Antwort auf: blindfoldtest #26 – wahr

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wahr

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friedrichTrack #01 Ein für mich überraschender Einstieg, nicht nur, weil man damit abrupt entschleunigt und in eine besinnliche Parallelwelt transponiert wird, sondern auch weil das etwas ist, das hier vermutlich die meisten sofort erkennen. Zugegeben habe ich das Stück selbst nicht sofort erkannt, aber natürlich Musiker und Album. Ich habe das früher mal als gefällige Hintergrundmusik wahrgenommen, und dem auf dieser Aufnahme im Hintergrund zu hörenden Gequatsche und Gläserklirren nach zu urteilen, war ich da nicht der einzige. Aber sicher macht auch diese Athmosphäre mit den Reiz dieser Aufnahme aus. Sie wirkt dadurch entspannter und spontaner als eine Studioaufnahme. Umso intensiver trifft mich in dieser Situation die Feinheit dieser Musik. Das muss man auch erst mal schaffen, im Trio so ein gemeinsames Feingefühl zu entwickeln. Ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum. Sehr schön!

der überraschende einstieg kam so zustande, dass ich ursprünglich einen track als eröffnung vorgesehen hatte, zu dem #2 dann besser gepasst hätte, während ich #1 eigentlich erst später bringen wollte. Dann habe ich aber die ursprüngliche nummer eins verworfen, fand die folgenden tracks aber ganz gut hintereinander passend, daher habe ich es dann so belassen, auch wenn #1 vielelicht nicht so passt. Zur #1 selbst: ja, dieses feingefühl finde ich auch herausragend. Man müsste mal versuchen, damalige zuhörer ausfindig zu machen („was haben Sie sich dabei gedacht, ausgerechnet bei dieser aufnahme mit dem glas zu klirren?“). Andererseits ist es so wie du schreibst: die hintergrundgeräusche gehen in den track ein und geben ihm auch etwas entspannteres und lebendigeres.

friedrichTrack #02 Hört sich für mich zunächst wie ein ziemlicher Bruch zu Track #01 an, aber dann nehme ich auch hier eine Trio-Besetzung wahr, allerdings mit Sax statt Piano. Aber auch diese drei umspielen sich gegenseitig, wenngleich nicht mit so einem Schönklang wie bei #01. Ganz schön schräg und für mich eher theoretisch interessant als praktisch genießbar.

so schräg ist das gar nicht, finde ich. Und dann fließt eben alles raus aus dem gebläse, etwas heiser, etwas wüste, etwas scharf gewürztes.

friedrichTrack #03 Jetzt wird es intensiv! Das schwere Basssolo am Anfang baut Spannnug auf und dann wird so richtig aufgefahren. Mit der Sitar ist auch ordentlich Exotik dabei und ich unterstelle da mal einen spirituell-berauscht-berauschenden Anspruch. Harfe auch noch! Zu den Vorbildern scheinen wohl u.a. die Eheleute Coltrane zu gehören. Das hat sehr viel Pathos und darauf muss ich mich erstmal einlassen, indem ich den Verstand in die Kaffeepause schicke. Dann lasse ich mich da gerne mal mit auf den Trip nehmen. Habe keine Ahnung, wer das sein könnte. Ist das orignal aus den 60er oder 70ern oder ist das eine Retro-Geschichte? Kann man ja heutzutage wieder machen, sowas.

retro. Die eheleute coltrane sind als inspriration gut erkann. @vorgarten hat es mal wieder am besten formuliert mit der ‚coltrane familienaufstellung‘.

friedrichTrack #04 Erst großes Pathos, jetzt subversive Albernheit. Und offenbar auch ein geografischer Sprung von Indien nach Brasilien (?). Dada-esque Collage mit abrupten Schnitten. Lustig. Könnte Tom Ze sein. Offenbar zusammengeschnitten, aber ich weiß nicht, ob das für 60er oder 80der oder noch später spricht. Die noisige E-Gitarre spricht für später. John Zorn hätte seine Freude daran. Mit diesen Schnitten sehr filmisch und aufregend. Und erstaunlich, dass das trotz allem noch grooved.

