Antwort auf: 2018: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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Depart & Jean-Paul Bourelly – Moods, Zürich – 23. Januar 2018

Harry Sokal – ts, ss, efx
Heiri Känzig – b
Fredy Studer – d
Jean-Paul Bourelly – g

Fredy Studer war einst der ursprüngliche Drummer von Depart. Als er wegen einer Karateverletzung nicht weitermachen konnte, empfahl er Jojo Mayer – und der blieb dann 20 Jahre in der Band und prägte ihren Mix aus Jazz, Rock und Grooves mit seinem druckvollen aber unglaublich präzisen und nuancierten Spiel massgeblich. Fredy Studer ist zweifellos ein toller Drummer, der ebenfalls sehr druckvoll spielt – aber sehr viel weniger Wert legt auf Feinheiten. Die ganzen Beats, die zu den Stücken von Depart essentiell gehören, hat Studer natürlich drauf – aber seine manchmal fast schon brachiale und alles in allem recht sparsame Spielweise ändert den Charakter der Gruppe ganz grundlegend. Man hört es bereits heraus: für mein Empfinden nicht unbedingt zum Guten. Bourelly gönnte man sich für die – verspätete, Sokal hatte im vergangenen Jahr einen Unfall, als die Tour hätte stattfinden sollen – Tour zum 30. Jubiläum als Gast. Er fand nicht immer in den kompakten Sound des Trios herein – dass er so kompakt und manchmal fast geschlossen wirkte, lag wohl auch an Studers Spielweise, die weniger Anknüpfungspunkte bietet als das feingliedrige Spiel von Mayer (den Mann, der dazwischen am Schlagzeug sass, kenne ich nicht, Martin Valihora heisst er und ist möglicherweise immer noch der reguläre Drummer des Trios). Auch Sokal kam in Sachen solistische Höhenflüge nicht oft zum Zug bzw. klemmte sich manchmal wie mir schien selbst ab. Dasselbe tat Bourelly, leider oft in den schönsten Momenten – als wolle man sich kurz halten und beschränken und eben: kompakte Musik darbieten. Im Zentrum standen – auch räumlich (Sokal stand vor meiner Nase am rechten Bühnenrand, von ihm hätte ich kein vernünftiges Bild hingekriegt) – die beiden Rhythmiker, Studer und Heiri Känzig am Kontrabass. Sie hatten sichtlich Freude am Zusammenspiel und Känzig blühte immer wieder auf, ohne den tiefen Groove zu vernachlässigen. Bourelly spielte oft mit schnörkellosem, leicht angerocktem Ton, die vertrackten Themen hatte er offensichtlich im Griff (ohne Noten, Sokal hatte ein paar kleinformatige Zettel mit, Känzig einen leeren Notenständer, den er erst bei der Zugabe brauchte), er liess sich nicht aus der Ruhe bringen, aber auch nicht so leicht aus der Reserve locken. Ein Gesangsmikrophon nutzte er ab und zu, um die Gitarrenlinien mitzusingen oder auch mal einen seltsam hohen Singsang anzustimmen, den er zur Gitarre ergänzte. Die Momente, in denen er richtig loslegte, gehörten auf jeden Fall zu den besten des Abends, sein Sound gefiel mir allerdings durchgängig sehr gut. Von den Ausbrüchen hätte ich mir allerdings mehr gewünscht, und das betrifft durchaus auch Sokal. Die Gruppe spielte ein einziges, sehr langes Set, das ziemlich gut geformt war, was Tempo- und Stimmungswechsel betrifft. Am Schluss gab es als Zugabe dann ein altes Stück von Bourelly (da brauchte Känzig dann die Noten), bei dem Bourelly und auch Sokal noch einmal richtig loslegten. Alles in allem ein schönes aber nicht überragendes Konzert.

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