 für Prestige eingespielt hat, gradliniger und zupackender sind. Das Album „Reminiscin‘“, das 1960 für Mercury entstand, stellt Gryce etwas breiter vor, auch sein Schaffen als Komponist und Arrangeur wird vorgestellt, z.B. im gewählten Track, in dem zunächst Richard Williams an der Trompete zu hören ist.
George General „Gigi“ Gryce lebte von 1925 bis 1983. Er zog sich in den frühen Sechzigern zurück, wirkte nur noch als Lehrer. Seine kurze Karriere nahm Mitte der Fünfziger Fahrt auf: er leitete mit Donald Byrd das „Jazz Lab“, das eine ganze Reihe von Alben aufnahm. Daneben spielte und arrangierte er u.a. für Teddy Charles, Oscar Pettiford, Betty Carter, Art Farmer, Jimmy Clevaland, Curtis Fuller und Max Roach. 1960 leitete er das erwähnte Quintett mit Richard Williams, das er in „Orch-tette“ umbenannte, als Eddie Costa dazustiess – und aus der Zeit stammt das Stück, das ich auswählte, das Gryce-Original, das dem Album auch gleich den Namen gab, „Reminiscin’“. Das Stück habe er (1956) geschrieben, nachdem er die Flamme seiner Jugend wieder getroffen und Erinnerungen ausgetauscht habe. Sein leicht säuerlicher Ton klingt hier ziemlich süss – man merkt auch rasch, dass Gryce etwas weiter von Parker weg ist als die anderen Altsaxophonisten, die wir bisher hörten (Ernie Henry in #2 und Phil Woods in #5).
Trompeter Richard Williams (1931–1985) war einer der Lieblingstrompeter von Charles Mingus um die Zeit herum. Er wirkte bei den Aufnahmen zu „Mingus Dynasty“ (Columbia, 1959) mit, bevor dann Ted Curson in die Band kam, war bei den grösseren Besetzungen 1962 (Town Hall) und 1963 (die Impulse-Alben) aber auch wieder an Bord, danach folgte bei Mingus Johnny Coles (unser Mann in #9), der 1964 auf die Europa-Tour mit der Band ( mit Eric Dolphy, Clifford Jordan, Jaki Byard, Mingus und Dannie Richmond) ging und in Paris umkippte … mehr zu Coles unten. Williams jedenfalls machte als Leader gerade einmal ein Album, und zwar für das kurzlebige Label Candid. Am Klavier war auch dort Richard Wyands (*1928) zu hören, der hier als dritter Musiker prominent zu hören ist (am Altsax wirkte Leo Wright mit, den ich wiederum für so leicht erkennbar halte, dass das Williams-Album ebenso wie das eine offensichtliche Album von Johnny Coles ausschieden, wobei bei Coles auch noch Joe Henderson mitwirkt, den man auch fast immer gleich erkennt). Wir hören Wyands übrigens in #18 noch einmal (und er wirkte auch bei Aufnahmen von Roy Haynes, der hier mit #16 vertreten ist, mit).
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Track 7:
FREDDIE ROACH
7. De Bug (Freddie Roach)
Percy France (ts), Kenny Burrell (g), Freddie Roach (org), Clarence Johnston (d)
Van Gelder Studio, Englewood Cliffs, NJ, 23. August 1962
von: Down to Earth (Blue Note, 1962; CD: Universal Music Japan, 2015)
Etwas Orgel musste natürlich in den BFT. #15 hatte ich rasch festgelegt, aber einen einzelnen wollte ich nicht haben, es musste noch einer her. Da ich schon an den obskuren Tenoristen herumdachte (Frank Haynes) kam ich auf Percy France (1928–1991), der auf Jimmy Smiths Blue Note-Klassiker „Home Cookin’“ seinen einzigen wirklich prominenten Auftritt hatte. Das wäre jedoch etwas zu offensichtlich gewesen, fand ich – also griff ich zu Freddie Roach (1931–1980), einem der unterschätzten unter den damaligen Organisten. Roach hat tiefe Wurzeln im Gospel und in der Kirche, was hier auch klar wird. Er spielte zunächst Klavier und Orgel, als es in den Sechzigern dann aber mit einer Reihe von Blue Note-Alben loszugehen schien, war es die Orgel, die er spielte. Roach brachte es 1962–64 immerhin auf fünf Blue Note-Alben, es folgten noch drei für Prestige (1966/67). Davor hatte er 1961 schon bei zwei wundervollen Blue Note-Alben von Ike Quebec mitgewirkt („Heavy Soul“ und „It Might As Well Be Spring“, beide 1961) und nahm auch bei Plattensessions von Willis Jackson und Donald Byrd („I’m Tryin’ to Get Home“, wohl seine letzte Blue Note-Session) teil.
