Antwort auf: blindfoldtest #26 – wahr

#10504733  | PERMALINK

wahr

Registriert seit: 18.04.2004

Beiträge: 15,110

vorgartenvielen dank für die auflösung und diesen bft, @wahr! ich mochte sehr, dass es um annäherungen an den jazz von vielen unterschiedlichen seiten ging, auch dass viel aktuelles dabei war.

wahr

das freut mich! mir bleibt ja gar nichts anderes übrig, als mich jazz von unterschiedlichen seiten zu nähern.

vorgarten1.

interessant, wie die sitzen. bzw. wie sich evans hier an das genialische bassistenkind anschmiegt – und kein wunder, dass er nach dessen tod (nur 2 wochen später?) erstmal ins leere fiel. natürlich furchtbar traurig sowas. gerade evans war wahrscheinlich jemand, der seine engsten menschlichen beziehungen in seinen bands ausgelebt hat.

wie gypsy schon vermutet hat, stammt das foto aus dem cd-booklet. dass sich bill evans an den bassisten schmiegt, könnte aber auch am heizkörper liegen, der ihm kaum platz für andere sitzpositionen lässt.

vorgarten

wahr2. Tony Malaby / William Parker / Nasheet Waits ‎– Buried Head

das war ein ziemlicher downer für mich, obwohl ich auch hier das eigene ding gelobt hatte, dass bassist und drummer miteinander machen. habe mir das ganze album nochmal angehört und mag es tatsächlich viel weniger als früher. abgesehen vom closer, den ich nach wie vor unglaublich (aber ungleich energetischer) finde – und den ich in meinem allerersten bft präsentiert habe.

finde ich schade, dass ein bft jemanden dazu bringt, etwas plötzlich schlechter zu finden, was man vorher mochte. Was ist von malaby denn noch empfehlenswert? Wo würdest du an meiner stelle weitermachen? Frage geht natürlich an alle.

vorgarten

wahr3.

@friedrich fragt, warum sowas heute so populär ist. weil sich jede zeit einen neues reim auf das bestehende macht? und außerdem muss man hier ja genauer hinschauen – den utopischen spiritualismus des coltrane-ehepaars (von beiden sind ja gleichviel kompositionen hier neu eingespielt), mit „indien“ verknüpft, hier von indoamerikanischen musikern aus brooklyn re-appropriiert. mit den ganzen filtern und vermischungen, reisen, studien, vedantic center – und ausgerechnet der sohn mit dem namen ravi spielt hier nicht mit. dafür aber brandee younger, the nearest thing to alice, von flying lotus bis (eben) ravi coltrane, was auch schräg sein muss, wenn man seine eigene mutter mit einer jungen musikerin neuaufstellt.

wow, das nenne ich mal eine sezierung der musikerverhältnisse. Ich lese übrigens gerade sehr interessiert deine und gypsys auslassungen zu alice coltrane, nachdem mir zwei lps von ihr letzte woche unverhofft vor die füße gefallen sind.

vorgarten

wahr4.

das geht mir auf perverse weise nicht mehr aus dem ohr. der bass/drums-groove zwischendrin ist wirklich toll (etwas weniger als der in #8), das gitarrensolo auch. ich glaube, ich höre da mal ein bisschen weiter.

das letzte album der sun city girls, von dem auch der track stammt, ist vergleichsweise zart und aufgeräumt. Die konnten auch noch ganz anders wüten.

vorgarten

wahr5.

danke (auch für dieses tolle foto – es gibt so unglaublich viele tolle fotografische selbstinszenierungen von veloso, ohne dass man ihm das als eitelkeit auslegt, es sind ja immer androgyne verunsicherungen der machokultur, wie ja auch seine dada-texte aus der phase einen bedeutungszusammenbruch der militärdiktaturrhetorik herbeiführen wollten – aus ohnmächtiger perspektive).
noch verrückter als die CAETANO VELOSO ist ja ARACA AZUL, kennst du die auch? das ist dann eigentlich schon konkrete poesie, ohne beat-schnickschnack. und beat-schnickschnack at his finest ist dann TRANSA. das cover von ARACA ist auch ein selbstinszenierungs-shirtless-dandy-highlight:

ja, araca azul schätze ich auch sehr. Mit einem meiner absoluten lieblingsstücke von veloso: julia / moreno. Aber auch die stimmlauttracks gefallen mir. Mir gefällt auch die extreme uneinheitlichkeit und experimentierwut. dieser erklärte willen, nicht gefallen zu wollen, was sich ja auch im cover spiegelt, wenn veloso seinen bauch nach vorne streckt, um sich hässlicher zu machen. und zwischendurch dann eben sowas wie julia / moreno oder das verfuzzte de cara. Er hat zwar nie wieder so ein album gemacht, aber spuren davon finden sich immer wieder in seiner musik.

vorgarten

wahr 6.

schön. wo findest du sowas? das album gerade mal quergehört – rodrigo tavares gefällt mir als gitarrist sehr gut – ist ein bisschen an der grenze zum geschmäcklerischen, aber hat was.

in der vorletzten wire gab es einen kleinen text über ihn. Der hat mein interesse geweckt.

vorgarten

wahr 7.

danke auch hierfür. der rest des albums ist mir zu sehr gemischtwaren, aber man sollte die dame wohl unbedingt auf dem schirm behalten.

