Re: The Black Keys

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Weiter geht’s mit der TBK-Heldenverehrung. Wir müssen schließlich vorankommen, sonst werden wir am 18. Mai noch von der neuen TBK-Platte rechts überholt.

Nachdem ich im letzten post ausschließlich über das Cover von RUBBER FACTORY philosophiert habe, will ich es nicht versäumen, hier auch noch ein paar kurze Anmerkungen zur Musik zu machen. ;-)

RuBBER FACTORY setzt die Gewohnheit von TBK fort, getragen anzufangen und dann Tempo aufzunehmen. Was das erste Stück von RF, WHEN THE LIGHTS GO OUT, aber auf Anhieb von anderen Stücken der TBK unterscheidet, ist, dass wir darauf nicht nur eine akustische Gitarre hören, sondern dass TBK hier verschiedene Sounds übereinander schichten. Klingt richtig produziert! PCs Drums schleppen sich schwer und träge daher. Im Hintergrund hören wir eine weitere Gitarre disharmonisch und monoton wimmern, was dem Stück eine unheilvolle und düstere Stimmung verleiht. Mit 10 A.M. AUTOMATIC bekommen wir dann gewohnte TBK-Kost serviert. Ein packendes Riff, kraftvolle Drums und gegen Ende wird wieder die Fuzzbox angeworfen, dass es nur so zieht und zerrt. Die unheilvolle Stimmung bleibt jedoch: „What about the night / makes you change / from sweet to derranged / what about my voice / tells you who / who’s been wrong to you?“

Jemand meinte hier ja mal, TBK hätten Jimi Hendrix und James Brown gefrühstückt. Ich hätte es nicht so ausgedrückt, aber JUST COULDN’T TIE ME DOWN hört sich tatsächlich so an. Das Stück groovt wie Sau! Knapp arrangiert, pointiert und rockend, ja funky! Wo ist der Club, in dem ich dazu tanzen kann? GIRL IS ON MY MIND ist ein weiteres Highlight, ein kompaktes Rockstück mit einem unwiderstehlichen Riff, das nicht nur SONY, sondern auch der Dessous-Hersteller VICTORIA’S SECRET in einem Werbespot verwendeten. Eigenartig eigentlich, dass die Musik der TBK, die ja nun nicht unbedingt mainstream-kompatibel ist, auf dem obskuren FAT POSSUM-Label erscheint und eher bescheidenen kommerziellen Erfolg hat, sich in der Werbung wieder findet.

Der Höhepunkt von RF ist aber die Ballade THE LENGTHS. Hier wird weiter ausgeführt, was sich auf den nachdenklicheren Stücken des vorherigen Albums und auf LIGHTS GO OUT bereits andeutete: TBK werden sentimental! Akustische Gitarre, im Hintergrund eine Lapsteel, zurückhaltende Drums und DA singt mit zerbrechlicher Stimme „Tell me where you’re going / or what is going wrong / I felt you leaving / before you’d even gone / and hold me now / or never hold me again / no more talk / can take me from the pain I’m in“ Wunderschön gespielt und aufgenommen, herzerweichend!

Man könnte auf jeden einzelnen Song eingehen, aber das sprengt hier den Rahmen. GROWN SO UGLY ist ein Cover von einem Robert Pete Wiliams (ein 1980 verstorbener Bluesmusiker), ACT NICE AND GENTLE ist ein Song von The Kinks. Das Referenzsystem zwischen Blues, R&B, British Invasion und Alternative Rock bleibt also bestehen. TBK erweitern aber auf RF das Spektrum ihrer Musik. Nicht mehr mit dem Kopf durch die Wand, sondern sie lassen Raum für Nachdenklichkeit und – ja! – Verletzbarkeit. Die Platte ist stilistisch weiter aufgefächert und auch von der Produktion her vielschichtiger und transparenter. Nicht mehr nur Drums-hier-und-Gitarre da, die sich gegen- und aneinander abarbeiten, wie noch auf THICKFREAKNESS (was aber auch toll ist!). RUBBER FACTORY ist raffinierter, lässt Zwischentöne zu, ohne aber an Kraft zu verlieren und ist damit nicht nur ein großer Schritt für TBK sondern auch ihr bis dahin reifstes Werk.

Die nächste Platte, die TBK veröffentlichten, war die EP CULAHOMA. Ich kenne die leider nicht. Wenn sich jemand dazu äußern möchte, immer raus damit!

Grüße vom Balkon,

F.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)