Ich wollte zunächst nicht den Opener seines Debut-Albums nehmen, da es sich wieder um einen Blues-Walzer handelt, was auch bei #15 der Fall ist, aber der Groove ist einfach so toll, dass ich mich nicht durchringen konnte, ein anderes Stück zu wählen. Clarence Johnston (der Fixpunkt, der auf allen fünf BN-Alben dabei ist) und Roach legen sofort los, Burrell spielt Akkorde, dann zusammen mit Percy France die Melodie, ein simples Blues-Riff, das durch die Changes geschoben wird. Das erste Solo gehört dann Kenny Burrell (*1931) – singender Ton, schöne Linien, perfekt phrasiert, da und dort ein Schlenker, ein Schnörkel, ein kurz geöffneter Ton, einmal geschrammelt … klar, das ist die Single-Note-Schule, die sich an Bläsern orientiert und in der Hinsicht denkbar ungitarristisch ist, aber was kümmert mich das denn, wenn es Burrell ist, der spielt? Für mich wie ich schrieb wohl der wichtigste Jazzgitarrist überhaupt, knapp vor Grant Green. France übernimmt – und ab geht es in die Kirche, oder wohl eher: zum „camp meeting“. Die Orgel zuckt, das Schlagzeug rattert, France macht nicht viel, aber genau das Richtige … und dann kommt der Moment des Leaders, das letzte Solo im Reigen, das nochmal ein paar Gänge höher schalten soll. Und wie er das tut! Auch wieder mit wenigen Mitteln, Material braucht er kaum, es geht eigentlich fast nur um das Wie. Ein langsamer Einstieg, allmähliche Steigerung, dann taktelang dieses repetierte Motiv – und dann öffnet er wieder und swingt auf Teufel komm raus, Tremoli fehlen natürlich nicht, und irgendwann meint man schon, jetzt fange er wirklich noch zu solieren an … gefällt mir enorm, wie er das hier anstellt – und es ergibt natürlich zur schlanken Gitarre und dem bulligen Tenor ein perfekter Kontrast (und Johnston ist super … mir ging bei der Themenrekapitulation gerade der unnötige Gedanke durch den Kopf: Art Taylor wäre bis hierhin wenigstes 15 bpm schneller geworden).
Und in Sachen Percy France: Crownpropeller hat mal wieder was:
https://crownpropeller.wordpress.com/category/percy-france/
Sein Album „I Should Care“ (Endgame, 1980) lohnt natürlich auch, falls man es in die Finger kriegt.
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Track 8:
TADD DAMERON
8. Lament for the Living (Tadd Dameron)
Donald Byrd (t), Curtis Fuller (tb), Julius Watkins (frh), Sam Rivers (ts), Cecil Payne (bari), Tadd Dameron (p), Paul Chambers (b), Philly Joe Jones (d)
Van Gelder Studio, Englewood Cliffs, NJ, 14. Dezember 1961
von: Blue Note Records Presents: The Lost Sessions (CD, 1999)
Auch hier bin ich erfreut, dass der Track überall gut angekommen ist! Die Musik von Tadley Ewing Peake „Tadd“ Dameron (1917–1965) ist mir wirklich eine Herzensangelegenheit und es schien mir nicht völlig unangebracht, etwas von ihm im BFT unterzubringen, auch wenn er natürlich eine prägende Figur (DER Arrangeur) der Bebop-Zeit war, seine Karriere in den späteren Jahren allmählich ausklang. Er hatte in den späten Vierzigern z.B. für die Big Band von Dizzy Gillespie (vgl. #19) arrangiert, aber auch für Count Basie, Jimmie Lunceford, Artie Shaw, Billy Eckstine und andere der damals bedeutendsten Big Band-Leader.
