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Schlippenbach Trio – Rote Fabrik, Zürich – 17.12.
Alexander von Schlippenbach (p), Evan Parker (ts), Paul Lytton (d)
Gestern Nachmittag machte die „Winterreise“ des Schlippenbach Trios ihren letzten Halt in der Roten Fabrik am Zürichsee. Es war zugleich das letzte Konzert, das Fredi Bosshard veranstaltete. Nach 34 Jahren zieht er sich aus der aktiven Tätigkeit als Konzertveranstalter zurück, im Frühling fand das letzte von ihm programmierte Taktlos Festival statt und jetzt, als Schwanengesang, eben noch das Schlippenbach Trio.
Bosshard – das wusste ich im Voraus nicht – wurde mit dem Stadttaler ausgezeichnet, der Zürcher Ehrenmedaille. Daher gab es zunächst eine Ansprache der Stadtpräsidentin (seit ein paar Wochen ja meine oberste Chefin) und danach ein paar Worte von Bosshard selbst, bevor die drei alten Herren sich auf die Bühne hochkämpften und loslegten. Schlippenbach ist inzwischen wirklich alt, die mehrwöchige Winterreise wohl eine ziemliche Strapaze, sein Spiel schien mir – aber das ist ja nicht wirklich neu – oft etwas gar zurückhaltend, leise. Lytton war etwas fahrig und im Gegensatz zum letztjährigen Konzert (zu dem ich wirklich nichts geschrieben habe? aber suchen kann man hier ja kaum noch, in der Jahresliste fehlt das Konzert, es war super), auch schon mit Lytton, und nach dem Auftritt im Frühling in London mit Paul Lovens, vermisste ich diesen gestern Abend schon ein wenig. Lytton ist ein toller Drummer, keine Frage. Beim letzten Auftritt mit ihm fand ich das ganze Set wunderbar, ein anderes Trio als mit Lovens aber grossartig. Gestern fehlte mir das Treibende, Getriebene, das der Einpeitscher Lovens bringt – während das Spielerische, Verdichtende von Lytton einfach nicht so wirklich da war oder nicht immer gleichermassen gut gelang.
Nach einem tollen Einstieg flachte das Set etwas ab, während einiger Zeit schienen die drei quasi weiterspielend zu warten oder jeder vor sich hinzuspielen, doch plötzlich nahm das Trio wieder Fahrt auf, und wie schon ganz zu Beginn war es faszinierend zu erleben, wie nahtlos und reibungslos das Zusammenspielt läuft, wie das Energielevel plötzlich weit oben ist, der Gang dahin aber unbemerkt stattfand. Die zweite Hälfte des wohl siebzig Minuten langen Sets war grossartig, als mal alle drei absetzten machte Schlippenbach sofort weiter – es war offensichtlich noch nicht genug und das war auch gut so! Bosshard hatte in seiner Ansprache ein wenig ausgeholt, erzählt wie er Platten (zunächst Singles, Elvis) zu sammeln begann, seine erste Langspielplatte von Duke Ellington gewesen sei, worauf Charlie Parker und Thelonious Monk gefolgt seien – und er habe Schlippenbach gefragt, ob eins von Monk drinliege. Vielleicht bildete ich mir das nur ein, doch im Verlauf des langen Sets hörte ich einmal, wie Schlippenbach die ersten paar Akkorde von „Caravan“ (Ellington) anspielte, dann wirklich nur einen Augenblick lang „All the Things You Are“ (Parker) – und natürlich gab es Monk. „Rhythm-a-Ning“ scheint schon länger gerne aufzublitzen und Evan Parker hat die vertrackte Linie auch tatsächlich ziemlich drauf (wohingegen Schlippenbach sich bisher jedes Mal wenn ich es hörte sich durch eine der schnellsten Passagen hindurchmogelt). Lytton hingegen, so ging mir durch den Kopf, hätte bei Monk wohl ähnliche Reaktionen hervorgerufen wie der arme Jean-Louis Viale auf den neu veröffentlichten Live-Aufnahmen der Monk-Auftritte in Paris anno 1954 (Monk stand auf, zeigte auf Viale … Stopp, dann eher linkisches Schlagzeugsolo, weil Stopp geht ja irgendwie doch nicht … und dann irgendwann auch wieder Monk). „Pannonica“ erklang dann auch noch, und als sei das noch nicht genug kehrte Schlippenbach nach dem langen Schlussapplaus zurück, murmelte was von „für Fredi“ und spielte eine Suite aus mehreren Monk-Stücken – auch wieder „Rhythmn-A-Ning“ dabei.
Ein tolles Konzert, mit dem vielleicht mein Jazzjahr endet – vielleicht, weil ich eventuell zwischen Weihnachten und Neujahr nochmal was einschiebe, mal schauen … im Januar und Februar sieht das Programm dann ziemlich gut aus, u.a. mit dem Trio von Julian Lage, dem Trio Fly (Mark Turner-Larry Grenadier-Jeff Ballard), dem Infinity Quartet von David Murray (mit Saul Williams) und ein paar weiteren interessanten Konzerten. Mitte März findet dann bereits das erste Taktlos in der Ära nach Fredi statt, kuratiert von Lucas Niggli – u.a. steht ein Trio von Matana Roberts, Alexander Hawkins und Niggli auf dem Programm.
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