Antwort auf: U2

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Diskussionen, die die Welt nicht braucht #317

Bono im Männlichkeitswahn … Rock sei heute „very girly“ und Hip Hop natürlich Schrott:

I think music has gotten very girly. And there are some good things about that, but hip-hop is the only place for young male anger at the moment – and that’s not good. When I was 16, I had a lot of anger in me. You need to find a place for it and for guitars, whether it is with a drum machine – I don’t care. The moment something becomes preserved, it is fucking over. You might as well put it in formaldehyde. In the end, what is rock & roll? Rage is at the heart of it. Some great rock & roll tends to have that, which is why the Who were such a great band. Or Pearl Jam. Eddie has that rage.

aus dem Interview mit dem US RollingStone

Wie männlich ist die Rockmusik? Die Frage hat eigentlich einen langen Bart, aber Paul David Hewson alias Bono, der Sänger der Band U2, der seit den Paradise Papers auch als kreativer Steuervermeider bekannt ist, hat mit ihr für den Aufreger des Jahreswechsels gesorgt. Er sagte in einem Interview mit dem amerikanischen «Rolling Stone» nämlich, Popmusik sei heute «very girly», also: sehr mädchenhaft. Das habe auch etwas Gutes, aber trotzdem sorge er, also Bono, sich um die jungen Männer, die heute gar nicht mehr wüssten, wohin mit ihrer jungen männlichen Wut. Der einzige Ort für junge Männerwut im Pop sei heute Hip-Hop, aber dem fehlten, so Bono, die Gitarren, und das sei «not good».

Die Statistik hat Bono auf seiner Seite: 2017 war das Jahr, in dem Hip-Hop in den USA Rock zum ersten Mal als meistgehörten Musikstil ablöste. Eigentlich hätte man sich also darüber aufregen müssen, dass hier ein alternder Rockstar, der mit dem Bedeutungsverlust seiner Musik anscheinend nicht gut klarkommt, dem Hip-Hop pauschal zuschreibt, wütend zu sein, ihm andererseits aber pauschal abspricht, diese Wut adäquat auszudrücken. Zerpflückt wurde übers Wochenende – im «Guardian», bei Salon und in vielen Musikblogs – aber eben die Formulierung, Pop sei «too girly». Zu Recht, denn in den Zeiten von #MeToo blickt man kritisch auf unnötige Stereotypisierungen von Weiblichkeit und Glorifizierungen von Männlichkeit.

Bonos simple Rechnung lautet anscheinend: Gitarrenvirtuosität gleich Männersache gleich Prädikat besonders wertvoll. Oder andersrum: Gitarrenmangel gleich Weiberkram gleich minderwertige Musik. Solch ein assoziativer Kurzschluss kann nur daher kommen, dass männliche Rock’n’Roller es mit ihrem ausdauernden Gitarren-Gegniedel und breitbeinigen Gepose geschafft haben, jegliche Erinnerung daran auszulöschen, dass der frühe Rock’n’Roll auch von Frauen geprägt war.

aus dem Kommentar des Zürcher Tagesanzeigers
Es lohnt, den ganzen Artikel zu lesen!

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