Re: The Black Keys

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friedrich

Registriert seit: 28.06.2008

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Das Titelstück von THICKFREAKNESS (2003) (übrigens: kann jemand das Wort „THICKFREAKNESS“ angemessen ins Deutsche übersetzen?) beginnt mit einem ansteigenden Slide-Sound auf der E-Gitarre von Dan Auerbach, so als würde man einen Motor starten. Dann setzt ein knappes Riff ein, Pat Carney steuert auf den Drums einen schleppenden Beat bei. Mit HARD ROW kommen TBK auf Betriebstemperatur und spätesten bei SET YOU FREE geraten sie in den roten Drehzahlbereich. Ein krachender Wirbel auf der Snare und von da gibt es einen offenen Schlagabtausch von Gitarre und Drums, dass es nur so rummst. Darüber DAs cooler, testosterongesättigter Gesang. Weniger als 3:00 lang, aber enorm dicht und auf den Punkt gebracht. Da passt kein Blatt Papier mehr zwischen DA und PC. Und schon gar kein Bass oder irgendein anderes Instrument. Bevor der Kühler überkocht nehmen TBK das Tempo dann erst mal etwas raus. Auf dem Cover HAVE LOVE WILL TRAVEL, geschrieben von einem gewissen Richard Berry, der auch für LOUIE, LOUIE verantwortlich zeichnet, ziehen sie wieder an, EVERYWHERE I GO (ein Cover von Junior Kimbrough) ist ein knapp 6-minütiger, monotoner und hypnotischer Bluesrock usw. usf. Das Niveau wird jedenfalls durchgehend gehalten. Den Abschluss bildet dann ein minimalistischer, langsamer und nachdenklicher Blues, I CRY ALONE.

DA und PC sind perfekt aufeinander eingespielt und bilden zwei untrennbare Widerparts, so dass ihr Spiel wirkt wie eine Mischung aus Rock’n’Roll-Tanzen und Ringkampf. Jeder Ton hakt sich in den anderen ein oder findet ein Gegenstück, an dem er abprallt und irgendwie wieder auf den Füßen landet um sofort zum nächsten Sprung anzusetzen. Dabei geht es mal auch etwas ruppig zu, aber das ist gut so, denn am Ende der Platte ist man zwar verschwitzt und erschöpft, hat eine Achterbahnfahrt der Gefühle erlebt und dabei vielleicht auch ein paar blaue Flecken abbekommen, ist aber rundum zufrieden. Es zeigt sich aber auch schon eine ruhige und nachdenkliche Seite der TBK, siehe EVERYWHERE und CRY ALONE.

Das ist alles nicht gerade subtil im Sinne von filigran und transparent, sondern geht ohne viel Umschweife nach vorne los und springt den Hörer direkt an. Zupackend und maskulin (ja!), aber nicht machohaft. Dazu sind die DA und PC zu jung und schlacksig. Das Kunststück der TBK ist, dass sie bei aller Kraft und Aggressivität beweglich und elastisch bleiben und grooven. Das reduzierte Instrumentarium und PCs unprätentiöse und immer noch technisch simple, aber gegenüber der Vorgängerplatte TBCU deutlich fokussiertere Produktion („his patented recording technique called medium fidelity“ heißt es auf dem Cover) halten die Musik der TBK kompakt und knackig. Ich meine da wieder nicht nur das solide Bluesfundament zu hören, sondern auch die Frische und den Sturm und Drang von frühem Punk und Alternative Rock der 80er und 90er.

Klang THE BIG COME UP noch etwas unfertig, so ist THICKFREAKNESS eine stimmige Platte aus einem Guss. Ich habe vor Jahren mal SET YOU FREE zufällig im Radio gehört. Ein Glücksfall, denn das Stück packte mich sofort und am nächsten Tag stand ich im Plattenladen um THICKFREAKNESS käuflich zu erwerben. Ich habe es nicht bereut: eine tolle Platte!

F.

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„Etwas ist da, was jenseits der Bedeutung der Worte, ihrer Form und selbst des Stils der Ausführung liegt: etwas, was direkt der Körper des Sängers ist, und mit ein- und derselben Bewegung aus der Tiefe der Stimmhöhlen, der Muskeln, der Schleimhäute, der Knorpel einem zu Ohren kommt, als wenn ein und dieselbe Haut das innere Fleisch des Ausführenden und die Musik, die er singt, überspannen würde.“ (Roland Barthes: Die Rauheit der Stimme)