Startseite › Foren › Fave Raves: Die definitiven Listen › Die besten Alben › Gipettos Rezi-Kiste › Antwort auf: Gipettos Rezi-Kiste
The Blind Shake – Seriousness (2011)
Gelegentlich stolpert man per Zufall über eine Band, von der einem zuvor nicht einmal der Name geläufig war, und die sich dann als unverhoffter Glücksgriff entpuppt. So erst geschehen mit The Blind Shake, auf die ich kürzlich durch ein Soloprojekt eines Bandmitgliedes aufmerksam wurde. Die aus Minneapolis stammende Gruppe wurde Anfang der 2000er Jahre von den noch jungen Brüdern Jim und Mike Blaha gegründet, die sich in ihrer Jugend insbesondere für den klassischen Rock ’n‘ Roll begeisterten. Dave Roper komplettierte das Trio als Schlagzeuger. In dieser Besetzung verschmelzen The Blind Shake bis heute Garage Punk, Noise und Surfmusik mit einem gelegentlichen Schuss dezenter Psychedelia zu einer eigenen und hochexplosiven Mischung. Einen besonderen Reiz macht dabei die Instrumentierung aus, da die Band seit jeher grundsätzlich unter völligem Verzicht auf einen Bassisten auf eine Bariton-Gitarre zurückgreift und dem Sound dadurch einen sehr mittenbetonten Charakter verleiht.
Seriousness erschien 2011 als drittes The Blind Shake-Album, nachdem die Band im Anschluss an ihre beiden Erstwerke zuvor einige Jahre als Begleitmusiker des Noise-Pioniers Michael Yonkers gespielt und mit diesem auch einige Studioproduktionen aufgenommen hatte. Auf Seriousness fanden sie erstmals ihren typischen Sound, der trotz der eher spärlichen Instrumentierung sehr dicht gestrickt, nahezu immer im (analogen!) roten Bereich gepegelt und nicht zuletzt auch aufgrund Ropers monströsen Drummings mit einem unglaublichen Druck behaftet ist. Der rote Faden des Albums ist ein atemberaubender Minimalismus, den die Band kompromiss- und schnörkellos durchzieht, und im Zuge dessen sowohl textlich als auch musikalisch sämtliches schmückendes Beiwerk über Bord geworfen wird. Als Ergebnis stehen 13 Tracks zu Buche, von denen kein einziger die Drei-Minuten-Marke überschreitet.
Eröffnet wird der Streich durch die Vorab-Single Hurracan, die sich deutlichen Anleihen der Surfmusik bedient. Ab dem dritten Track Sold My Beatle A, der auch als Paradebeispiel für den gelegentlich bewusst zur Schau getragenen lyrischen Nonsens herhalten kann, enwickelt die Platte über die folgenden vier Stücke bis einschließlich No Rags einen perfekten Flow, der in seiner Geschlossenheit alles niederwalzt. Der letztgenannte Titel stellt mit seinen orkanartigen Riffs und einer untypischen, kurzen „Verschnaufpause“ ein Highlight des Albums dar. Ein weiteres folgt mit dem treibenden kleinen Club-Hit I’m Not An Animal. Für die beiden letzten, ebenfalls herausragenden Titel On Me und Hand Me Downs wird durch den Einsatz von cleanen bzw. gar akustischen Gitarren etwas Dampf vom Kessel genommen, ohne dabei jedoch auch nur einen Funken der bedrohlichen, surrealen Intensität preiszugeben. Dann plötzlich, nach gut 28 Minuten Laufzeit, geht das Inferno mit einem letzten aufbäumenden Wimmern unverhofft zu Ende: Unwirkliche Stille. Endlich Zeit, um Luft zu holen…
Mittlerweile habe ich mir fast alle Alben von The Blind Shake zu Gemüte führen dürfen. Und obwohl der Nachfolger Key To A False Door um einiges verspielter daherkommt und die Band auf dem aktuellen Werk Celebrate Your Worth deutlich vielschichtiger zu Werke geht, so ist Seriousness Stand heute dennoch mein klarer Favorit. Bei allem Minimalismus ist das Album ein Aushängeschild für eine knallharte musikalische Stringenz, die dem Hörer zusammen mit dem dichten, brachialen Klanggewand schier den Atem nimmt.
--
"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)