Die Mitglieder seiner Band in den späten Vierzigern und frühen Fünfzigern liest sich wie ein Who Is Who: Fats Navarro, Miles Davis, Kai Winding, Dexter Gordon, Wardell Gray, Allen Eager, Sahib Shihab (#17), Cecil Payne (hier präsent ebenso wie in #2, #9), Kenny Clarke waren dabei, aber auch Ernie Henry (#2), Charlie Rouse (der langjährige Monk-Saxophonist der Sechziger). Erwähnenswert ist auch unbedingt der Gitarrist John Collins, der mit seiner elektrischen Gitarre öfter in der mittelgrossen Dameron-Band zu hören war – in einer Zeit, als das noch keinesfalls üblich war. In den frühen Fünfzigern waren auch Clifford Brown und Gigi Gryce (#2 – die zwei nahmen damals auch bei Blue Note gemeinsam auf) bei Dameron dabei, Benny Golson (auch #2) ebenso. Sein vielleicht schönstes Produkt aus der LP-Zeit ist „Fontainebleau“, bei dem wiederum Kenny Dorham (#4) sowie Payne und Shihab zu hören sind. Am Schlagzeug wirkte in den Fünfzigern meist Philly Joe Jones mit, der hier erneut neben dem Bassisten Paul Chambers (beide sind auch in #2 dabei) anzutreffen ist. Die Bläser-Section ist ebenfalls mit illustren Namen besetzt: Donald Byrd, den wir im Mix leider nicht solistisch hören, spielt die Trompete, Curtis Fuller (#4) die Posaune, das Horn von Julius Watkins, das im Thema prominent vertreten ist (z.B. ab 0:33), hätte das ganze vielleicht verraten können. Und dann ist da noch der Modernist Sam Rivers, was aber auch nicht weiter aufsehenerregend ist, wenn man sich vor Augen hält, dass Dameron schon 1956 ein schönes Album mit Coltrane eingespielt hat („Mating Call“, Prestige).
Solistisch ist hier nur die Rhythmusgruppe ausführlich zu hören, zunächst der Leader selbst, und mit was für einem tollen Solo! Auch er bietet nicht gerade viele Mittel auf, aber weiss genau, was er macht und verzahnt seine Kürzel und Fragmente perfekt mit dem Groove, den Philly Joe Jones drunterlegt. Paul Chambers ist dann der zweite Solist, bevor Dameron wieder zum Thema zurück leitet.
Die Session, so lautet die Story, die auch in den Liner Notes von Michael Cuscuna (1999) wiedergegeben wird, sei abgebrochen worden, weil es Probleme mit den Noten gab (der „copyist“ war wohl zu langsam). Sehr schade, denn die Solisten – besonders übrigens Donald Byrd – waren in guter Form. Rivers, der erst drei Jahre später regelmässig bei Blue Note im Studio stand (mit dem Resultat von mehreren eigenen Alben und Sideman-Auftritten bei Larry Young, Bobby Hutcherson, Andrew Hill), ist auch mit einem Stück vertreten („The Elder Speaks“), die anderen drei stammen von Dameron. Leider gibt es eben nur etwas mehr als zwanzig Minuten und darum blieb die Session unveröffentlicht, bis zum Erscheinen der abgebildeten CD 1999 (in der Connoisseur Series, die ich damals möglichst vollständig kaufte, stets auf die nächsten paar Reissues wartend … und da kam eben auch einmal ein ganzes Bündel mit zuvor unveröffentlichter Musik, darunter die „Lost Sessions“).
Tadd Dameron, Mary Lou Williams und Dizzy Gillespie im Appartement von Williams, ca. Juni 1946 (Photo: William P. Gottlieb)
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Track 9:
RAY CRAWFORD
9. Miss April (Ray Crawford)
Johnny Coles (t), Cecil Payne (bari), Ray Crawford (g), Junior Mance (p), Ben Tucker (b), Frankie Dunlop (d)
Nola Penthouse Sound Studios, New York, NY, 26. Januar & 10. Februar 1961
von: Smooth Groove (Candid, Japan 1977; CD: 1988)
Der nächste Track war ein Wackelkandidat, denn ich verstehe sofort, warum das Album von Ray Crawford damals nicht erschien (vielleicht kam es aber auch nur darum nicht heraus, weil Candid vorher dicht machte?) – es wirkt alles etwas unfertig, mehr nach lockerer Jam-Session denn nach fertigem Produkt. Doch ich erwähnte vorhin den Trompeter, den wir hier zu hören kriegen, Johnny Coles (1926–1997). Er gehört zu den grossen Lyrikern des Jazz jener Zeit, nahm als Leader trotz längerer Karriere wenig auf, in erster Linie ein Quartett-Album mit Kenny Drew bzw. auf zwei seiner eigenen Stücke Randy Weston (ein drittes Weston-Stück wurde mit Drew eingespielt). Das schien mir (wegen der Besetzung t-p-b-d) zu einfach, ebenso wie das erwähnte andere bekannte Album, „Little Johnny C“, das damals mit Leo Wright, Joe Henderson und Duke Pearson für Blue Note entstand. Beides tolle Alben, aber eben …
An das Album von Ray Crawford (1924–1997) hatte ich aber eh längst auch gedacht, und da ist Coles ja mit dabei. Crawford selbst, der hier – wieder das Vorrecht des Leaders ausübend – das letzte Solo spielt (gut, es folgt noch Ben Tucker am Bass, aber das ist ja keine Konkurrenz), fiel mir da und dort sehr positiv auf, ganz besonders natürlich auf Gil Evans’ „Out of the Cool“ (Impulse, 1960) – ein von mi relativ spät entdeckter grosser Jazzklassiker (die erweiterte CD-Ausgabe von „The Individualism“ kenne ich viel besser). Crawford spielte in den frühen 50ern auch mit dem damaligen Trio von Ahmad Jamal (in der Nat Cole Trio-Besetzung, also p-d-b, kein Schlagzeug), auch da gibt es sehr schöne Aufnahmen, die mir aber wiederum im Vergleich mit dem famosen Jamals-Crosby-Fournier-Trio viel weniger vertraut sind.