noisige gitarre spricht für später, genau. Es ist von 2010 (eigentlich von 2007), brasilianisch kommt nicht vor, aber das macht nichts.

friedrichTrack #05 Das kenne ich, wenn auch nur von dieser (sehr guten) Compilation. Auch das collagiert, wenn auch nicht zusammengeschnitten. Aber im Studio aus verschieden Aufnahmespuren zusammengebastelt. Die Kombination von Stimitteln aus verschiedenen Kontexten und abrupte Schnitte waren damals und dort wohl fast programmatisch – in dieser Zeit kollidierte nicht nur in Brasilien und nicht nur in der Musik so einiges miteinander. Rock, Streicher, eigenartiger Staccato-Sprechesang, Gejaule im Hintergrund, eigenartige Stimmungswechsel. Fügt sich auch sehr gut an das vorherige Stück. Like!

ich war mir sicher, dass du es kennst.

friedrichTrack #06 Und zur Abwechslung wieder was Besinnliches! Das Gitarrenostinato, das smoofe Sax, alles sehr behaglich. Die Steve-Reich-Vibrafone sind fast schon konsequent und im Nachhinein vorhersehbar (kann man das so sagen?). Ein bisschen viel behaglicher Schönklang, hochwertige Wohlfühlmusik, aber ich mag das! Der zweite Teil ohne Sax aber mit den beiden gegen-/ miteinander spielenden Vibrafonen und dem monotonen Gitarrenpattern liegt mir mehr als der erste Teil. Ist dann aber auch gar nicht jazzig, eher so eine softe Variante von Postrock. Sehr vermutlich aus den 90ern oder später.

später als 90er, nämlich 2018. ein brasilianer.

friedrichTrack #07 Stilistisch ähnlich wie #06, auch da haben wir die Ostinati, aber rhythmisch akzentuierter, rockt ja fast, ein Stück weit aufregender, die Trompete die darüber schwebt ist sehr schön. Überhaupt: Die Bläser! Trompete, eine Klarinette im tieferen Register und noch was anderes, das ich gerade nicht identifizieren kann. Etwas aus dem Chicago Underground / Tortoise-Umfeld? Wunderbar!

kein wirkliches postrock-umfeld. Album ist von 2017, verantwortlich ist eine trompeterin/komponistin aus england/bahrain, auf der suche nach einer musikalischen sprache für ihre identität.

friedrichTrack #08 Da verdächtigte @vorgarten mich, dass ich das erkenne. Ich kann den Verdacht nicht leider erhärten, sonden kann nur raten. Roter Bereich? Rudi Mahall? Habe ich mich damit spektakulär vertippt? Lustige Kabarett-Einlage!

einziger vertreter aus deutschland in dieser konkurrenz.

friedrichTrack #09 An den besten Sonntagnachmitttagen könnte man das als Straßenmusik unter dem U-Bahn-Viadkt an der Station Eberswalder Straße in Berlin erleben und daran Spaß haben. Erinnert mach aber noch mehr an das hier, das ich leider nicht selbst in situ erlebt habe. So jung und wild und lustig kommen wir nie wieder zusammen. Toll!

freut mich, dass dieser track im allgemeinen hier gut wegkommt (von gypsy abgesehen).

friedrichTrack #10 Ups, abrupter Stimmungswechsel! Fängt für mich spannend an mit dem Bassmotiv, zerfasert in meinen Ohren danach aber und als ich feststelle, dass das noch minutenlang weitergeht, verliere ich die Lust. Not my cup of tea.

ich werde also weiterhin der einzige bleiben, der …

friedrichTrack #11 Misteriös, tastend fängt das an, Trompete und Klarinette (?) umspielen sich gegenseitig, es wird dichter und intensiver, es komme weitere Bläser dazu. Kein Piano. Das hat in meinen Ohren auch etwas kabarettistisches mit den verschiedenen Stimmen, die sich aneinander hochschrauben. Ich stelle mir das live als eine Art Schauspiel vor, für meinen persönlichen Geschmack ist das als Tonkonserve in den eigenen vier Wänden aber in dieser Intensität schwer zu genießen. Wirklich nichts zum behaglichen Nebenherhören.

