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Hal CrovesVolle Zustimmung von mir, Friedrich. Ergänzen möchte ich, dass ich es ziemlich läppisch fand, dass einer der interviewten Pandits unbedingt noch dekretieren musste, dass die statische Bühnenperformance von Kraftwerk selbstverständlich das Ei des Kolumbus sei, die einzig wahre Art, eine Bühne zu bespielen, während dynamische Performances, wie sie für Rockbands typisch sind, doof, primitiv und pubertär seien. Als Dokumentation taugte der Film kaum, es handelte sich vielmehr um eine eindimensionale Abfeierei, aus der nicht sehr viel mehr zu erfahren war, als dass es Menschen gibt, die glauben, Kraftwerk werde ohne Zweifel so berühmt werden wie Mozart. Wer weiß, vielleicht kommt es tatsächlich dazu; nur hätte ich gerne etwas über die künstlerische Entwicklung der Band erfahren, z.B. darüber, was zwischen den Alben „Ralf und Florian“ und „Autobahn“ passiert ist (woher die Beiden z.B. ihre phänomenalen Melodien nahmen, nachdem sie vorher jahrelang ohne operiert hatten), warum es zu der schroffen Distanzierung von den ersten drei Alben kam und wie Kraftwerk ihre Rolle in einer Zeit sehen, in der elektronische Musik nicht mehr mit elektroakustischer Hardware, sondern mit kommerziell vertriebener Software erzeugt wird. So aber konnte ich, der über kaum mehr als basalstes Grundwissen über Kraftwerk verfügt, fast nichts Neues aus dieser „Doku“ erfahren – außer dass Kraftwerk die Allergrößten seien, größer als die Beatles, weltberühmt in Detroit und natürlich très chic.
Ich hatte vielleicht eine etwas große Keule rausgeholt und damit auf die Doku eingedroschen. Sie war ja ganz nett, aber über sattsam bekannte Allgemeinplätze kam sie leider zu selten hinaus. Genau solche Fragen, wie Du sie stellst, sind doch interessant.
Ich finde diese BBC-Doku über Krautrock sehr gut. Da erfährt man mehr über Kraftwerk als in der arte-Doku, auch weil sie aufdröselt, wie sich diese Musik im deutschen Nachkriegsmilieu entwickelte. Den Vorspann mit der Luftaufnahme einer zerbombten deutschen Stadt, der Musik von Amon Düül und den Worten des Kommentators „Germany. 1945. Year Zero. (…) It was time to rebuild.“ finde ich ebenso gruselig wie faszinierend und sagt schon viel über Krautrock und auch KW aus, die ja die Neuerfindung deutscher Musik zum Programm machten.
OnkelllouNe Doku über Kraftwerk zu machen ist ja nicht gerade einfach…vor allem wenn Kraftwerk selber nichts sagt…wie halt bei anderen Dokus wo ne Bnad halt selber auch was sagt.
Das stimmt, aber dieses Schweigen an sich ist das ja schon bemerkenswert und sagt gleichzeitig auch etwas aus. Die Anonymität, das völlige Verschwinden des Künstlers hinter seinem Werk, oder besser gesagt: Das Verschwinden des Produzenten hinter seinem Produkt. „Ich bin der Musikant mit Taschenrechner in der Hand.“
Zappa1Es ist halt auch schwierig, eine Doku für RS-Forumianer zu machen, wo eh jeder alles schon weiß…;-)
Ich habe eigentlich auch nicht viel mehr als Wikipedia-Wissen über Kraftwerk + das, was man hier und dort auflesen und sich zusammenreimen kann. Da hätte ich mir von einer arte-Doku halt ein paar tiefere Einblicke gewünscht. Aber leider habe ich nichts neues erfahren. Wie gesagt: Ich fand die Doku ganz nett, aber wirklich erhellend war sie nicht.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)