In den Liner Notes zur CD-Ausgabe zitiert Alan Bates ausführlich aus einem 1982 in Cadence publizierten Interview mit Crawford. Nach einigen intensiven Jahren bei Gil Evans hätte ihn Nat Hentoff (der Produzent von Candid) angerufen, weil er mit Crawford ein Album machen wollte. Dieser erarbeitete die Arrangements und stellte eine Gruppe zusammen, die gezielt im Hinblick auf passende Instrumente und Stimmen (und auf die Fähigkeit, Noten zu lesen und zu solieren) ausgewählt wurde. Es fiel also ein bewusster Entscheid für Cecil Payne (1922–2007) am Barisax (vgl. #2,#8, übrigens auch er ein wichtiger Sideman des frühen Randy Weston, beide stammten sie aus Brooklyn) und gegen ein Tenorsaxophon („everybody is playing tenor, and besides Cecil is underrated“). Das Arrangement ist hier auch wirklich interessant, die Gitarre natürlich prominent zu hören, schon mehrmals vor dem eigentlichen Solo, zwischen den Soli auch wieder notierte Passagen, aber auch die Rhythmusgruppe scheint klare Anweisungen zum Einsatz gewisser strukturierender Mittel gekriegt zu haben. Johnny Coles an der Trompete ist der erste Solist, Cecil Payne am Baritonsaxophon der zweite. Dann folgt Junior Mance (*1928), der Pianist aus Chicago, den ich auch mal noch in Erwägung gezogen hatte. Dass hier, wie bei so vielen Gitarren-Alben der Zeit überhaupt ein Klavier dabei ist, das empfinde ich ganz wie @vorgarten etwas störend, aber ich habe mich mit dem Klang (auch jenseits des famosen Nat King Cole Trios und auch dank der oben erwähnten Aufnahmen von Tal Farlow mit Eddie Costa) inzwischen ganz gut angefreundet. Aber in der Tendenz höre ich im modernen Jazz auch viel lieber nur Gitarre, ohne Klavier (oder, das ist ja eh die Regel, nur Klavier und keine Gitarre). Mances Solo finde ich aber ziemlich gut. Das Highlight ist aber schon das anschliessende Gitarrensolo, in dem auch die Mittel des Instrumentes etwas stärker (aber viel mehr auch nicht, oder?) als bei Burrell in #7 genutzt werden. Das Hauptmerkmal ist für mich aber der grossartige Ton, den Crawford hat – er vibriert etwas mehr, ist etwas körperlicher als der von Burrell, hat einen ganz leichten Twang … und natürlich ebenfalls eine hervorragende Phrasierung.
Ben Tucker, der Bassist (und Komponist von „Comin’ Home Baby“), ist übrigens auf einem von nur zwei Alben dabei (und dem einzigen damals erschienenen), die Kenny Burrell nur im Trio mit Bass und Drums gemacht hat, der Drummer ist Dave Bailey (#4 – das Album heisst „Green Street“ und wurde auch 1961 aufgenommen, sehr empfehlenswert). Tucker ist bei Green aber auch auf dem aus demselben Jahr stammenden „Sunday Mornin’“ dabei – mit Kenny Drew am Piano (und Ben Dixon am Schlagzeug. Das andere Trio-Album von Green ist „Standards“, auch 1961, mit Wilbur Ware und Al Harewood und wohl erst in den 90ern erschienen.
