Antwort auf: blindfoldtest #27 Mr Badlands

#10522299  | PERMALINK

friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

Beiträge: 5,112

Spät kommentiere ich, aber ich kommentiere.

Track #01

Nahöstlich / arabisch klingende Perkussion. Sehr schön finde ich, wie durch den verhaltenen, rein perkussiven Anfang Spannung aufgebaut wird. Denn irgendwas anderes muss da ja noch passieren. Und dann wird ja nach and nach auch allerhand aufgefahren, es wird dicht und üppig. Ds kommt Stimmung auf. Klingt ein wenig wie eine programmatische Ost-West / Orient-Okzident-Fusion Sache. Guter Einstig in den BFT!

Track #02

Ups, den Übergang zu #02 habe ich dann fast überhört. Ist das eine Klarinette, Bariton oder Bass oder so? Die wirkt im Ton auch etwas orientalisch, ich vermute aber, dass da kein Orientale mit am Werk ist, dafür ist es zur sehr „Jazz“. Und das ist auch gleichzeitig mein Problem mit diesem Track: Jeder kriegt sein obligatorisches Solo – ach ja, natürlich auch der drummer und der Bass. Ich mag diesen Ablauf einfach nicht mehr hören, schon gar nicht, wenn sich die Soli so weit vom Ursprung / dem Thema entfernen. Ich höre einzelne Teile diese Stücks gerne, aber in meinen Ohren zerfällt das mehr und mehr und ergibt für mich weniger als die Summe seiner Teile. Sorry, das ist wohl mein eigenes Problem, aber es ist so.

Track #03

Afrika ist das übergordnete Theam dieses BFTs? Das erschließt sich mir anhand dieses Stücks eher weniger. Ist irgendwie suitenartig aufgebaut, oder? Ich meine, es sind verschiedene Teile, die aneinandergereiht sind. Klingt dadurch etwas konstruiert, wenngleich die Teile in sich wieder recht frei sind. Okay, „Free Mandela“, da ist der afrikanische Bezug. Hört sich für mich aber am Ende doch zu ausgedacht an, als dass es mich bewegen könnte.

Track #04

Und hier eine ironisch-dekonstruierte Blaskapelle! Könnte lustig sein, ist es in meinen Ohren über weite Strecken aber leider nicht. Ich könnte sowas mögen, gehöre ja durchaus zur Zielgruppe des lustvollen Zerspielens. So lustvoll finde ich das nach einer Weile aber nicht mehr sondern auch eher verkopft. Da grooved oder swingt gar nichts mehr, das ist Kunstmusik mit großem K. und für mich nur kleinem Spaß. Ist dies ein BFT des verkopften ambitionierten Free Jazz? Hoffentlich nicht! Ich bin geradezu erleichtet, wenn sich dieses Stück dann wieder fängt und die Bläser im Hintergrund dieses einfache schöne Thema spielen. Aber dann wird das auch schon wieder zerspielt … Leute, warum könnt ihr nicht einfach mal ein paar Minuten geradeaus spielen sondern müsst gleich wieder irgenwelche Verrenkungen machen?

Track #05

Funktoniert für mich schon viel besser als #04, weil kompakter, zwingender groovend. Damit habe ich durchaus meinen Spaß, auch die angedeuteten Soli fügen sich schön in die Gesamtdramaturgie ein. Bassist und drummer gefallen mir da sehr gut, die treiben das sehr schön an, bilden eine solide groovende Grundlage, über die die Bläser fast machen können, was sie wollen. #05 hält, was #04 verspricht. Like!

Track #06

Jetzt geht die Party richtig los! Und ist auch schon wieder vorbei … Da haben alle ihren Spaß!

Track #07

Kammermusikalisch aber nicht unlustig oder un-groovend. Hübsches kleines Kabinettstückchen zwischen Piano und Sax. Piano hält so einen kreisenden, tänzelnden Puls, über den das Sax herumwirbeln kann. Macht mir für knapp 4 Minuten Spaß!

Track #08

Jetzt wird es im Gegensatz zu #07 besinnlich, melancholisch. Etwas Drama kommt auf … Was jetzt? Spannung steigt! Und dann geht es ja richtig ab! Auf dem Höhepunkt wirklich zupackend. Ein tolle Übung in Spannung und Steigerung. Pianist ist super!

