Re: The Black Keys

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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stef1205Richtig, eine Rubber Factory-Kopie wäre es auch nicht gewesen. Geschmäcker oder Präferenzen sagen nichts über Qualität einer Musik aus, ich werde sie mir gleich ein 2x anhören. Ich hoffe echt, dass es dann Klick macht.

Hör sie Dir ruhig noch ein 3x an! ;-)

BroscheMehr Soul? Zumindest haben die Keys an Leichtigkeit hinzugewonnen. Obwohl die Produktion, verglichen mit dem Vorgänger, sogar noch einen Schritt weiter geht hält sich der Gram, über den Verlust des verschwitzten Garagenblues, dann doch in Grenzen.

Unterschreibe ich!

Ich habe BROTHERS jetzt drei Tage lang rauf und runter gehört. Sie springt einen nicht so an, wie THICKFREAKNESS oder manches von RUBBER FACTORY. Sie schleift sich langsam ein, aber umso nachhaltiger.

Für die einen sind The Black Keys ein ruppiges Bluesrock-Duo, für die anderen vielleicht the thinking man’s Rockband. Stimmt ja auch alles beides. Mit BROTHERS wird dies nur noch weiter ausgeführt, wobei sich der Fokus jedoch verschiebt, etwas weg vom Rock, hin zu – ja, zu was eigentlich?

Das Cover ist eine Anspielung auf eine Howlin’ Wolf-LP der späten 60er, die von Blues-Puristen wegen ihrer Anbiederung an den damals modischen Rocksound abgrundtief verachtet wird. Selbst HW hasste sie und machte auch keinen Hehl daraus. Das muss man sich erst mal trauen, 2010 eine Platte in Anspielung auf eine Igitt!-Platte einer Blues-Ikone zu benennen! Umso mehr, wenn man den Ruf eines vermeintlich authentischen Blues-Duos zu verteidigen hat. Oder?

Das erste Stück von BROTHERS, EVERLASTING LIGHT, klingt wie eine rumpelige Version von T. Rex im Übungsraum. Dazu singt Dan Auerbach – jetzt kommt’s – Falsett! Der Text changiert herrlich zwischen Liebeslied und Gospel („Let me be your everlasting light / The sun when there is none / I’m a shepherd for you“) das Stück groovt und – es ist richtig satt produziert! Adé, authentisches Bluesrock-Duo! ;-) TBK sind in der Welt der postmodernen Popmusik angekommen!

Die Freude am Zitieren durchzieht weite Teile von BROTHERS. Das Cover hatten wir schon, T. Rex auch, TIGHTEN UP (die eher untypische Single) trägt den Titel des Soulklassikers von Archie Drell, SHE’S LONG GONE klingt so, als hätten TBK den Backing Track von Muddy Waters’ SHE’S ALRIGHT (von ELECTRIC MUD) gesampelt (und TBK lassen ein Instrumental namens BLACK MUD folgen), und – festhalten! – HOWLIN’ FOR YOU klaut schamlos die Drum-Figur von Gary Glitter’s ROCK’N’ROLL. Es gibt sicher noch weitere Referenzen auf BROTHERS, die ich aber nicht erkenne. In guter, alter TBK Tradition gibt es auch wieder eine Cover Version, NEVER GONNA GIVE YOU UP (ein Soulklassiker von Jerry Butler), die DA wieder im Falsett singt. Oder hat da ein böser, böser Produzent (TBK selbst) das Tonband einfach etwas beschleunigt? Herzerweichend!

Das Schöne an BROTHERS ist aber, dass man all dieses Zitieren und Referenzieren auch getrost vergessen kann, denn die Platte bietet einen ganz wunderbaren Klangreichtum, in dem die Sinne schwelgen können. TBK suhlen sich im Sound (vergaß ich zu erwähnen, dass B. zu großen Teilen in den MUSCLE SHOALS STUDIOS aufgenommen wurde?) Es wummert und wabert, zischt und zerrt, brummt und rumpelt, dass es eine Freude ist. Das klingt alles sehr schön erdig, reif und warm, ich würde sagen: aromatisch, wie in 20 Jahre alten Bourbon eingelegt. Hier geht es nicht mehr vor allem um den Schlagabtausch zwischen Gitarre und Drums. Es rummst nicht mehr so wie früher, sondern kommt weich, aber mit Kraft. Neben git. + dr. zumseln vielerlei Instrumente umher. Auf den meisten Stücken gibt es eine Orgel, ein Mellotron oder ein E-Piano, im Hintergrund singt Nicole Wray „Shoo-ahhh“ oder irgendein Effektgerät sorgt für andere Klänge. Auf TOO AFRAID TOO LOVE hört man sogar ein Cembalo. Ein Fest für die Sinne. BROTHERS ist im bisherigen Oeuvre der TBK ein Album mit ganz einzigartigem Klang und setzt sich damit ein Stück weit von den anderen Platten der TBK ab. Ich möchte nicht behaupten, dass ich mit prophetischen Fähigkeiten gesegnet bin, aber meine Vermutung, dass ATTACK & RELEASE eine Platte des Übergangs war und dass TBK so manches aus ihren Solo- und Hip Hop/R&B-Kollaborationen in ihrer nächsten Platte verarbeiten sollten, hat sich bestätigt. ATTACK & RELEASE war noch etwas unentschlossen. Man hörte zwar schon die Lust am Spiel mit dem Klang. Aber erst auf BROTHERS blüht das voll auf.

Dazu kommen fast durchgängig tolle Songs. Einige habe ich schon genannt. I’M NOT THE ONE ist eine schöne, melancholische Ballade („I’ve been tried / and I’ve been tested / I was born tired / And I never got rested“), UNKNOWN BROTHER ein herb-nachdenkliches Stück („Though I never met you / And we spoke not a word / I’ll never forget you / Through stories that I heard“). Das Cover NEVER GONNA GIVE YOU UP ist ein Gänsehautmacher, den man allerdings so von TBK nicht erwartet hätte (und der sicher für viele auch gewöhnungsbedürftig ist).

Einen einzigen Kritikpunkt hätte ich: Mit einer Laufzeit von 55 Min. ist BROTHERS die längste TBK-Platte bislang. Das hätte nicht sein müssen. Im letzten Drittel verliert BROTHERS etwas an Spannung bevor NEVER GONNA … die Sache wieder rausreißt. Vielleicht hätte man einfach 2-3 Songs weglassen oder durch einen Uptempo-Knaller ersetzen sollen. Ein marginaler Makel.

Was werden The Black Keys als nächstes tun? Wird Rick Rubin TBK produzieren? (hoffentlich nicht!) Werden sie unplugged spielen? Eine Platte mit Bläsern und Streichern machen? Nehmen sie eine Trip Hop-Platte auf? Ein bisschen klingen sie ja schon wie „Jimi Hendrix goes Massive Attack“. Covern sie demnächst auch noch Burt Bacharach? ;-) Fragen über Fragen. Mit BROTHERS haben TBK auf jeden Fall einige Türen aufgestoßen, die viele Möglichkeiten eröffnen.

Jetzt seid Ihr dran!

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)