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Anonym
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wahrSo, jetzt mal:
1. Der Anfang klingt ein bisschen wie ein Trommelworkshop (Einführung von Workshopleiter mit Demonstration, wo am Ende des Wochenendseminars alle Teilnehmer stehen sollen). Dann nach gut einer Minute gesellen sich doch noch andere Instrumente dazu. Es wird nordafrikanisch/nahöstlich. Mir ist die erste Hälfte des Tracks irgendwie zu demonstraitiv, Schritt für Stück werden Instrumente eingefügt, sowas könnte ein Einführungstrack eines Weltmusik-Albums aus den 80ern sein, oder so. Dann nach 3 Minuten etwa ist es aber sehr schön, wenn das Ensemble zusammenkommt und alles zusammen zu schwelgen und zu schwingen anfängt.
Für mich ist der Beginn eher wie ein Zusammentrommeln der Musiker. Der Aufruf sich nun endlich in Position zu bringen, so dass es richtig losgehen kann. Somit ist Deine Assoziation auch nachvollziehbar. Dann spielen sich die Musiker kurz ein, bevor es gegen Ende dann recht flott losgeht.
2. Toller Übergang zu Track 2. Müsste eine Bassklarinette sein, ich denke dann unwillkürlich an Eric Dolphy, dessen „Out To Lunch!“ gerade in Dauerrotation bei mir läuft. Und eigentlich ist dieser Track auch ganz ähnlich aufgebaut wie die Tracks auf „Lunch“: Ein einfaches, catchy Thema wird vorgestellt, durchaus mit Humor, dann wird das ganze in freiere Gefilde getragen. Die Soundqualität besonders der Drums ist allerdings so gut, dass ich kaum von einer Aufnahme aus der ersten Hälfte der 60er Jahre ausgehe, also Dolphy fast schon wieder ausscheidet. Andererseits hat aber auch „Lunch“ einen herausragenden Sound. Ich denke, es könnte wirklich Eric Dolphy sein.
Zu den Übergängen insgesamt möchte ich anmerken, dass ich kurz ein- und ausgeblendet habe, ca. 0,5 Sekunden jeweils, wenn ich es richtig in Erinnerung habe. Das verstärkt den Fluss zwischen den Songs noch einmal. Eric Dolphy’s „Out to lunch“ habe ich mir aufgrund Deiner Empfehlung besorgt. Bin jedoch noch nicht zum Hören gekommen. Leider ist er es in diesem Fall nicht.
3. Huch, ist so leise abgemischt. Ein Marschrhythmus, dazu ein Piano, das sich noch frei spielen wird. Die schnellen Läufe zwischendurch und die atonalen Töne lassen mich natürlich gleich an Cecil Taylor denken, aber der Anfang ist dafür eigentlich zu brav. Vielleicht ist es etwas früheres von/mit ihm. Ich glaube aber eher nicht. Schön jetzt die ruhige Stelle, wo wenig passiert. Gute Stellen, wo wenig passiert, sind nämlich eine Kunst für sich. Jetzt wird es brasilianisch, oder afrikanisch-brasilianisch. Keine Ahnung, wer das wirklich ist. Gefällt mir aber sehr gut.
Cecil Taylor ist es nicht, das ist richtig erkannt. Eine Dame ist dabei, die ich nicht als taktlos bezeichnen würde, auch wenn das Spiel sehr frei ist.
4. Hier denke ich wieder an das notorische Label aus Portugal, ähnlicher, teilweise tierlautmalerischer Humor wie LAMA, schön wie die Teile sich von Kanal zu Kanal ergänzen. Das Waldhorn ist auch sehr schön. Ich bin mir ziemlich sicher, dass da Leute von LAMA mitmischen, ohne den Track zu kennen. Insofern nur eine Vermutung von mir.
Stimmt J. Dank Deines bft bin ich erst auf das Label aufmerksam geworden. Ich meine, dass der Trompeter wohl der gleiche ist, wie bei LAMA. Ansonsten denke, ich sind es verschiedenen Musiker.
5. Schöne durchkalkulierte Blasmusik, ein Brechtscher Hauch von Lehrstückmusik umweht den Track irgendwie, ist da vielleicht Carla Bley oder Michael Mantler dabei? Schön, wie sich das dann aber recht schnell aus der ersten Form befreit, sich in ein Blasriff eingroovt, bis dann die Perkussion die Führung übernimmt. Treibt gut, klasse Track.
Chris Lightcap spielt hier Bass, ansonsten dominieren hier israelische Musiker. Wieder Portugal, was das Label angeht.
6. Festivalambiente, vielleicht ein Stück, bei dem zum Abschluss eines Konzerts Gäste mit auf der Bühne stehen, so ein Happeningdingens in Montreux, oder so.
Ich denke, bei denen ist alles ein großes Happening und Gäste hätten wohl keinen Platz mehr auf der Bühne ;-). Doch Festivalatmosphäre stimmt schon, allerdings nicht Montreux.
7. Sehr melodiös, afrikanisch, und wieder mit Klavier. Irgendwie sowieso viel Klavier in dem schönen Geklingel dieses BFTs. Ich mag den Klaviersound nicht so sehr, ist das ein E-Klavier? Ist mir zudem etwas zu boogiehaft. Das Saxofon kommt mir auch eher formelhaft rüber, auch wenn es freier wird, tut es nicht weh und bohrt nichts Erschütterndes an. Mir etwas zu gefällig.