schauspiel und kabarett finde ich passend. Ich höre ebenfalls so etwas heraus.

friedrichTrack #12 Das hingegen ist ja fast nur hingetupft, der Gesang weniger als understated. Zieht mich auch sofort wieder in ein anderes Raum-Zeit-Kontinuum und mein Blick wandert versonnen in die Ferne. Das kleine Pianosolo kurz vor Schluss wirkt in diesem Zusammenhang fast schon aufregend. Ich mag das in seiner reduzierten Art sehr!

ja, für mich auch ganz außergewöhnlich. Da ist noch mehr, wo es herkommt. Und wo kommt es in diesem fall her? Aus einer kleinen siedlung an der südwestküste englands. Danach ist zumindest der track benannt.

friedrichTrack#13 Ein BFT der abrupten Stimmungswechsel! Und das hier ist dann auch wieder so ein Stück, das mit nur sehr schwer in die Gehörgänge geht. Ich erlaube mir mal den fast forward button zu drücken. Aha, gegen Ende mutiert das in eine noisige elektronische Richtung. Interessant! Den Zusammenhang verstehe ich aber nicht. Wer macht sowas? In welchem Kontext?

auch hier wieder stand erst ein anderer track, der besser passte zum vorherigen, dann habe ich aber umgebaut und es trotzdem so belassen. Ich würde den kontext darin sehen, dass eben im jazz neuerer zeit viel mehr ganz selbstverständlich neben- und miteinander geht, sich bands und projekte aus verschiedenen kontinenten speisen – z.b. brasilien und nordamerika – und dann auch noch eine legende dazwischen platz findet, die schon früher transkontinental, wenn nicht gar universal gedacht hat, und die man kurz mal anstubst, damit sie einfach was raustut, wie ihr das mundstück gewachsen ist.

friedrichTrack#14 Wow, ist das ein Blasinstrument oder ein mit dem KOSMOS-Elektronikbaukasten selbst zusammenglöteter Tonerzeuger? Ups, gibt da der Muezzin einen Komentar dazu? Ich tippe auf ein exotisches Blasinstument nordafrikanischer Provinienz. Stammt das von einer obskuren field recording-Platte? Eigenartig, dass das wahrscheinlich eine ganz traditionelle Art von Musik ist, hier aber völlig fremd und schräg wirkt.

field stimmt, dazu noch naher osten, vor ca. hundert jahren. Also nix elektronik.

friedrichTrack#15 Und wir sind wieder in der Jazz-Welt und zwar leider wieder dort, wo ich nicht verstehe, was da gespielt wird und es mir nur sehr schwer in die Gehörgänge geht. Ich erkenne keine Strukturen und wenn ich bösartig sein wollte, würde ich sagen, da werden ein Haufen Töne zusammengeworfen, ohne dass sie mehr ergeben als die Summe ihrer Teile. Ein wilder Mix, bei dem ich mich frage, was das zusamnehaltende Element ist, falls es denn eins gibt. Insofern mag ich einige Stücke sehr, andere überhaupt nicht und ich verstehe nicht, wieso die überhaupt im gleichen Mix landen. Nur zwei Tracks erkannt, hier und da etwas über den Kontext spekuliert. Es ist aber auch einiges dabei, das mir fremd war aber sehr zusagte. Bin gespannt auf die Auflösung und vor allem darauf, wie das alles zusammenpasst. Thx!

das zusammenhaltende element dieses bft muss ich mir auch noch im einzelnen überlegen. : )
zu #15: vielleicht muss man das tatsächlich öfter hören, um die interaktionen herauszuhören. Ich finde aber, dass da auch sehr schöne melodieteile gekocht werden, die dann vom klavier perkussiv beantwortet und weitergeleitet werden. So verzahnt und verdichtet und verdünnt sich das ganze sehr spannend.

Ganz herzlichen dank, @friedrich, dass du es noch geschafft hast, den bft zu kommentieren. Vieles konnte ich sehr gut nachvollziehen, wie immer gut geschrieben und unterhaltsam zu lesen. Danke!