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1 Wenn Bebop grob betrachtet eher ein geschlossenes System ist, wo mehr nach innen als nach außen kommuniziert wird (wenn ich Gypsy richtig verstanden habe), dann scheint mir hier wirklich mehr nach außen gespielt zu werden. Schön treibende Melodie, tolles Zusammenspiel und ein Schlagzeugsound, der mir auch gefällt: Produktionstechnisch limitiert, dadurch schönes Scheppern eingebunden, wohl eine ältere Aufnahme. Aber wer wie ich den Drumsound von Hi-Records schätzt, der muss sich hier einfach für den Drummer erwärmen, der auch ein schönes knackiges, lärmiges Schlagzeugsolo hinlegt. Man merkt, hier wird dem Individuum Platz gelassen, Drums und Bass sind nicht nur als stabiles Rhythmusbett. Sehr guter Einstieg.
2 Bigband-Gefühl. Greift alles schön ineinander, mir ist das aber etwas zu Coffeetable anfangs. Dann mit dem Sax-Solo geht es aber in eine gute treibende Richtung. Müsste eine jüngere Aufnahme sein als Track 1. Das schunkelt gut vor sich hin, arbeitet sich dann in der zweiten Hälfte mit dem zweiten Saxsolo etwas freier und wird gleich interessanter. Bin gespannt, wer das Saxofon spielt.
3 Klasse Klavier!! Wie es da diesen einen Akkord hart anschlägt und dann die Noten auslaufen lässt, das ist super. Das Klaviersolo dann ist auch sehr spannend, fließ und ist gleichzeitig doch nicht auszurechnen. Ein Höhepunkt. Könnte ewig so weitergehen. Ein bisschen weniger Korsett hätte die Rhythmusgruppe vertragen, aber hier steht alles im Dienst des Klaviers. Bester Track bisher.
4. Swingt toll. Die Melodie hat mich anfangs bei den ersten Hörläufen etwas genervt, wie sie da etwas behäbig einen Tick zu eingängig ist. Dann fraß sie sich aber in die Gehörgänge (and beyond…), bis sie mir im Traum noch nachhallte. Da wusste ich, das ist was Besonderes. Insgesamt ein wirklich toll gleitendes Konstrukt. Auch das Klavier ist gut, der Bass spielt einmal ganz kurz die Bond-Titelmelodie an, aber vielleicht fantasiere ich das auch nur. Jedenfalls alles ganz cool und elegant.
5 Jetzt geht’s ab. Mich hat der Anfang an Albert Ayler erinnert, der es ziemlich sicher nicht ist, aber diese Fanfare gleich zu Anfang, das ist von der Wirkung her ein bisschen so wie der Anfang von Aylers „Live in Lörrach“, wenn die Engel einmarschieren, oder so. irgendwie ist alles so schnell und nervös, das gefällt mir, nach dem eher coolen Teil davor. Alles ist freier, weniger auf Noten aus, obwohl auch eine kompositorische Strenge im Track liegt. Ich tippe auf Ende der ersten Hälfte der 60er.
6 Wieder getragener, schade, ich war von Trk 5 noch so aufgeputscht. Trotzdem sehr schöne Trompete. Auch das Sax ist schön, fast schon zu schön. Was mir gefällt: Die Instrumente gleiten nicht so sehr ineinander, bilden kein Swingmonster, sind irgendwie mehr individuelle Stimmen, dadurch wirkt es fast schon kammermusikalisch.
7 Hätte geschworen, dass es sich hier um Herrn Schmidt und Herrn Grün handelt, aber dem ist wohl nicht so, wenn ich von dem Einleitungstext zu diesem BFT ausgehe. Insofern habe ich keine Ahnung, wer das sein könnte. Für mich ist das just another Blue Note/Fantasy/Bay Area-Funk, den ich immer wieder gerne höre, aber auch nicht immer auseinanderhalten kann. Sax vielleicht von Gary Bartz? Oder ist das ein Teil von Rusty Bryant? Keine Ahnung. Gefällt mir sehr gut.
8 Schöner Anfang mit dunkler Färbung, afrikanisch. Dann bilden Sax und Trompete eine Melodie und Gegenmelodie aus. Streng komponiert. Hier swingt gar nicht. Muss auch gar nicht. Wichtig ist hier die Komposition, es hat auch einen Touch von Moderner Komposition. Bis jetzt hat kein Track dieses BFT so eine Stimmung evoziert. Sehr interessant. Beim Klavier am Ende, wenn auf den hohen tasten was kleines gespielt wird, muss ich an Jobim denken. Der ist es aber sicher nicht.
