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Bin natürlich auf weitere Kommentare gespannt. Ich mache derweil mal weiter.
Hatte ich vergessen zu erwähnen, das TBK mit MAGIC POTION ihr erstes Album bei einem Major veröffentlichten? NONESUCH RECORDS heißt das Label, ein Sub von WARNER BROS., bei dem auch David Byrne , Laurie Anderson, die Jazzmusiker Brad Mehldau und Bill Frisell und sogar der moderne Klassiker Steve Reich veröffentlichen. The thinking man’s record label, sozusagen. Sind TBK vielleicht auch the thinking man’s Rockband?
Der beim Wechsel zu einem Major oft befürchtete Ausverkauf blieb jedenfalls aus. Genauso wenig war auf MP irgendeine Konzession an massenkompatiblere Klangvorstellungen zu hören. Mit dem Album ATTACK & RELEASE (2008) kommt es aber zu einer Veränderung: TBK heuern erstmals einen externen Produzenten an. Eigenartigerweise fällt die Wahl auf Danger Mouse, eine der offenbar interessanteren und subversiveren Persönlichkeiten der Hip Hop-Szene. Nanu? TBK go Hip Hop? Nein, noch nicht, denn DMs Produktion auf ATTACK & RELEASE fällt eher zurückhaltend aus. Er poliert den Sound ein bisschen, ergänzt das eine oder andere Instrument und schmückt hier und dort etwas aus.
Gleich auf dem ersten Stück ALL YOU EVER WANTED hören wir eine akustische Gitarre, erstmals bei TBK einen Bass (oder?) und am Ende sogar eine Orgel. Der Country-Einschlag ist auch nicht zu überhören. TBK machen offenbar dort weiter, wo sie z.B. mit THE LENGHTS von RUBBER FACTORY aufgehört hatten. Danach geht es etwas mehr zur Sache. I GOT MINE ist ein schwerfälliger Rocker und mit STRANGE TIMES fängt es an zu stampfen. PSYCHOTIC GIRL ist dann ein kleines Meisterwerk. Ein musikalisches und textliches Psychogramm: „I heard you threw your man round / picked him up just to put him down / it’s a shame cause I always knew / It’s just the way you gonna do“. Danger Mouse webt dazu im Hintergrund einen gespenstischen Klangschleier. Und ist das ein Banjo, was ich da höre? Klingt wie ein Spuk. LIES ist ein weiteres, langsames und unheimlich wirkendes Stück „You said the moon is ours / to hell with the day / the sunlight is only gonna take love away / raise up suspicion and alibis / and I can see blue, tearblinded eyes“. Im Hintergrund wabert und wimmert es bedrohlich.
Der Schwerpunkt auf A&R liegt weniger auf den Rockern, bei denen sich Dan Auerbach und Pat Carney die von den TBK gewohnten Schlagabtausche von git. und dr. liefern. Der Fokus liegt mehr auf den langsameren, vielschichtigeren Stücken, bei denen Sie mit Hilfe von Danger Mouse verschiedene Klangebenen übereinander schichten. Genau das ist einerseits die Stärke von A&R, andererseits aber auch eine Schwäche. Denn viele Stücke der letztgenannten Kategorie gehören zu den besten der TBK überhaupt. PSYCHOTIC GIRL wurde schon erwähnt. Weitere Höhepunkte sind SO HE WON’T BREAK und das ganz wunderbare THINGS AIN’T WHAT THEY USED TO BE, das erste aktenkundige Stück der TBK auf dem eine weibliche Stimme (Jessica Lea Mayfield) im Hintergrund zu hören ist. DA schöpft das Klangspektrum der Gitarre aus und auch die Orgel wabert wieder im Hintergrund. Eine Wonne an stimmungsvollen Klangreichtum! Auf einem Konzert der TBK würde ich spätestens jetzt das Feuerzeug schwenken.
Blöderweise gibt as auf A&R aber auch eine Reihe Stücke, die mich etwas kalt lassen. Ausgerechnet die Single STRANGE TIMES gehört dazu und auch mit REMEMBER WHEN kann ich nur wenig anfangen. Zu den rockigeren Stücken kann DMs Produktion offenbar nicht so viel beitragen und ich habe das Gefühl, den TBK geht dabei etwas von ihrer Dynamik und Elastizität verloren, die sie sonst auch und gerade bei den härteren Stücken hatten.
Nicht mehr ganz das Alte, aber auch noch nicht ganz das Neue, möchte man fast vermuten. Vorausgesetzt natürlich, man unterstellt den TBK, dass sie sich mit A&R von der Rolle des auf einfachen aber raffiniert gespielten, riff-orientierten Bluesrock abonniert Rockduos langsam verabschieden und sich in Richtung komplexere Songstrukturen, breiteres stilistisches Spektrum und vielschichtigere Produktionstechniken bewegen. Eine Platte des Übergangs also? Das kann man noch nicht sagen, denn das nächste TBK-Album BROTHERS erscheint erst am 18.05.
Dann wissen wir mehr.
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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)