Antwort auf: Konzertimpressionen und -rezensionen

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Kammermusik-Soiree mit Jordi Savall und Le Concert des Nations
Zürich, Tonhalle-Maag – 16.09.2018

Le Concert des Nations
Marc Hantaï
Flöte
Manfredo Kraemer Violine
David Plantier Violine
Balázs Máté Violoncello
Xavier Puertas Violone
Pierre Hantaï Cembalo
Jordi Savall Leitung, Alt- und Bassgambe

Johann Sebastian Bach „Musikalisches Opfer“ BWV 1079

Ein seltsames Ding, diese musicalische Opfergabe an einen vierleseits verklärten, flötespielenden (echt jetzt?) König … so richtig warm werde ich damit auch nach dem feinen Konzert gestern nicht. Es war aber enorm lehrreich, das Ding mal im Konzert zu erleben, denn das machte den Effekt des Zusammensetztens, das Wechselspiel der Stimmen, das gegenseitige Zuhören und Antworten, das Schichten der Elemente, der Fugen, sehr handgreiflich.

Los ging es damit, dass Marc Hantaï nach vorne trat und das kurze „Thema regium“ spielte von dem Schönberg glaubte, es könne eigentlich nur von Carl Philipp Emmanuel Bach stammen. Anlass für das ganze Werk war, dass der „alte Bach“ drei Jahre vor seinem Tod den Besuch bei Friedrich II. nicht mehr zurückweisen konnte – sein Sohn Carl Philipp Emmanuel Bach, einer der eminenten Vertreter der neuen „galanten Stils“, war an dessen Hof tätig. Bach senior mit seinem religiösen Verständnis von Musik stammte aus einer vergangenen Epoche und die Begegnung mit Friedrich II. kann wohl ebenso wie jene mit CPE als die eines Generationenkonflikts gelesen werden. Die Geschichte dazu, inklusive der Ansicht Schönbergs, ist bekannt (Quelle des folgenden Zitats):

What happened the evening they met is, thanks to contemporary reports, fairly clear. Frederick gave Bach a complex theme of 21 notes and asked him to use it as the basis of an extemporaneous three-part fugue. It was a fiendishly difficult subject for development in counterpoint – so difficult, in fact, that Arnold Schoenberg, the greatest practitioner of counterpoint in the 20th century, wrote an article in 1950 that set forth the theory that the „Royal Theme“ could only have been devised by Bach’s son CPE, the only musician present with enough understanding of counterpoint to trump his father’s.

Dann präsentierte Pierre Hantaï am Cembalo das dreistimmig Ricercar, das angeblich eine Art Notation aus dem Gedächtnis der Improvisation ist, die Bach vor dem König spielte. Dessen Aufforderung, danach eine sechsstimmige Fuge zu improvisieren, schlug Bach dann aus – und machte sich an die Komposition des ganzen Werkes, das gespickt ist mit Seitenhieben gegen den König und die von ihm verkörperte Ablehnung organisierter Religion (wofür Bach ja während der längsten Zeit seiner Karriere stand) und der entsprechenden musikalischen Dogmen, Regelungen, Werkzeugen. Wie Bach in die Werkzeugkiste greift, wird im zitierten und verlinkten Artikel weiter vertieft.

Im Konzert entfaltet sich das Werk allmählich, nimmt immer neue Formen an, das königliche Thema blitzt immer wieder auf. Die beiden Violinen, die Gambe, das Barockcello kommen solistisch zum Zug. In der Mitte stand die Triosonate für Flöte, Violine und Basso continuo. Geschrieben wurde sie wohl mit Gedanken, dass König sie selbst spielen würde – allerdings wählte Bach die Form eine „sonata da chiesa“, die wiederum von der neuen Generation als hoffnungslos antiquiert betrachtet wurde. Im gestrigen Konzert war das der Moment, an dem am ehesten die Grenze deutlich wurde, die der heutige Konzertbetrieb einem Ensemble mit alten Instrumenten aufzeigt: die Austarierung stimmte nicht, die Flöte war zu leise. Und das im transparenten Saal der Tonhalle-Maag. Im grossen Tonhalle-Saal wäre das Konzert sowieso ein klangliches Debakel gewesen, ob der kleine Saal der Tonhalle besser gewesen wäre, wage ich ebenfalls zu bezweifeln.

Es folgte die zweite Hälfte der Kanons, wie schon davor ergab sich immer wieder ein Wechseln zwischen Cembalo solo und dem Ensemble, das in verschiedenen Besetzungen aufspielte – die Violone kam nur selten zum Einsatz, das Cello setzte auch öfter aus, manchmal hatte auch die zweite Geige Pause, Savall wechselte zwischen der sehr kleinen Alt-Gambe und der Bassgambe, die in etwa die Grösse eines Cellos hat. Gemeinsame Stücke von Streichern und Flöte sowie Cembalo gab es nur wenige, aber die dauernden Besetzungswechseln sorgten dafür, dass das Geschehen lebendig blieb.

Am Ende gab es drei Zugaben, zunächst zwei Sätz aus irgendeinem Werk (aus einem Flötenkonzert?), bei dem ich beim zweiten, rasanten Satz unweigerlich an Jethro Tull denken musste … alberne Musik (in der Reihe neben mir stapfte sogar jemand mit dem Fuss dazu), die überhaupt nicht passen wollte. Danach folgte ein Stück aus den Festivitäten zur Geburt des späteren Louis XIII., das sehr schön war (und mich sofort denken liess: ein Konzert mit französischer Musik hätte mich mit diesem Ensemble wesentlich mehr gefesselt), und als Rausschmeisser einen Marsch (von Marais? Savall sprach Deutsch, etwas leise leider), der am Ende sogar noch eine kleine Temposteigerung beinhaltete – aber dann doch viel zu gesittet war, um als ordentliches Trinklied durchzugehen.

Ein paar Kritikpunkte gibt es schon: eben, erstmal die Balance, wann immer die Flöte dabei war (das wurde in der Zugabe auch wieder deutlich). Dann fand ich den Ton des ersten Geigers (Manfredo Kramer) deutlich weniger ansprechend als den des zweiten (David Plantier). Kramers Ton war manchmal so brüchig, dass er aussetzte, auch das Vibrato vielleicht eine Spur zu stark. Savall selbst glänzte ebenfalls nicht mit dem schönsten Ton, aber dazu muss man bei ihm wohl einfach zu den älteren Aufnahmen greifen. Sehr beeindruckend war allerdings Pierre Hantaï – gerade im Wechsel mit dem Kammerensemble wurde immer wieder deutlich, welchen Klangreichtum das Cembalo zu bieten hat, in den Händen von Hantaï wird es wahrlich zu einem ganzen Ensemble von Instrumenten!

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