Re: Bob Dylan

#1043893  | PERMALINK

derbuschmann

Registriert seit: 08.07.2002

Beiträge: 3,195

Die Süddeutsche gestern dazu:

Du sollst dir kein Bildnis machen

Gut war Bob Dylan in Essen zu fotografieren, 1990, dem 50. Jahr des Herrn, also Dylans. Zwar bestritt er neulich in einem Gespräch mit dem Rolling Stone (seinem einzigen Gespräch in sage und schreibe 150 Jahren!), je ein Alkoholproblem gehabt zu haben. Aber wenn Dylan in Essen nicht sternhagelblendgranatenvoll gewesen sein sollte, so müssten sich alle Konzertbesucher total geirrt haben.

Zu den leuchtenden Momenten dieses Konzertes gehörte, als Dylan „It ain’t me babe“ sang und somit die ständige Frage seiner Fans – WER BIST DU? – wieder nicht beantwortete. Er wankte zwei Meter neben dem Mikrofon, Knie eingeknickt, als müsse stehend ein weiteres Geschäft verrichtet werden. Das sind Momente, in denen Fotografen jubeln, weil sonst immer das Mikrofon im Weg steht. Hier war der Meister frei zum Abschuss, nicht ganz dicht zwar, bzw. total dicht, egal, Hauptsache, das Bild ist scharf. Erst als Dylan mit einem Ellbogencheck seines Rhythmusgitarristen hinters Mikrofon geschubst wurde, machte sich unter den Fotorittern Ernüchterung breit. So war das Leben. So ist es heute: Dylan gibt nüchterne Rock’n-Roll-Konzerte und wird höchstens immer besser statt, wie ja sonst alles, immer schlechter.

Nun – guten Tag – Auftritt „Deutscher Journalisten-Verband“!

Dylan will auf seiner bevorstehenden Tour nicht fotografiert werden. Der DJV-Sprecher Hendrik Zörner ruft deshalb „alle Journalistinnen und Journalisten zum Boykott der Konzert-Tournee von Bob Dylan auf. ( . . . ) Die freie Berufsausübung der Bildjournalisten ist wichtiger als die persönliche Befindlichkeit von Bob Dylan.“ Angenommen, eine kleine Utopie, Dylan bekäme die Verbandsprosa von Hendrik Zörner vorgelesen, zum Beispiel während ihm eine junge und sehr schöne Halbindianerin im Tourbus die müden Füße massiert. Er würde von der Reisebibel aufblinzeln und knarzen: „Henry fuckin who?“ Verzeihung, liebe Fotografen: Wäre das unsympathisch? Glauben wir ja nicht.

Wir glauben: Wäre der DJV noch ganz dicht, so wäre er der erste Verband, der die Dinge mal nimmt, wie sie sind. Den freien Popkritikern deutscher Lokalzeitungen geht es durch den Boykott ans Zeilengeld. An was wiederum Dylan das alles – erführe er nur davon – vorbeiginge, ließe sich selbst für den Herrn vom DJV denken, wenn dessen persönliche Befindlichkeit nicht so dicke Pappe wäre.

Fotografen sind Dylan seit jeher derart verhasst, dass er nicht mal auf sie schießen lässt. Die besseren hat er mitunter gewähren lassen, damit sie dunkle Bilder von ihm machen, in denen er aus ehrenwerten Gründen entrückt bleibt. Nun möchte der alte Mann gar nicht mehr fotografiert werden, sondern in Ruhe singen. „Wer bist du?“, fragt ständig der Schurke den Rächer in „Spiel mir das Lied vom Tod“. Die Antwort kommt erst ganz am Ende: Da erhört der Schurke eine Melodie aus der Mundharmonika. Und erhält zwischen die Rippen eine Kugel von dem Mann, der sie spielt. Dagegen ist die Bitte, von Fotos Abstand zu nehmen, wirklich nicht unhöflich. „I’ve had too much of your company / says Tweedledee Dum to Tweedledee Dee.“

Mensch, Herr Zörner, wir sollen uns doch vom Herrn kein Bildnis machen! Die Tour des Herrn und Rächers, die Tour des großen Mannes mit der Mundharmonika beginnt am 17. Oktober in Hamburg und endet am 8. November in Düsseldorf. Man sieht sich.

--

Die meiste Zeit geht dadurch verloren, dass man nicht zu Ende denkt. Alfred Herrhausen (1930-89)