Antwort auf: Blindfold Test #25 – Nicht_vom_Forum

#10396025  | PERMALINK

nicht_vom_forum

Registriert seit: 18.01.2009

Beiträge: 6,376

Schön, dass die Meinungen hier so weit auseinandergehen. Schon wieder viele Einschätzungen, die es so noch nicht gab. Mir scheint, dass sich hier bei den ersten 10 Stücken wirklich fast kein Konsens findet. ;-)

wahr#
#2
Wieder einfach schönes Sax, ich dachte bei Köln irgendwie an die Mischpoke von Schlippenbach bis Brötzmann, unseren Testosteronbläser aus Wuppertal. Aber das hier ist weit davon entfernt.

In mehr als einer Hinsicht. ;-) Fast schon das Gegenstück zu Brötzmann. Wobei der ja auch als junger Saxophonist schon mehr auf Krach stand.

Jetzt ein komischer Break mit der E-Gitarre, die das Tempo herunterfährt, was erstmal keine gute Idee ist, denn das kommt ein bisschen ideenlos rüber, als wüsste der Gitarrist nicht so recht, was damit anzufangen ist, plötzlich Raum zu kriegen. Dann fängt er sich aber und spielt noch schön knapp am Gedudel vorbei. Vielleicht eine polnische Fusionband, die öfter mal in Köln gespielt hat?

Polnische Wurzeln gibt es hier nicht (sondern anderswo), die Federführung hat ein anderes Nachbarland (Die wichtigen Musiker aus #1 kommen übrigens auch nicht aus Deutschland). Der Gitarrist ist ursprünglich aus dem Ruhrgebiet. Hmmm… Gerade stellt sich für mich ein großer Nachteil dieses BFT raus: Die meisten Musiker sind recht unauffällige Profis, über die man nicht allzuviel schreiben kann. Da hätten Brötzmann, Schlippenbach oder Coltrane mehr zu bieten. ;-)

#3
Cool: Ein Stolperbeat mit Marimba, dazu Tuba. Ein humoriges Sax. Das Ganze stolpert sich aber jetzt doch etwas in eine Langeweile rein, oder eben in eine zu vordergründigen Humor. Ist nicht so mein Fall, obwohl ich Marimba und Vibraphon gerne mag. Ist es vielleicht der Gunter Hampel, der hier mitmischt? Dann hat er aber einen etwas ideenlosen Tag erwischt.

Interessant. Dabei entwickelte sich das gerade zum heimlichen Star des ersten Teils. Ich finde es allerdings in Ganzen gar nicht so arg humoristisch. Mit Tuba statt Kontrabass entwickelt das Stück natürlich keinesfalls Ernst und Schwere, aber „vordergründiger Humor“? Ich weiß nicht…

#4
Spannender Anfang, wie in einem kölner Agentenfilm (nein, kein Tatort). Schönes Klavier und Sax. Was zum Gehenlassen. Das Klaviersolo gefällt mir nicht so, ist das ein E-Klavier?

Auf dem Foto ist es jedenfalls ein Flügel.

Der Drummer könnte auch ein bisschen mehr machen, aber jetzt nimmt das Ganze Fahrt auf. Der sparsamere Part mündet wieder gut in das Motiv, aber insgesamt zieht mich das nicht so richtig in den Bann, obwohl nicht schlecht.

Ich schrieb es oben schonmal: Der Drummer hat hier m. E. einen schlechten Tag erwischt oder falsche Vorgaben vom Bandleader. Understatement gibt es bei ihm zwar öfter, aber ich höre ihn live immer wieder gerne.

#6
Wieder was afrikanophil/arabisch Angehauchtes. Tolles Melodiemotiv, das ich irgendwo her zu kennen glaube. Sehr guter Track, auch das Saxofon gefällt mir. Kleiner Nervfaktor, aber das ist ok. Ich mag es, wenn das Sax nach Tönen sucht und sich selbst überrascht zeigt von dem, was es findet. Sehr abwechslungsreich. Gefällt mir bisher mit am besten. Das Drumsolo hätte nicht sein müssen, auch wenn es jetzt wieder schön rauskommt. Der Part mit der Oud (?) ist auch schön, wenn er auch etwas aus dem Zusammenhang gerissen scheint. Ein Höhepunkt bisher.

