Antwort auf: Gipettos Rezi-Kiste

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gipetto
Funk 'n' Punk

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Matt Hollywood & The Bad Feelings (VÖ: 08.05.2018)

Matt Hollywood war Gründungs- und eines der wenigen Langzeitmitglieder von The Brian Jonestown Massacre, bis es Anton Newcombe 1998 schlussendlich gelang, auch ihn aus der Band zu ekeln. Bis dahin war der damals optische Lennon-Zwilling eigentlich der einzige, der sich mit verhaltener Regelmäßigkeit in den Kreativprozess der Band einbringen durfte und sich immerhin für „Hits“ wie Not If You Were The Last Dandy On Earth, Oh Lord, Cabin Fever oder Miss June ’75 verantwortlich zeigte. Nach seinem Ausscheiden stellte der talentierte, aber immer etwas naiv wirkende Hollywood verschiedene, meist kurzlebige Projekte auf die Beine, doch so richtig aus dem Knick kam seine Solokarriere dabei bislang leider nie.

Vor ein paar Monaten bin ich im Netz über einen neuen Track namens Ghost Ghost gestolpert, den er mit seiner neuen Band Matt Hollyood & The Bad Feelings aufgenommen hatte. Das Stück ist musikalisch simpel mit wenigen, stampfenden Akkorden gestrickt, fraß sich aber irgendwie ins Hirn und vermochte letztendlich auch durch die garagige Produktion zu gefallen. Nachdem der Track bis dato nirgendwo offiziell veröffentlicht worden war, stolperte ich vergangene Woche per Zufall bei Bandcamp über ein komplett neues Album dieses Projektes, das erst am Vortag hochgeladen wurde und dessen physische Veröffentlichung auf Anfang Mai datiert ist. Erwartet habe ich von den neun Tracks im Grunde nichts; umso positiv verdutzter wurde ich im Verlaufe der abendlichen Stunde, in der ich dem Album einen ersten Durchlauf gönnte. Geboten wird ein schwer psychedelischer Sound, geprägt durch überwiegend cleane, aber mit viel Reverb verhangene Gitarren. Erwähnenswert ist auch der üppige Einsatz von Schellenring und Maracas in alter BJM-Manier, der den Klang unterschwellig, aber doch sehr entscheidend mitgestaltet. Die Vocals teilt sich der stimmlich gereifte Hollywood gelegentlich mit Emma Acs für ein Duett und wird ansonsten bei nahezu allen übrigen Titeln von der alten Weggefährtin Miranda Lee Richards mit wunderbaren Harmoniegesängen unterstützt. Insgesamt schreitet das Album balladesk und mit eher langsamen Tempo voran, das erwähnte Ghost Ghost ist die mit Abstand rockigste Nummer. Möchte man das Kind mit einem Etikett versehen, so würde ich es unter „Psychedelic/Space Country“ verorten.

Den dazu passenden Einstieg bietet mit Carl Sagan eine sechsminütige Würdigung des gleichnamigen Astronomens, die durch den repetitiven Chorus und gesprochene Textpassagen – womöglich Textfragmente Sagans – eine hypnotische Wirkung entfaltet. Es folgt das von Hollywood bedächtig gesungene Nobody’s Hurt, das nicht zuletzt mit seinen verträumten Slide-/Steel-Gitarren an Mazzy Star erinnert. Mit My Love Will Find You schließt sich ein echtes Highlight an: Ein Duett mit unheilvoller, fiebriger Atmosphäre über die grenzüberwindende Kraft der Liebe, betörend vorgetragen von Hollywood und Acs. Weitere Highlights sind das bereits erwähne Ghost Ghost, das resignierte und mit schönen Harmonien überzeugende Mosquito Coast sowie das schwül-psychedelische Horse Drawn Chrysler, das irgendwann unverhofft zur Schilderung eines Geschlechtsaktes in den Walzertakt verfällt.

Alles in allem ein wirklich überraschend gutes Album, das zwar nicht durch musikalische Virtuosität und Eigenständigkeit, dafür aber mit viel Gefühl, einer packenden fiebrig-schwülen Atmosphäre und einer gelungenen Produktion in schwer psychedelischem Gewand besticht.

 

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"Really good music isn't just to be heard, you know. It's almost like a hallucination." (Iggy Pop)