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vorgarten
brandstand3000 echt viele krumme takte im ersten teil, aber wenig selbstzweck. konnte auch noch nicht alle auszählen. ist die #3 zb nur ein komisch betonter 4er? im langsameren „prog“-teil zähle ich aber bis 15. klar, ist das verkopft, funktioniert für mich musikalisch aber super. klingt wie funk mit haltungsschaden.
das verknüpft sich aber in den 1990ern mit dem traditionalistischem jazz, in form von ungerade metren, komplizierten themen, steigerungs-soli und instrumentalistischer glätte. da gab es durchaus pioniere, tim berne z.b., aber heute ist das hochschulstandard. und die ganze reibung und vermeintliche schrägheit wird durch ambivalente harmonien (die immer so eine weinerliche, pseudo-tiefsinnige melancholie andeuten, schließlich darf es ja nicht pop sein) und schweißtreibende technische meisterschaft aufpoliert, die im aufgreifen des themas am stück jedesmal todsicher in die waagerechte gebracht wird. ich finde das furchtbar langweilig, weil es risiko-signale produziert und doch die totale nummer sicher ist, jedenfalls wenn man das lange genug übt.
Das kann ich soweit nachvollziehen und wenn ich Dich richtig verstanden habe, stimme ich sogar zu. Gerade im Bereich der komponierten Musik wird es bei vielen zeitgenössischen Jazz-Musikern aufgrund der Komplexität gerne etwas steril. Auf der anderen Seite muss ein Stück auch für den Hörer einfach funktionieren und für sich selbst stehen können. Ich kann – komplizierte Metren hin oder her – jedes der Stücke in meinem BFT auch einfach mit Genuss hören, ohne es gleich in einen jazzgeschichtlichen Kontext zu stellen.
Rein musikalisch finde ich die zugrunde liegenden komplexen Taktarten hier aber ganz grundsätzlich weniger offensichtlich (um das Wort „störend“ zu vermeiden, was hinsichtlich des kommenden Vergleichs nicht passt) als z. B. bei Brubeck. Wenn es schon soweit ist, dass man erstmal aktiv auszählen muss, ob das im Stück jetzt vier 4/4-Takte oder ein 15/4-Takt waren, kann ich das beim Zuhören prima ignorieren, wenn das Stück an sich gefällt. Ich muss ja weder dazu marschieren noch es nachspielen.
dünnes eis wird meine argumentation, wenn man sich gleichzeitig die parallele entwicklung von m-base ansieht, das ja auch funk und rock in den jazz einbringt, mit ungeraden metren und technischer virtuosität arbeitet, aber das schien mir immer eher aus afroamerikanisch-afrikanischer polyrhythmik heraus entwickelt,
Naja… gerade im Bereich Jazz-Rock/Fusion gibt es eine Menge Musik, die ich bei aller komplizierten Rhythmik als gepflegte Langeweile bezeichnen würde – von Risiko keine Spur. Und ob das jetzt von Österreichern (Zawinul) oder von Afro-Amerikanern gespielt und komponiert wird, ist mir dann auch egal.
potenziell eher als trance-mucik zu funktionieren (ohne steigerungslogik) und auch tatsächlich riskant zu sein…
Ich weiß ja nicht… Trance und Risiko schließen sich für mich irgendwo aus. Ob man ein Stück dann unter Trance oder unter Langeweile verbucht, liegt dann gegebenenfalls eher am Rezipienten als am Stück.
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