Ja, es ist eher gefällig. Hatte noch überlegt, ob ich das Tempo weiter hochhalten sollte, doch habe mich dann für eine kleine Verschnaufpause entschieden, allerdings mit normalem Klavier.
8. Das nimmt mich gefangen. Wie da alle verharren, dem Klavier lauschen, das nicht auftrumpfen will, flüssig und doch nicht überladen spielt, während eine Oud (?) laut ausgesteuerte Gegenakzente setzt. Könnte was aus den Nullerjahren sein, als die Nebengeräusche in der Musik oft tragendere Rollen übernahmen. Jetzt ist aber doch das Klavier der Hauptpart. Keine Ahnung, wer das sein könnte. Gefällt mir jedenfalls.
Das hast Du schön beschreiben :-). Es sind zwei Musiker zu Gange, eine Oud ist nicht dabei. Ich denke, es ist der afrikanische Bassist, der dieses Geräusch produziert. Insgesamt ein sehr schönes Album, wie ich finde, allerdings schon etwas älter.
9. Kenne ich – oder auch nicht. Ich bin etwas verwirrt. Ich kenne das Stück mit viel weniger Hall auf der Stimme und einem viel freieren Verlauf nach 2 Minuten, nicht so treibend straightforward, sondern mit einem auf- und absteigenden freien Bläserthema. Ich muss das nochmal nachhören. Aber diese Version hier klingt deutlich familienfreundlicher.
Ok, ich wüsste jetzt nicht, ob die Version anders klingt, als das Original. Kann dazu keine Infos finden. Würde mich jedoch auch interessieren.
10. Das Herzstück des BFT. Herausragend und ebenfalls bekannt. Ein tolles Stück, das sicher auch Pate stand für den Track von Shabaka & The Ancestors, den ich beim BFT davor verbraten hab. Ein unerklärlicher Zauber geht davon aus, der einen Zeit und Zeitverläufe vergessen lässt. Vielleicht ist es so, das diese Art von Tracks eben Musik nicht als Chronologie denkt, nicht als eine Geschichte von zeitlich aufeinander folgenden Abläufen, sondern alle Zeiten sich gleichzeitig in jedem Punkt darstellen. Ich finde, man merkt dieser Musik an, dass ihre Haltung nicht derjenigen der „westlichen“ Philosophien folgt, so vage das jetzt auch formuliert ist. Natürlich geht der Track über das hinaus, was Shabaka macht, was Wagnis, Suchen und Ernsthaftigkeit angeht, ich mag aber beides gerne. Man kann nicht immer nur Allerintensivstes hören, manchmal reicht ein bisschen zugänglichere Magie auch aus.
Für mich besteht der Zauber auch aus der Kombination von Musik und der Poesie, die darin verborgen liegt. Es hat etwas sehr menschliches, zerbrechliches, was auch durch die etwas schüchterne Stimme zum tragen kommt.
11. Was Ruhiges nach der epischen Skulptur. Ein Trio (mit Klavier natürlich 😊). Schöner Mittelteil, wo das reduzierte Drumsolo nur kurz vom Piano akzentuiert wird, dann Vibrafon. Insgesamt alles ganz schön, aber in der Summe auch etwas belanglos in meinen Ohren.
Hier nun das Gedicht, eines relativ unbekannten Dichters, es beschreibt den Titel sehr gut, finde ich:
African
Violet
I see you in the wind
Subtle, beautiful
The sun captures you,
from bloom to stem
Your dark attraction is intoxicating
Various shades you are,
Blue-violet, fuschia and pink
My favorite
The wind teases your petals,
Your color is rich,
Deep
Your petals are your crown
Where did you come from?
Usam Basa mountains of Kenya or Tanzania?
What do they call you?
They call you “Blue Boy”, but I like
“Pink Beauty”
I pluck you, and touch your petals…softly
Teasing the rim ever so gently
Let me plant you in my garden
Let my water flow around you,
In you, to nurture you
– Joshua Obajobi –
12. Anfangsthema erinnert mich in den ersten 10 Sekunden an John Carpenters Score-Musik, schön reduziert, weniger unheimlich als vielmehr zart. Eine ganz eigene, ernste Stimmung. Klavier natürlich. Eine Akustikgitarre schleicht sich rein, bemüht, zart zu bleiben und zu unterstützen. Toller Track!
Da kann ich Dir auch das gesamte Album wärmstens empfehlen. Es sind auch einige bekannte Musiker am Start.
13. Dann zum Schluss nochmal eine schöne Akustikgitarre. Oder sind es mehrere? Kann man das alleine spielen? Nein, kann man nicht, es sind zwei Gitarren, die sich ergänzen. Vielleicht was von Jack Rose? Klingt eigentlich älter, vielleicht was aus dem Takoma-Umfeld. Sandy Bull wäre auch ein Kandidat, zumal der auch im Multitrack gerne mit sich selbst gespielt hat. Könnte also gut passen. Jedenfalls sehr, sehr gut, weil die Gitarren eine gewisse Klanghärte behalten. Ein hervorragender Ausklang.
Freut mich, dass auch dieses Stück so gut ankommt :-).
Exzellenter BFT! Ich fand kein einziges Stück wirklich schlecht, im Gegenteil konnte ich ihn mit viel Genuß durchhören. Er hat auch einen sehr guten Flow. Herzlichen Dank, Badlands! Ich bin nun gespannt, was die anderen geschrieben haben und werde bestimmt immer wieder gerne zu diesem BFT zurückkehren!
Vielen Dank für die Blumen, dann hat sich ja die Mühe gelohnt ;-)…
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