9 Die Melodie kenne ich, aber ich komme nicht darauf. Irgenwas was von einem Mojo-Sampler oder so. Wieder ein guter Track, toll wie sich Gitarre und Bläser abwechseln und ihre Stimmungen gegeneinander ausspielen. Gefällt mir sehr gut, auch die Gitarre, sie ist nicht so warm wie Grant Green sie spielt, hat noch mehr Knarren enthalten, das gefällt mir. Gitarren dürfen nicht zu schön sein. Dann werden sie schnell langweilig und einlullend.
10 Treibender Anfang, wieder sehr durchkomponiert, spannend, wie genau die Einzelteile ineinanderrasten und das Thema vorstellen. Dann darf das Sax Sax sein, spielt irgendwie rockig, wenn ich das so schreiben darf. Überhaupt hat der Track auch ein Rockfeeling eingebaut. Das Trompetensolo gefällt mir sehr gut, ist schnell und gedrängt, will gar nicht so Trompetenmäßig den Raum ausfüllen, sondern auch ein bisschen drängen, den Raum enger machen. Das sax macht es ihm jetzt nach, im Dialog mit den Drums, das finde ich jetzt aber verzichtbar. Egal, es sind viele gute spannenden Stellen in dem Stück.
11 Ein Blues. Schwieriges Terain für mich, weil ich bestimmte Notenfolgen im Blues übergehört habe. Und hier läuft das dann so durch, ohne mich groß mitnehmen zu können.
12 Schöne Bassarbeit zu Anfang. Ungewöhnliches Sax, hat fast etwas brasilianisches, der Ton erinnert mich etwas an Stan Getz, aber der ist es wohl nicht. Nach 2 Minuten zieht es gut und überraschend an. Mir ist das ganze etwas zu klischeehaft. Kann ich schwer erklären. Zuviel Rotwein im Track.
13 Melodie kenne ich, komme aber mal wieder nicht darauf. So ein gutes Ohr wie vorgarten, der im Blindfoldtest sogar aus Yazz Ahmeds Version von „Bloom“ noch die Basslinie des Originals von radiohead herauszuhören imstande ist, besitze ich nicht. Aber zurück zur Musik von 13: Eigentlich ein reines Trompetenstück. Der Rest begleitet dezent. Schönes Stück.
14 Anfang kommt mir wieder bekannt vor. Spannender Aufbau. Altsax? Ich mag die tiefen Töne, ich bin ja auch Fan der Bassklarinette von Eric Dolphy. Vieleicht spielt der hier ja mit. Eines der besten Stücke dieser Konkurrenz. Trompete Hubbard? Das Sax ist echt toll! Mit Nummer 2 bisher mein Lieblingsstück!
15 Wieder jazzy Funkgeorgel, oder funky Jazzgeorgel. Mit Breakbeats unterliegt. Der Gitarrist knarrt schön mit den saiten, es dürfte der selbe sein, der schon auf Nummer 9 knarrt. Gefällt mir gut.
16 Finde ich schön, wenn auch etwas harmlos. Hat was essigjazziges. Gut schneidendes Sax. Sonst gibt mir Nummer 16 abr nichts.
17 Wieder etwas, das wohl eher zu den älteren Stücken dieses bft zählen müsste, Ende 50er, oder so. Bigband mit Gefühl. Bisschen wie Filmmusik, aber lässt mich eher kalt.
18 Das wiederum finde ich wieder richtig gut! Erotischer Anfang mit der flauschigen Flöte. Dann geht’s gleich zur Sache. Gutes forderndes Sax, tighte Band. Das hat Fleisch. Klasse Gitarre auch. Nicht so zart. Aber sensibel. Wieder eine Lieblingsnummer. Auch das Klaviersolo ist total gut. Es gibt absolut nichts, was ich an dieser Nummer auszusetzen habe. Bin sehr gespannt, wer das ist.
19 Bildet zusammen mit Nummer 1 eine Klammer. Vielleicht dieselben Leute? Nochmal Druck nach vorne, wie eine mitreißende Konzertzugabe. Die Power gefällt mir, das Bigband-Bonanza eher nicht.
Fazit: Ein sehr variabler bft, auch wenn er laut gypsy ja eher in engeren Grenzen konzipiert ist. Einiges fand ich richtig gut, ab Nummer 11 nehmen für mich aber die nicht ganz so guten Sachen etwas zu, dafür sind dann aber auch wieder tolle Tracks wie 14 und 18 dabei. Vielen Dank, gypsy! Und sorry, dass es so lange mit meinem Kommentar gedauert hat. Ich habe den bft bestimmt mindestens ein Dutzend mal im Auto gehört, konnte dabei aber schlecht was schreiben. Ich bin richtig gespannt auf die Auflösung. Ich kenne übrigens nichts, absolut nichts davon.