Der Drummer hier ist Frankie Dunlop, der wenig später bei Monk zum Nachfolger von Art Taylor wurde und auf den ersten Columbia-Alben einige wahre Feuerwerke entfacht. Hier ist er ziemlich zurückhaltend, jedenfalls nicht so, dass man ihn sofort erkennen würde, was ja im Rahmen eines BFT ganz hilfreich ist …
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Track 10:
DAVID NEWMAN
10. Cellar Groove (Norris Austin)
Marcus Belgrave (t), David „Fathead“ Newman (ts), Norris Austin (p), Jimmy Jefferson (b), Charli Persip (d)
New York, NY, 3. Mai 1961
von: Fathead Comes On (Atlantic, 1962; CD: It’s Mister Fathead, 32 Jazz, 2 CD, 1997)
So tight wie die Band hier war Monks Quartett auf seine eigene Weise erst mit Dunlops Nachfolger Ben Riley, doch das tut hier nichts zur Sache. David „Fathead“ Newman (1933–2009), hätte, so schreibt Hipster-D.J. in seinen Hipster-Liner Notes zu recht, einen netteren Übernamen verdient gehabt. Ray Charles, sein langjähriger Boss und Förderer, nannte ihn jedenfalls „Brains“. Ray Charles (#3) war es auch, der Newman zu seinem ersten Album als Leader verhalf, und zwar bei seinem eigenen Label, Atlantic Records. Charles spielte auch gleich mit, ebenfalls dabei war Marcus Belgrave an der Trompete. Bevor er Mitte der Fünfziger zur Band von Ray Charles stiess, hatte Newman schon mit Lowell Fulson und T-Bone Walker gespielt – bis dahin hätte das der typische Werdegang eines Hard Bopper sein können, doch die Band von Charles war so phantastisch, dass man es niemandem übel nimmt, wenn er dort hängen bleibt.
Ein paar eindeutige Jazz-Credits kommen bei Newman allerdings schon dazu, u.a. das Album „Sonic Boom“ von Lee Morgan (Blue Note, 1967) und auch das eine oder andere unter eigenem Namen, z.B. das mit James Clay zusammen einspielte Riverside-Album „The Sound oft he Wide Open Spaces!!!“ (produziet von Cannonball Adderley, der Titel ist natürlich auf Texas gemünzt, die Herkunft der beiden Co-Leader), oder das zweite Atlantic-Album im Quartett mit Wynton Kelly (#2, #19), Paul Chambers (#2, #8) und Charli Persip (#19). Persip ist hier neben Belgrave der einzige bekannte Musiker. Den Pianisten und Komponisten des Stückes, Norris Austin, und den Bassisten Jimmy Jefferson kenne ich beide nicht, aber sie sind hier Teil einer supertighten Band, die auf drei der sieben Stücke der Platte zu hören sind (die anderen vier sind mit Hank Crawford am Piano, Edgar Willis am Bass und Bruno Carr am Schlagzeug, alles Charles/Atlantic-Kollegen). Leider sagen die Hipster-Notes kein Wort über die Musiker (ausser über Fathead, aber auch da eigentlich nur Plattitüden).
Aber der Groove hier ist schon super, das geht gleich in die Vollen, Fathead zitiert früh im Solo kurz „Mona Lisa“ und danach wohl wenigstens noch zwei andere Stücke, die ich aber nicht erkenne. Vielleicht da und dort ein Schnörkel zuviel, aber der Mann weiss genau, was er tut – und er hat einmal mehr einen grossartigen Ton, mit dem er wohl jeden in den Boden hauen konnte, wenn es denn darauf ankam. Trompeter Marcus Belgrave (1936–2015) scheint mir tatsächlich rhythmisch etwas unsicher hier, die Phrasierung passt nicht ganz, er kommt vom Time her nie ganz mit der Rhythmusgruppe zusammen und löst sich auch nicht genügen von ihr, wenn er Läufe im doppelten Tempo einflicht. Dennoch, ein Musiker, den ich durchaus auch gerne noch drin hatte. Belgrave war eine zentrale Figur der Szene in Detroit, Mentor u.a. für Geri Allen, Kenny Garrett und James Carter:
https://www.nytimes.com/2015/05/27/arts/marcus-belgrave-trumpeter-and-mentor-in-detroits-jazz-scene-dies-at-78.html?_r=0
Danach gibt es leider kein Klaviersolo sondern ein paar Runden Fours mit Newman und dem tollen Charli Persip (damals schrieb er sich noch „Charlie“) und nach dem Thema ein recht guter Schluss (alles ist besser als ein Fade-Out).
Hier noch das Portrait, das auf dem Booklet der Doppel-CD zu sehen ist, dem ich den Track entnahm – ein klassisches Lee Friedlander-Bild:
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