Track #09

Meine ich irgendwo her zu kennen, erkenne es aber nicht wieder. Wenn ich spitzzüngig sein wollte – was mir fernliegt! – würde ich sagen, das ist von einer AMIGA-Platte, die dem Hörer die Musik des Nordamerikanischens Schwarzen nahebringen will, komplett mit pädagogischen Klappentext auf der Rückseite des Covers. Das ist auch weltanschaulich wertvoll! Sowas findet man hier in Berlin immer wieder auf Flohmärkten. Aber, das ist eine Schublade, die AMIGA auf und wieder zu gemacht hat und nicht die Musiker. Denn das ist ja wirklich gut, ich mag dieses Gospelfeeling sehr gern, auch wenn das insbesondere in Verbindung einer so plakativ vorgetragenen Botschaft („Freedom“) etwas rustikal wirkt.

Track #10

Sollte ich das kennen? Aber nicht in dieser Version, oder? Wirkt durch den Gesang und das Geklapper und Geklöppel und die exotischen Instrumente erstmal irgendwie authentisch afrikanisch, aber authentisch in Bezug auf was und wo in Afrika genau eigentlich? Und dann wird es ziemlich free-jazzig, ein Taumel und ein Rausch. Da erkenne ich dann aber auch, dass es vermutlich keineswegs aus der alten Heimat kommt, sondern aus der neuen, mit verklärtem Blick zurück. Ich muss mich ein gutes Stück erstmal auf diese Trance einlassen, und die fast 20 Minuten sind schon eine Herausforderung im BFT. Hat etwas von einer gemeinsamen Meditation, einem rituellen extatischen Tanz, für den ich nicht so schnell in Stimmung komme. Ich hege dabei aber auch so einen leichten Verdacht des spirituellen Ethno-Kitsches. Is‘n Vorurteil, ich weiß …

Track #11

Und zurück in die nüchterne Wirklichkeit! Nach #10 hat das für mich etwas Erleichtendes, ist ja im Vergleich dazu auch fast – äh … – leichte Muse. Unheimlich relaxed, fast etwas träge, nein es wird sogar richtig schleppend, Piano und drums schlafen ja fast ein. Aber was für eine Spannug damit aufgebaut wird! Hier wird Zeit und Raum gedehnt, der Schwerkraft vorübergehend aufgehoben. Und dann die Auflösung, wenn das Vibrafon wieder einsetzt. Das mit der leichten Muse nehme ich zurück. Das muss man sich erstmal trauen. Großartig!

Track #12

Wieder was ganz Filigranes und Leichtes, nur getupft, Kammermusik. Veilleicht etwas zu hübsch für mich, was zum Entspannen. Musik, die die Stille hörbar macht, wenn ich es schlagwortartig ausdrücken wollte. Aber stimmt ja auch irgendwie.

Track #13

Ein Epilog auf der / den Akustischen. Knüpft geschickt an #12 an. Hat etwas von einer Etüde, ein Kabinettstückchen mit diesen parallelen Linien. Weiß gar nicht, ob ich das so gedoppelt gut finde, oder ob es mir einzeln besser gefallen würde. Bildet aber einen guten Abschluss dieses BFT – auch wenn das Ende selbst dann etwas abrupt ist.

Ein BFT, der es mir nicht immer leicht gemacht hat und offen gesagt habe ich daher auch ein Weilchen mit den Kommentaren gebraucht. Nichts auf Anhieb erkannt und ich habe auch nur bei einen Stück einen Verdacht – der sich natürlich erhärtet, wenn ich in den vorherigen Kommentaren (und der Ankündigung) nachlese. Das programmatische Thema Afrika konnte ich ansonsten nur bei einigen Stückens heraushören und bei meinem Lieblingstrack #11 eigentlich gar nicht. Aber allein für diesen Track hat es sich gelohnt.

War insgesamt eine Herausforderung und am Ende ein Gewinn!

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„Für mich ist Rock’n’Roll nach wie vor das beste Mittel, um Freundschaften zu schließen.“ (Greil Marcus)