Antwort auf: 2018: Jazzgigs, -konzerte & -festivals

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FLY (Mark Turner, Larry Grenadier, Jeff Ballard) – Moods, Zürich – 15. Januar 2018

Mark Turner – ts, cl
Larry Grenadier – b
Jeff Ballard – d

Gestern schon der zweite Abend im Moods … der Club wurde letzten Sommer umgebaut, aber im Herbst war ich wohl ein einziges Mal dort und merke erst jetzt, dass sich entweder die Akustik oder die Soundanlage oder auch nur der Mann am Mischpult massiv verbessert hat. Sowohl bei Julian Lage wie auch gestern bei FLY hielt die Verstärkung sich im Rahmen und der Sound war klar und transparent. Wie man den Photos entnehmen kann, sass ich einmal mehr in der ersten Reihe, direkt vor Turner. Leicht nach hinten versetzt neben ihm stand Larry Grenadier am Bass und rechts von den beiden sass Jeff Ballard am Schlagzeug.

Los ging es mit etwas Verspätung kurz nach hlab 9, das erste Set an diesem Montagabend dauerte eine geschlagene Stunde. In den ersten drei Stücken wurde die Band allmählich warm, es gab auch einen Kaltstart an der Klarinette, etwas wacklig, aber Turner ist allein von der Beherrschung der Instrumente her schon schlichtweg beeindruckend – bei jedem anderen hätte jeder dritte Ton gequiekt, da bin ich ziemlich sicher. Als das Trio dann aufgewärmt war, Ballard auch mal was anderes als binäre Rhythmen klopfte und Turners Girlanden langsam eine Richtung fanden, ging die Post ab. Zur Pause war das schwer beeindruckend.

Mark Turner erinnerte mich tatsächlich immer wieder an Warne Marsh, es gab Linien, die scheinbar kein Ende nehmen wollte, der Ton ist fein, aber er hat Projektionskraft (und ich sass natürlich so nah, dass ich ihn auch in echt hörte, nicht nur via Soundanlage. Grenadier und Ballard fanden sich im Vergleich zu den beiden CDs (die erste auf Savoy kenne ich nicht, man kriegt sie derzeit nur zu Wucherpreisen) etwas mehr in der Begleiterrolle wieder, aber Ballard legte schon Sekunden nach dem Start mehrere Metren übereinander und das Material war überhaupt enorm anspruchsvoll. Turner und Grenadier hatten Noten dabei und guckten auch immer wieder rein – das kam in der ersten halben Stunde schon recht nerdig daher, recht kühl und verkopft – doch das Finale des langen Sets war dann schon ziemlich phantastisch, mit Verdichtungen und mit weniger eher unmotiviert wirkenden Richtungswechseln (die in den Noten standen, aber in der Musik eigentlich nicht), wie es sie zu Beginn auch noch gab.

Im zweiten Set dauerte die Aufwärmphase dann nur noch fünf Minuten und dann setzte das Trio dort an, wo das erste aufgehört hatte. Von da an gab es einen Steigerungslauf, und die Musik wurde wärmer, immer wieder überlagerten sich swingende Beats mit Grooves, was Ballard – ohne Noten, der Typ ist irre – da alles zusammenspielte war allein schon beeindruckend. Sowohl er wie auch Grenadier nutzten ihre Gelegenheiten, um solistisch zu glänzen, aber es war Turner und es war vor allem, was das Trio zusammen anstellte, was das Konzert trotz des etwas harzigen Startes zum eindrücklichen Erlebnis machte. Es gab im zweiten Set sogar Momente, in denen die Musik ziemlich sexy wurde – das pure Gegenteil des nerdigen Einstieges in den Abend. Entsprechend schien sich auch die Laune vor allem von Ballard und Grenadier im Verlauf der zwei Sets zu verändern – Turner blieb still und stoisch, die Ansagen übernahm Ballard. Das Publikum war zwar nach der Pause etwas geschrumpft (wieder einmal ein Fall, wo etwas mehr Geduld sich mehr als auszahlte), forderte aber hartnäckig eine Zugabe ein, die dann auch gegeben wurde – gespielt wurde ein Stück von Wayne Shorter, glaube ich – bin mir aber nicht sicher, was es war … „Nefertiti“? Ich hätte das gestern Abend daheim noch prüfen müssen, krieg ich jetzt nicht mehr hin. Jedenfalls war es eigentlich zuviel verlangt, nach dem Konzert noch eine Zugabe zu fordern, aber auch die war noch einmal sehr gut und bei aller Zurückhaltung intenstiv, die anfänglichen Vorbehalte längst weggeblasen.
 

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