so sehr ich mich auch anstrenge, kann ich in ihrer coverversion das original überhaupt nicht wiedererkennen. Ich mag den rest des albums gerne, höre eine einheitliche handschrift heraus und habe deswegen auch nicht den eindruck von gemischtwaren. mal wieder in der wire entdeckt. Nummer 1 der jazz-liste für 2017. vor jaimie branch (die ich sehr super finde).

vorgarten

wahr 8.

wie ich schon sagte: beste halbe minute der deutschen musikgeschichte. aber ist das nicht eigentlich eher hieraus (1981):

und hier der großmeister-remix. bitte urteilen sie selbst:
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(von der schönen can-remix-compilation aus den 90ern[?]. da ist auf jeden fall noch ein toller carl-craig-remix von „future days“ drauf).

ich kenne den track nur von dieser platte. gefällt mir gut, der remix. Danke für den link.

vorgarten

wahr 9.

hier wundert es mich, dass das nicht aus den frühen nullern, sondern aktuell ist. ich find’s nett, aber einen pressetext mit den aufhängern space und future kann man daraus nicht basteln, es gibt hier nur ein elektrisch verstärktes sax und einen stumpfbeat.

das trio nimmt sich nicht besonders ernst, es gibt noch ein paar mehr tracks von ihnen, die in ähnlich richtungen gehen. Dazu noch ein paar eher dubbige sachen. Ich höre das sehr gerne im auto bei entsprechender lautstärke. Für mich eine der platten des letzten jahres.

vorgarten

wahr 10.

danke auch hierfür, weil ich jetzt weiß, dass ich dem shabaka-hype auf keinen fall hinterherlaufen sollte. sein tenorsaxspiel löst in mir große allergien aus, was mit ton, phrasierung, haltung und emotionalität zu tun hat, also ziemlich das gesamtpaket betrifft.

da habe ich jetzt schon genug zu gesagt. Ich mags.

vorgarten

wahr 11.

susana santos silva also. kann ich wenig sagen außer ihre virtuosität hervorheben. das ist für mich nicht der real deal, sondern ein muckerspaß. aber in alle richtungen voller potenzial.

ich höre da keine skill-präsentationen als selbstzweck heraus. Stattdessen höre ich gute kommunikationen, manchmal etwas zu sehr an tierlauten orientiert.

vorgarten

wahr 12.

ja, toll. habe mir kurz danach schon die DAY AND NIGHT besorgt, weil die insgesamt so lo-fi wirkte wie dieses eine stück aus einer viel mehr lärmenden platte hier. gefällt mir auch gut, auch wenn ich dort finde, dass die sängerin doch zu wenig macht (flüstern und verhuscht aufsagen, ist auf dauer dann nur bedingt reizvoll), musikalisch ist das aber eine große entdeckung und wird bei mir auch weiterverfolgt (dafür läuft DAY AN NIGHT auch gerade zu oft bei mir).

ich würde eher die „the sand and the stars“ empfehlen. Ähnlich ruhig wie die „blossom filled streets“, etwas weniger experimentell. Meine lieblingssplatte von ihnen.

vorgarten

wahr 13.

@friedrich erinnert sich falsch (oder nur halb), wir waren beide beim sao-paulo-underground-konzert im haus der kulturen der welt 2009, anschließend trat noch louis moholo-moholo mit band auf. ich finde die beiden brasilianer mit ihren kleingitarren und den analogen synths schon sehr toll, auch das schlagzeug ist vielmehr sexy-brasilien als chad taylors chicagoer komplexgerumpel, und im tollsten fall bauen die so ekstatische schichten übereinander, dass man nur noch eirigiertes material hört. sanders steht dafür natürlich kaum aus dem sessel auf. hier das (viel produziertere) original:
<iframe src=“https://www.youtube.com/embed/VvuVJU2urFk?feature=oembed“ allow=“autoplay; encrypted-media“ allowfullscreen=““ width=“500″ height=“281″ frameborder=“0″></iframe>

auch eine schöne version. Selbstverständlich kannte ich sie vorher nicht.

vorgarten

wahr 14.

interessant – aber wie hört man sowas? cratedigger heaven, hipstermusik der archäolgisch freigelegten authentizität, spurbereinigt, spezialistenberauscht? (habt ihr alle schon WHITE TEARS gelesen?) aber das ist sicher ungerecht.

ich habe es vorhin schon in meinem kommentar zu friedrich geschrieben: ich bin letztendlich über john fahey und old time music dazu gekommen. wen der geist alter aufnahmen mal erwischt hat … dazu finde ich unglaublich, wie sehr der tune in qualität und ausführung in elektronischer form auch von heute stammen könnte.

vorgarten

wahr 15.

erkannt, puh. interessant auch, dass ich cyrille durch sein spiel identifizieren konnte. man kann taylor nicht in großen mengen hören, weil es in jedem detail schon so unglaublich ist. das album kenne ich allerdings gar nicht.
ich finde ja einmal mehr: bfts sind super.

stimmt, cecil taylor ist für ein album am stück gut, dann muss man ein bisschen runterkommen, um sich dann frisch erholt nochmal in den strudel zu stürzen. Danke für deine kommentare, @vorgarten!