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clasjaz
gypsy-tail-wind
Eduard Erdmann heute Morgen fand ich übrigens eine sehr besondere Erfahrung – das passt dann wohl wieder zu Scherchen und seinem Bach, an den ich durch die Zender-Einspielung der Stiedry-Fassung der „Kunst der Fuge“ erinnert wurde: wie Scherchen scheint Erdmann ein denkender, offenlegender Interpret zu sein – der eben gar nicht interpretiert sondern darlegt, offenlegt, seziert, ausbreitet, zur Betrachtung freilegt … das führt z.B. nicht zu einer mitreissenden und bewegenden D 960, wie man sie bei so vielen anderen Pianisten kriegen kannEduard Erdmann ist sehr zurückhaltend und doch sehr bestimmend, in dem, was er tut. Vor allem ist er rastlos bei Schubert, erinnere ich, eine Rastlosigkeit, die sich keine Gedanken macht, ob sie rastlos sei. Ich sage das absichtlich wiederholend – Erdmann hat große Selbstgewissheit, ohne dass er jemanden überzeugen möchte von einer Interpretation. – Von Schubert/Erdmann habe ich die drei letzten Sonaten (allerdings nur in Kopie, von irgendeiner Vinylplattenbox aus einer Bibliothek, zu der ich kein Bildchen finden kann, auch nicht auf discogs) und dann noch:
Erdmann ist aber bei Schubert gewiss der Antipode zu jemandem wie Richter: Jede mögliche Pause, die er verschlucken kann, nimmt er auf. Vermutlich, weil er sie für keine Pause hält … Richter wartet auf die Schubertpausen. Auch er mit Überzeugung. Erdmann bürdet sich damit eine kleine Schwierigkeit auf, er muss die Dynamik noch feiner spielen, leise-laut genügt nicht, er muss leise-leise spielen. Und das tut er dann auch ständig.
Darf ich da kurz nachfragen – der Inhalt der obigen CD stammt aus den Jahren 1928–1945, ja? Dann muss ich danach nicht gucken, empfehle stattdessen (die obige CD sieht arg nach Billig-Release aus, doch ich mag mich täuschen?) diese Ausgabe, die hier schon etwas länger steht und mit einem sehr ausführlichen Booklet, darin ein langer Erinnerungstext von Irene von Willisch (die ab 1919 mit Erdmann verheiratet war). Die dort erwähnte geplante Veröffentlichung kam wohl nicht zustande, aber auf der Erdmann-Website findet man einen anderen ausführlichen Text, den ich wohl mal ausdrucken und in Ruhe lesen muss:
https://www.eduard-erdmann-gesellschaft.de/fileadmin/user_upload/Literatur/JO2-Bobeth.pdf
Im Booklet gibt es zudem einen Lebenslauf und eine Diskographie, eine Analyse zu Erdmanns „Foxtrott“ sowie ein Text von diesem selbst („Meine musikalische Laufbahn bis jetzt“, wohl von ca. vor 1910?). Hier die Bildchen und unten der Link:
https://www.amazon.de/dp/B000025Z2C/
Man kann sich auf der Erdmann-Website (bzw. in der Tube) übrigens auch Erdmanns vier Symphonien anhören – ich vermute in den bei cpo erhältlichen Einspielungen. Keine Ahnung, ob das lohnt.
Es läuft hier aber grad ein anderer Pianist, Erroll Garner … auch ziemlich famos, und in seiner Zerlegung der Rhythmen eigentlich auch ein hervorragender Darleger oder -steller.
zuletzt geändert von gypsy-tail-wind--
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