Freut mich, dass Dir das Stück so gut gefällt. Die Hauptperson hier ist eine feste Größe in der Kölner Szene. Auch wenn man sie leider weder live noch auf Konserve uneingeschränkt empfehlen kann, kommt sie in Summe hier im Forum m. E. zu schlecht weg.

#9
Verhaltener Beginn, da groovt sich das Schlagzeug noch ein, Sax beginnt ganz spannend, schön wie das Thema am Ende so weggewinselt wird, klingt auch wieder nach Free Jazz. Dann doch ein kongruenter, eher strenger Teil, wo das stotternde Schlagzeug und das Saxofon gut zusammengehen. Jetzt Bass und Drums, finde ich spannend und gut. Es wird langsam dichter und freier, ohne auf einen Klimax zuzusteuern. Muss auch nicht. Gefällt mir gut, hält die Spannung.

Der Drummer ist hier immer für ein interessantes Konzert gut. Hier spielt er ausnahmsweise mit einem kompletten Schlagzeug, meist ist er allerdings mit eher kleinem Besteck unterwegs – Snare, Becken und viel Krimskrams. Ich hatte bei der Auswahl des Stücks übrigens unerwartetes Glück: Am Ende des ersten Stücks der CD (also nicht hier ;-) )wird die Band vorgestellt… Das fiel mir aber erst auf, als der BFT schon veröffentlicht war.

#12
Wieder was Moderneres, mit Cello. Willkommen in der Kammer. Klavier, Sax. Hat einen ruffen Charme, obwohl hier bestimmt könner am Werk sind. Das heisere Gebläse, also ist das wieder Peter Brötzmann? Jedenfalls tolles Saxofon, die Stottertöne, das ist außerordentlich gut.

Das Saxophon gab’s vorher schonmal, das Klavier auch. Der Saxophonist auch eine Kölner Größe, inzwischen aber primär in Berlin aktiv. Diese Drei spielen erfreulich oft im Loft, traditionell wird dann auch eine CD draus. Ein schönes Beispiel dafür, dass Vertrautheit nicht zu Langeweile führen muss. Das Cello ist übrigens ein Bass.

#13
Klasse Perkussionanfang! Hamid Drake? Piano gefällt mir auch, klingt so der Schlippenbach? Schönes Stück, mir gefällt das Zusammenspiel von Piano und Drums gut. Das Piano ist frei, aber hat auch klassische Elemente enthalten. Eines der besten Stücke in der Konkurrenz.

Zwei Wahlkölner und ein US-Amerikaner. Ich bin ja immer wieder beeindruckt, wenn jemand mit dem Format „Klaviertrio“ etwas Eigentständiges macht. Hier gelingt das meiner Meinung nach ziemlich gut. Die Drei bauen interessante Spannungen auf und erzeugen viele wechslende Zentren.

#14
Ein kleiner humoriger Stop-And-Go-Anfang, den finde ich sehr gut, es darf nur nicht nur so weitergehen. Groovt schön mit den kleinen Verzögerungen, das Klavier gefällt mir auch. Das Ganze ist ein bisschen wie ein Versuch, den Fluss eines Vince-Guaraldi-Stücks zu verzögern. Im Laufe des Stücks hätte ich mir vielleicht thematisch noch ein bisschen mehr gewünscht, aber insgesamt doch sehr gut.

#15
Schön lyrisch, obwohl recht frei. Mir gefällt die Geschichte, die das Saxofon erzählt. Irgendwie eine Geschichte, die im Tierreich spielt. Oder in der Kommunikation von Tier und Mensch. Ein schöner Abschluss. Wie ein gutes, modernes Gedicht.

Ja, ich dachte mir, ein Ende mit Monk-Referenzen kann unmöglich schlecht sein – und fand dann gleich zwei passende Stücke. Wobei ich bei beiden Stücken die Aufgabe sehr gut (wenn auch auf unterschiedliche Art) gelöst finde, wie man zu Monk zwar Bezüge aufbaut, aber nicht einfach nur ein Klischee abliefert.

Die Auflösung muss übrigens tatsächlich bis nächste Woche warten. Morgen gilt „Escape from Cologne“ solange noch nicht alle Fluchtmöglichkeiten abgeschnitten sind. Ab Donnerstag überrennen die Horden die Stadt…

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